China versendet anders: Die größten Missverständnisse beim Import

Veröffentlicht: 02.07.2025
imgAktualisierung: 02.07.2025
Geschrieben von: Ricarda Eichler
Lesezeit: ca. 6 Min.
02.07.2025
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Eine Weltkarte als Hintergrund, davor ein Frachtschiff und ein Flugzeug die auf eine kleine China-Flagge zusteuern.
Erstellt mit ChatGPT
China liefert – doch nicht immer reibungslos. Ein Experte erklärt, wie man Fehler beim Import vermeidet und smarter versendet.


ie letzten Jahre zeigen deutlich, dass innerhalb globaler Wirtschaftsstrukturen kaum ein Weg an China vorbei führt. Ob im Social Commerce, E-Commerce oder in übergeordneten Lieferketten: Sucht man nach den Quellen für Waren, landet man in vielen Fällen in China. 

Und trotz dieser gewissen Abhängigkeit wird das Land vor allem hinsichtlich Qualität, Datenschutz und Politik immer wieder kritisiert. Doch sind oft auch Vorurteile im Spiel. Um mehr Verständnis für die Prozesse vor Ort zu schaffen, haben wir mit Artem Vovchenko gesprochen. Vovchenko arbeitet bei Meest China – einem internationalen Logistikunternehmen, welches auf Lieferungen aus China spezialisiert ist. Für Meest entwickelte er Logistik-Hubs in Asien sowie Europa und kennt sich mit Fragestellungen rund um Lieferketten und Cross-Border-Versand aus. 

Chinaschrott und Fälschungen – was ist dran?

OnlinehändlerNews: Was sind die häufigsten Missverständnisse deutscher E-Commerce-Händler beim Versand aus China?

Artem Vovchenko: Ich würde vier besonders verbreitete Missverständnisse hervorheben:
1. „Chinesische Produkte sind immer von minderer Qualität“
Dieses Vorurteil stammt noch aus den 1980er bis 2000er Jahren, als China zur Werkbank der Welt wurde. Viele westliche Marken verlagerten damals ihre Produktion dorthin – vor allem, um Kosten zu sparen. Die Folge: Fabriken produzierten billig und in großen Mengen, oft auf Kosten der Qualität.

Doch dieses Bild greift zu kurz. Chinesische Hersteller erfüllten schlicht die Vorgaben ihrer Auftraggeber – und wenn niedrige Preise im Fokus standen, wurde entsprechend produziert. Heute ist die Lage deutlich differenzierter. Wer in gute Materialien investiert und klare Spezifikationen liefert, erhält hochwertige Produkte – bis hin zum Premium-Niveau, wie man es etwa bei Apple oder Tesla sieht.

2. „China produziert nur Fälschungen und Kopien“
Auch dieses Vorurteil ist in Wahrheit nachfrageseitig getrieben. Weltweit gibt es einen Markt für günstige Repliken bekannter Marken – wo Nachfrage besteht, entsteht auch Angebot. Dabei gerät China oft zu Unrecht in die Kritik, obwohl häufig der Auftrag vom Käufer selbst ausgeht.

Gleichzeitig befindet sich die chinesische Industrie im Wandel: Immer mehr Hersteller setzen auf Eigenmarken, sogenannte White-Label-Produkte, achten stärker auf den Schutz geistigen Eigentums und produzieren nach internationalen Standards.

3. „In China gibt es keine Qualitätskontrolle“
Das mag früher gegolten haben, als eine Fabrikbesichtigung nur per Flugreise möglich war. Das war teuer und aufwendig. Heute sieht das ganz anders aus: Viele Hersteller verfügen über internationale sowie EU-Zertifizierungen, arbeiten nach klaren Produktionsstandards und unterliegen staatlichen Auflagen. Bei Meest China bieten wir unseren Kunden hierfür beispielsweise Leistungen wie Produktprüfungen, Fotoreportagen aus der Produktion und Validierungsservices.

4. „Die Ware kommt sowieso nicht an“
Auch hier hat sich die Lage deutlich verbessert. Während es früher häufiger zu Verzögerungen oder Verlusten kam – nicht zuletzt wegen der begrenzten Zahl an großen Logistikdienstleistern, existiert heute eine Vielzahl moderner, technologiegestützter Versandlösungen mit hoher Zuverlässigkeit.

Meest China unterstützt und begleitet den Versandprozess von Anfang bis Ende: vom Wareneingang in unserem Lager in China über Qualitätskontrollen und Sendungskonsolidierung bis hin zur Zollabwicklung und Haustürlieferung – mit voller Nachverfolgbarkeit, Transparenz und Support. Die Gefahr, dass ein Paket verloren geht, ist heutzutage verschwindend gering.

Heimvorteil China: Weniger Regulierung erlaubt flexiblere Anpassungen

Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen chinesischen und europäischen Logistikpartnern?

Die zentralen Unterschiede betreffen vor allem Geschwindigkeit, Flexibilität, Regulierungen und Preisgestaltung. Chinesische Logistikpartner agieren in der Regel schneller und anpassungsfähiger. Der Markt ist weniger stark reguliert als in Europa, was mehr Spielraum bei Abläufen und Preisen ermöglicht. Viele lokale Agenturen in China verfügen zudem über direkte Verträge mit Fluggesellschaften – ein wesentlicher Faktor für wettbewerbsfähige Versandkosten.

