Durchschnittlich rund 80 Mal am Tag entsperren wir unser Smartphone. Egal ob an der Haltestelle, in der Bahn oder Abends vor dem Fernseher – haben die Finger mal nichts zu tun wird sofort zum Handy gegriffen. Auch ich, die täglich auf Arbeit schon acht Stunden vor dem Rechner sitzt, nehme mich da nicht raus. Was dieses ganze auf-einen-kleinen-Bildschirm-Gestarre mit unseren Augen macht, darüber will ich gar nicht nachdenken. Aber nicht nur körperlich, auch physisch kann sich der ständige Smartphone-Gebrauch auswirken. Besonders soziale Netzwerk üben eine starke Suchtgefahr aus, vor der erst vor wenigen Wochen auch ehemalige Mitarbeiter großer Konzerne gewarnt haben.
Um mich und meine Internetnutzung mal selber zu testen, habe ich meinen Skiurlaub dafür genutzt, mein Smartphone einfach mal auf dem Zimmer zu lassen. Digital Detox auf der Skipiste sozusagen.
Der kalte Entzug beginnt mit Panikattacken
Die ersten Entzugserscheinungen setzten schon rund zehn Minuten nachdem ich mich von meinem Smartphone verabschiedet hatte ein. Glücklich im Lift sitzend, sah ich das WLAN-Symbol in der Kabine und wollte das natürlich gleich mal nutzen. Rund drei Minuten später, nachdem ich panisch alle meine Taschen durchsucht, meine Mitfahrer erheitert und mich fragte, wie und vor allem wo ich mein Handy verloren habe, fiel mir meine selbstauferlegte Geißelei wieder ein. Das fängt ja gut an, dachte ich mir.
Am besagten ersten Tag sollte ich noch drei weitere Male alle meine Taschen, natürlich erfolglos, durchsuchen. Es ist erstaunlich wie schnell der Puls in die Höhe schießen kann, bei der Aussicht, das Smartphone nicht zu finden.
Ich will die Uhrzeit von dir, kein Kind!
Die folgenden Tage erkannte ich dann den vollen Umfang meines Selbstversuchs: Kein WhatsApp, kein Facebook, keine neidhaschenden Bilder an Freunde und Familie nach Hause schicken. Die Zeit auf dem Lift verbrachte ich damit, mich umzuschauen und die wunderschöne Gegend zu genießen. Was mir während der gesamten Zeit allerdings mit am schwersten fiel, war das Unwissen über die Uhrzeit. Also griff ich zu drastischen Maßnahmen: Ich musste fremde Menschen danach fragen. Hätte ich gewusst mit welchen Folgen, ich wäre wohl lieber „zeitlos“ geblieben.
Wie sich relativ schnell herausstellte, wurde meine ungewöhnliche Face-to-Face-Interaktion mit großer Skepsis aufgenommen. Komische Blicke und keine Reaktionen waren da noch das Beste, ab und zu wurde meine Frage nach der Uhrzeit doch tatsächlich als – sehr schlechter – Flirtversuch wahrgenommen. In einer Zeit, in der (eigentlich) jeder sein Smartphone ständig griffbereit hat, gibt es wohl keine andere Erklärung als ein plumper Anmachspruch. Peinlicher Höhepunkt dieser ganzen Erfahrung war, als ich zufälligerweise ein und dieselbe Person zwei Mal innerhalb weniger Stunden ansprach und neben der Uhrzeit auch den dezenten Hinweis mit auf dem Weg bekam, das besagte Person verheiratet sei. Ich wollte doch nur die Uhrzeit und kein Liebesabenteuer!
Digital Detox – Kann man machen, muss man aber nicht
Mein Fazit nach meiner Digital-Detox-Kur Light – denn ich gebe es zu, abends habe ich dann doch mal aufs Smartphone geschaut – fällt im Großen und Ganzen positiv aus. Trotz anfänglicher Panikattacken und peinlichen zwischenmenschlichen Situationen war es ganz schön, auch mal den Blick schweifen zu lassen und vor allem nicht bei jedem Vibrieren in der Jackentasche alles stehen und liegen zu lassen, um an das Handy zu kommen. Vor allem wenn man, so wie ich, eigentlich den ganzen Tag beschäftigt ist, fehlt einem nur selten das sonst so treue Smartphone. Dennoch war es ganz spaßig, sich selber auch mal zu beobachten und nach nur zehn Stunden täglich ohne technischer Hilfe festzustellen, wie abhängig man von diesem kleinen Gerät eigentlich schon ist. Weltbewegende Erkenntnisse konnte ich allerdings nicht erlangen, dafür bedarf es wohl einer Radikalkur.
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Nebenbei erhöht das zeitweise Trennen der Verbindungen auch die Akkulaufzeit und sorgt für weniger Elektrosmog.
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Gratulation zum Selbstversuch, immerhin ein Anfang! Sie scheinen jetzt (erst) begriffen zu haben, dass Sie ein Sklave Ihres Smartphones, digitaler Medien und Konsorten sind wie die Mehrheit der Bevölkerung...
Ich frage mich wo das noch alles hinführen soll und tatsächlich ob Sie als Redaktionsmitar beiterin noch nie von einer Armbanduhr gehört haben, die man stilgerecht am Handgelenk trägt, oder tut man das heute auch nicht mehr mit Smarty ausgerüstet? Sicherlich kennen Sie diese große menschliche Errungenschaft aus Ihrer Jugend bzw. Kindheit...Dami t hätten Sie sich die überflüssigen Fragen an Ihre Mitmenschen nach der Uhrzeit gespart...
Machen Sie weiter so (ohne Smarty), Sie werden merken wie viel mehr Zeit & Ruhe Sie für sich persönlich zur verfügung haben
Mit freundlichen Grüßen
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