Ob falsche Erwartungen, Missverständnisse im Ton oder der unterschätzte Einfluss von Feiertagen – kulturelle Details entscheiden oft über Erfolg oder Frust im internationalen Handel. Wer mit Lieferanten oder Spediteuren aus China arbeitet, sollte nicht nur technische Prozesse verstehen, sondern auch typische Denkweisen und Kommunikationsstile erkennen. Artem Vovchenko von Meest China erklärt im zweiten Teil seines OHN-Interviews, worauf es ankommt – und warum ein Übersetzer allein noch lange nicht reicht.
Versand aus China: Bei diesen Anzeichen sollten Alarmglocken läuten
Welche Warnzeichen sollten Händler bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Lieferanten oder Logistikdienstleistern beachten?
Artem Vovchenko: Ein erstes klares Warnsignal ist, wenn sich der vermeintliche Hersteller als bloßes Handelsunternehmen entpuppt. Das führt häufig zu höheren Preisen und weniger Kontrolle über die Produktqualität. Auch wenn eine Produktionskontrolle verweigert wird, sollte man vorsichtig werden. Fehlende Transparenz ist ein ernstzunehmender Hinweis auf mögliche Probleme. Ebenso sollte man Abstand nehmen, wenn keine ordnungsgemäßen Unterlagen zur Ware oder zu den angebotenen Dienstleistungen vorgelegt werden können.
Gerade bei kleineren Herstellern lohnt sich ein Blick auf Bewertungen und Verkaufszahlen auf offenen Plattformen. Auf Taobao etwa lässt sich anhand der Kombination aus hoher Stückzahl und ausführlichen Kundenbewertungen ein recht verlässliches Bild der Produktqualität gewinnen.
Die Einschätzung von Logistikdienstleistern ist mitunter komplexer. Wenn ein Anbieter international kaum bekannt ist, kann das für Einsteiger zunächst verdächtig wirken. In solchen Fällen empfiehlt sich eine gründliche Recherche – über Google, Plattformen wie ChatGPT, Empfehlungen aus Netzwerken oder Foren der Logistik- und E-Commerce-Branche.
Dass sich viele Erst-Importierende zunächst für große Namen wie FedEx oder DHL entscheiden, ist nachvollziehbar – der Wunsch nach Sicherheit und Zuverlässigkeit steht am Anfang oft im Vordergrund. Häufig beginnt die Reise im stationären Handel, führt über Amazon und endet bei einer direkten Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern. Mit wachsender Erfahrung stellen Händler gezieltere Fragen – etwa wie man günstiger und effizienter versenden kann, ohne Abstriche bei der Servicequalität machen zu müssen.
Diese Feiertage bestimmen den chinesischen Kalender
Wie frühzeitig sollten sich Händler auf größere logistische Engpässe wie das chinesische Neujahrsfest oder die Golden Week vorbereiten?
Das Wichtigste dabei ist: Die logistischen Verzögerungen beginnen oft schon lange vor dem eigentlichen Feiertag. Bereits etwa zwei Wochen vor den großen chinesischen Feiertagen steigen die Versandpreise deutlich an und die Kapazitäten für Luft- und Seefracht füllen sich schnell. In den letzten Tagen vor dem Feiertagsbeginn kommt es in den Metropolen regelmäßig zu massiven Verkehrsstaus. Auch Behörden, beispielsweise der Zoll, stellen ebenfalls für einige Tage ihre Arbeit ein. Die Folge sind spürbare Verzögerungen entlang der gesamten Lieferkette.
Um Engpässe zu vermeiden, sollten Händler ihre Bestellungen spätestens zweieinhalb bis drei Wochen vor dem jeweiligen Feiertag aufgeben. Auch nach den Feiertagen ist Vorsicht geboten: Die ersten beiden Wochen nach der Rückkehr aus dem Betriebsurlaub sind in der Regel besonders hektisch, da Fabriken und Logistikdienstleister Rückstände abarbeiten und den Betrieb erst schrittweise normalisieren. Wer kann, wartet diese Phase ab und profitiert anschließend von stabileren Preisen und zuverlässigeren Abläufen.
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