China tickt anders: Die größten kulturellen Unterschiede

Veröffentlicht: 03.07.2025
imgAktualisierung: 03.07.2025
Geschrieben von: Ricarda Eichler
Lesezeit: ca. 5 Min.
03.07.2025
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ca. 5 Min.
Illustration: China symbolisiert durch Pagode und Laterne auf der einen Seite - Big Ben symbolisch für Europa
Erstellt mit ChatGPT
Wer mit China handelt, sollte sich auf kulturelle Differenzen einstellen. Wie man mit diesen am besten umgeht, weiß Artem Vovchenko.


Ob falsche Erwartungen, Missverständnisse im Ton oder der unterschätzte Einfluss von Feiertagen – kulturelle Details entscheiden oft über Erfolg oder Frust im internationalen Handel. Wer mit Lieferanten oder Spediteuren aus China arbeitet, sollte nicht nur technische Prozesse verstehen, sondern auch typische Denkweisen und Kommunikationsstile erkennen. Artem Vovchenko von Meest China erklärt im zweiten Teil seines OHN-Interviews, worauf es ankommt – und warum ein Übersetzer allein noch lange nicht reicht.

Versand aus China: Bei diesen Anzeichen sollten Alarmglocken läuten

Welche Warnzeichen sollten Händler bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Lieferanten oder Logistikdienstleistern beachten? 

Artem Vovchenko: Ein erstes klares Warnsignal ist, wenn sich der vermeintliche Hersteller als bloßes Handelsunternehmen entpuppt. Das führt häufig zu höheren Preisen und weniger Kontrolle über die Produktqualität. Auch wenn eine Produktionskontrolle verweigert wird, sollte man vorsichtig werden. Fehlende Transparenz ist ein ernstzunehmender Hinweis auf mögliche Probleme. Ebenso sollte man Abstand nehmen, wenn keine ordnungsgemäßen Unterlagen zur Ware oder zu den angebotenen Dienstleistungen vorgelegt werden können.

Gerade bei kleineren Herstellern lohnt sich ein Blick auf Bewertungen und Verkaufszahlen auf offenen Plattformen. Auf Taobao etwa lässt sich anhand der Kombination aus hoher Stückzahl und ausführlichen Kundenbewertungen ein recht verlässliches Bild der Produktqualität gewinnen. 

Die Einschätzung von Logistikdienstleistern ist mitunter komplexer. Wenn ein Anbieter international kaum bekannt ist, kann das für Einsteiger zunächst verdächtig wirken. In solchen Fällen empfiehlt sich eine gründliche Recherche – über Google, Plattformen wie ChatGPT, Empfehlungen aus Netzwerken oder Foren der Logistik- und E-Commerce-Branche.

Dass sich viele Erst-Importierende zunächst für große Namen wie FedEx oder DHL entscheiden, ist nachvollziehbar – der Wunsch nach Sicherheit und Zuverlässigkeit steht am Anfang oft im Vordergrund. Häufig beginnt die Reise im stationären Handel, führt über Amazon und endet bei einer direkten Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern. Mit wachsender Erfahrung stellen Händler gezieltere Fragen – etwa wie man günstiger und effizienter versenden kann, ohne Abstriche bei der Servicequalität machen zu müssen. 

Diese Feiertage bestimmen den chinesischen Kalender

Wie frühzeitig sollten sich Händler auf größere logistische Engpässe wie das chinesische Neujahrsfest oder die Golden Week vorbereiten?

Das Wichtigste dabei ist: Die logistischen Verzögerungen beginnen oft schon lange vor dem eigentlichen Feiertag. Bereits etwa zwei Wochen vor den großen chinesischen Feiertagen steigen die Versandpreise deutlich an und die Kapazitäten für Luft- und Seefracht füllen sich schnell. In den letzten Tagen vor dem Feiertagsbeginn kommt es in den Metropolen regelmäßig zu massiven Verkehrsstaus. Auch Behörden, beispielsweise der Zoll, stellen ebenfalls für einige Tage ihre Arbeit ein. Die Folge sind spürbare Verzögerungen entlang der gesamten Lieferkette.

Um Engpässe zu vermeiden, sollten Händler ihre Bestellungen spätestens zweieinhalb bis drei Wochen vor dem jeweiligen Feiertag aufgeben. Auch nach den Feiertagen ist Vorsicht geboten: Die ersten beiden Wochen nach der Rückkehr aus dem Betriebsurlaub sind in der Regel besonders hektisch, da Fabriken und Logistikdienstleister Rückstände abarbeiten und den Betrieb erst schrittweise normalisieren. Wer kann, wartet diese Phase ab und profitiert anschließend von stabileren Preisen und zuverlässigeren Abläufen.

