Vera Jourová ist Justizministerin der EU und hat an der DSGVO mitgewirkt. In einem Interview mit Zeit Online versucht sie nun die Sorgen der Unternehmer zu zerstreuen – doch dabei stellt sie sich mehr als ungeschickt an. 

Vera Jourová
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Sie dürfte auch in den kommenden Tagen und Wochen noch im Fokus der Medien stehen: Vera Jourová, Justizministerin der EU und beteiligt an der Gestaltung der DSGVO, die am 25. Mai endgültig in Kraft tritt. In einem längeren Interview mit Zeit Online hat die EU-Ministerin sich nun kurz vor Ablauf der zweijährigen Umsetzungsfrist der neuen Verordnung zu einigen Fragen geäußert. Dabei zeigt Jourová aber leider auch, dass sie die Sorgen und Nöte der Unternehmer, die sich derzeit im Endspurt der DSGVO-Umsetzung befinden, nicht ganz verstanden hat.

Immer wieder betont Jourová im Interview, dass es bei der EU-Verordnung darum geht, den Menschen mehr Kontrolle über ihre Daten zu gewähren. Doch schon ziemlich bald verläuft die EU-Justizministerin sich: Auf die Frage, woher die Menschen denn wissen könnten, ob ihre Daten von einem Unternehmen tatsächlich gelöscht wurden, wenn sie darum beten, sagt Jourová lediglich: „Sie müssen Vertrauen haben.“ Wer den Verdacht habe, dass die Löschung nicht erfolgt sie, könne sich ja an den Datenschutzbeauftragten wenden, der dann die Löschung prüfen könne.

„Ich erwarte keinen massiven Missbrauch.“ 

Diese Aussage an sich lässt schon wenig Gutes erahnen. Fast schon haarsträubend wird es, als Jourová auf die Befürchtung in Deutschland, dass die DSGVO eine Klagewelle auslösen könne, angesprochen wird. Die Frage, ob sie da eine Gefahr sehe, beantwortet sie knapp: „Nein.“ Als die Zeitung nachhakt, wird die EU-Justizministerin ausführlicher: „Natürlich darf man die Angst, dass die DSGVO missbraucht wird, nicht unterschätzen“, räumt sie ein. „Es gibt immer Verrückte, die Gesetze für ihren eigenen Vorteil nutzen wollen – Wettbewerber zum Beispiel oder ehemalige Mitarbeiter. Aber ich erwarte keinen massiven Missbrauch. Glücklicherweise sind die meisten Personen normal – sie haben andere Hobbys, als ihre Mitmenschen zu verklagen.“

Von dem Abmahnmissbrauch, der teilweise in Deutschland betrieben wird, scheint die EU-Justizministerin also keinen blassen Schimmer zu haben. Das heißt nun auch nicht, dass die DSGVO zwangsläufig zu einer Abmahnwelle führen wird, aber derart leichtfertig mit den Sorgen der Unternehmer umzugehen, ist fast schon naiv.

Und dann kommt das mit der E-Mail

An einem Punkt im Interview lässt Jourová sich dann aber zu einer Aussage hinreißen, die für sie selbst noch eine böse Überraschung parat halten könnte – und mit der sie die Sorgen der Händler abermals als völlig überzogen darstellt:

ZEIT ONLINE: Die großen Konzerne können einfach einen Anwalt anrufen, um die DSGVO umzusetzen. Aber kleinere Betreiber, gerade Blogger und Vereine, haben oft nicht das Geld und wissen nicht, wie sie alle Kriterien umsetzen sollen.

Jourová: Die sollen mir eine E-Mail schreiben.

ZEIT ONLINE: Wir werden das genauso veröffentlichen

Jourová: Ja, ja. Machen Sie das. Ich werde ihnen raten, dass sie sich auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen sollen.

Man könnte die Entscheidung, die E-Mail-Adresse für hilfesuchende Unternehmen nun als waghalsig oder auch beeindruckend bezeichnen. Ich mag mir nicht ausmalen wollen, wie viele Mails die Ministerin nun tatsächlich erhalten wird. Mit der Aussage, die betroffenen Händler sollen sich „auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen“, zieht Jourová sich aber wieder ins Lächerliche. Der gesunde Menschenverstand hilft bei den teils strengen Vorgaben, die die Gesetzgebung vorlegt, nur bedingt weiter. Beruhigen dürfte dieser Tipp kaum.

Und so zeigt sich wieder die Weltfremdheit der Politik, die an so mancher Stelle nicht versteht, welche Sorgen bei den betroffenen Menschen teilweise geweckt werden. Vor allem den vergleichsweise streng regulierten deutschen Markt scheint Jourová komplett nicht im Blick zu haben, wenn sie sagt, dass sich ja alles mit „gesundem Menschenverstand“ klären ließe.