Grundsätzlich gilt: Je länger die Feiertagspause, desto größer die Unterbrechung im Betriebsablauf.

Zu den wichtigsten Terminen, die E-Commerce-Händler im Blick behalten sollten, zählen: 

  • das chinesische Neujahrsfest (die gravierendste Unterbrechung im Jahr)
  • das Laternenfest (im Anschluss an das Neujahrsfest)
  • Valentinstag
  • Singles Day (11. November)
  • Qingming (4. oder 5. Juni)
  • Drachenbootfest (19. Juni)
  • Mondfest (Mitte Oktober)
  • Singles Day (11. November)
  • Wintersonnenwende (Ende Dezember) 

Wer mit erfahrenen Partnern zusammenarbeitet, die mit der lokalen Kultur und den geschäftlichen Gepflogenheiten vertraut sind, etwa mit Agenten oder Logistikdienstleistern mit Sitz in China, wird frühzeitig über saisonale Störungen informiert und kann entsprechend planen.

Sprachhürden: Bist du „Laoban“ oder „Laowai“?

Wie können Händler Missverständnisse mit Lieferanten oder Spediteuren vermeiden? Welche Sprache eignet sich am besten für die Kommunikation?

Chinesische Lieferanten haben in den letzten Jahren große Fortschritte in der internationalen Kommunikation gemacht. Dennoch gilt: Wer Missverständnisse vermeiden und Vertrauen aufbauen möchte, sollte idealerweise auf Chinesisch kommunizieren, entweder direkt oder über einen erfahrenen, vertrauenswürdigen Vertreter.

Dabei reicht es allerdings nicht aus, einfach jemanden zu beauftragen, „der Chinesisch spricht“. Es gibt Fälle, in denen Vermittler nicht im Interesse des Auftraggebers gehandelt haben, etwa durch Absprachen mit dem Lieferanten oder bewusst fehlerhafte Übersetzungen. Der ideale Ansprechpartner sollte daher mehr sein als nur ein Übersetzer: Er oder sie muss loyal zum Auftraggeber stehen, den Markt kennen und dessen Interessen konsequent vertreten.

Auch kulturelle Feinheiten spielen eine Rolle. Im Chinesischen gibt es den Begriff „Laowai“ – eigentlich nur „Ausländer“, doch im geschäftlichen Kontext schwingt oft mit: jemand, der wenig Erfahrung hat oder leicht auszunutzen ist. Demgegenüber steht „Laoban“ – der Chef, also jemand mit Autorität, Einfluss und guten Kontakten. Wer ernst genommen werden möchte, sollte als „Laoban“ auftreten – nicht als „Laowai“.

Selbst für erfahrene Unternehmer kann mangelnde Sprachkompetenz im Chinesischen beim Vertragsabschluss oder bei Verhandlungen ein echter Nachteil sein. Um sich abzusichern, sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

  • Niemals das erste Angebot ungeprüft akzeptieren.
  • Erwartungen an Qualität, Zeitrahmen und Preis klar und detailliert definieren.
  • Alles schriftlich festhalten – idealerweise mit Bildern, Zeichnungen oder 3D-Beispielen.
  • Jeden einzelnen Prozessschritt doppelt prüfen.

Artem Vovchenko / Meest ChinaKommt es trotz allem zu einem Fehler, und dieser ist vertraglich eindeutig geregelt, zeigen sich viele chinesische Hersteller kulant und lösungsorientiert. Ist hingegen nichts konkret festgehalten, lässt sich im Nachhinein kaum ein Anspruch durchsetzen. Letztlich sind Klarheit, Detailliertheit, kulturelles Feingefühl und ein zuverlässiger Vertreter die besten Mittel, um Missverständnisse mit chinesischen Geschäftspartnern zu vermeiden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Redaktioneller Hinweis: Das Interview mit Artem Vovchenko besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil „China versendet anders: Die größten Missverständnisse beim Import“ erfahrt ihr alles über Logistikprozesse und wie man sich für die ideale Versandmethode entscheidet. Jetzt lesen! 

Veröffentlicht: 03.07.2025
img Letzte Aktualisierung: 03.07.2025
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Ricarda Eichler

Ricarda Eichler

Ricarda berichtet über digitale Themen und spricht in Interviews und Podcasts mit spannenden Stimmen aus der Branche.

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