Viele internationale Fluggesellschaften bieten innerhalb Chinas zudem Sonderkonditionen für inländische Logistikunternehmen an. Für Händler und Unternehmer bedeutet das, dass die Zusammenarbeit mit chinesischen Logistikpartnern deutliche Einsparungen beim Versand ermöglichen kann.

Gerade Neueinsteiger im E-Commerce sollten daher ihre Lieferanten gezielt fragen, ob bereits Verträge mit chinesischen Logistikunternehmen bestehen. Ist das der Fall, profitieren sie meist von günstigeren Konditionen. Falls nicht, kann es sich lohnen, selbst nach einem zuverlässigen Logistikpartner in China zu suchen oder mit einem europäischen Anbieter zusammenzuarbeiten, der eine lokale Präsenz vor Ort hat.

Wann der Umstieg auf Seefracht lohnt

Worauf sollten kleinere Händler achten, wenn sie eine Versandmethode aus China wählen?

Für kleine Händler ist es besonders wichtig, nicht gleich zu Beginn große Mengen zu bestellen, vor allem, wenn es sich um einen neuen, noch nicht verifizierten Lieferanten handelt. In solchen Fällen empfiehlt sich zunächst eine kleine Testbestellung. Selbst wenn dies höhere Kosten durch den Versand per Luftfracht bedeutet, lohnt sich der Aufwand: Die Ware kommt schneller an, kann direkt geprüft werden, und eventuelle Anpassungen lassen sich rechtzeitig vornehmen, bevor eine größere Bestellung aufgegeben wird. Erst wenn Qualität und Abläufe zuverlässig sind, bietet sich der Umstieg auf günstigere Methoden wie Seefracht an.

Bei alternativen Landtransporten gibt es verschiedene Optionen mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen. Der Schienentransport etwa ist vergleichsweise schnell und kostengünstig, unterliegt jedoch strengen Auflagen, je nach Warenart und den Ländern, durch die die Züge fahren. Schon eine einzelne Einschränkung entlang der Route kann zu erheblichen Verzögerungen führen. Seefracht hingegen ist zwar langsamer, aber meist stabiler und weniger anfällig für regulatorische Komplikationen während Zollabfertigung und Transit.

Auch der Straßentransport über die transkaspische Route wird trotz logistischer Komplexität und geringerer Geschwindigkeit weiterhin genutzt. Viele Händler greifen darauf zurück, weil sie ihn für kostengünstiger halten. Allerdings bringt diese Variante gewisse Risiken mit sich, insbesondere im Hinblick auf menschliche Fehler.

Mit Sendungskonsolidierung lässt sich sparen

Wie können Händler Geschwindigkeit und Kosten beim Versand nach Deutschland ausbalancieren?

Der effektivste Weg, um beim Versand, vor allem per Luftfracht, ein gutes Gleichgewicht zwischen Geschwindigkeit und Kosten zu finden, ist die Konsolidierung von Sendungen. Wer sperrige oder schwere Pakete zusammenfasst, kann häufig auf Basis des tatsächlichen (Brutto-)Gewichts zahlen, statt auf Grundlage des höheren berechneten Volumengewichts.

Hierbei spielt die Ladungsdichte eine entscheidende Rolle: Der Standardwert liegt bei 167 Kilogramm pro Kubikmeter. Liegt die Dichte darüber, entfallen Zuschläge, bei leichterer Ware können hingegen Zusatzkosten entstehen. Besonders das Bündeln mit anderen Versendern, die ebenfalls schwere Fracht aufgeben, kann erhebliche Einsparungen bringen, teils im vierstelligen Euro-Bereich.

Beim Landtransport ist die Palettierung entscheidend, vor allem, wenn keine komplette LKW-Ladung verfügbar ist. Ein geeigneter Logistikpartner kann die Waren auf Paletten bündeln, sodass nach Kubikvolumen abgerechnet wird, statt jedes Paket einzeln zu behandeln. Lose Ware verursacht fast immer höhere Kosten, während Paletten die Handhabung effizienter und kostengünstiger machen.

Selbst bei kleinen oder gemischten Sendungen bietet die Palettierung klare Vorteile: Die Waren lassen sich einfacher verfolgen, sind besser vor Beschädigung oder Verlust geschützt und Händler profitieren von sogenannten LCL-Tarifen (Less than Container Load), was günstigere Preise und mehr Planungssicherheit bedeutet.

Testbestellungen: So sichert man Qualitätsstandards 

Wie können E-Commerce-Händler das Risiko mangelhafter Produktqualität beim Einkauf aus China vermeiden? Welche Prüfmaßnahmen sind empfehlenswert?

Eine der wirksamsten Methoden, um das Risiko schlechter Produktqualität zu minimieren, ist der Vergleich von Mustern aus unterschiedlichen Produktionschargen – idealerweise eine Probe sofort und eine weitere etwa eine Woche später. So lassen sich Schwankungen in der Fertigung erkennen und Rückschlüsse auf die Produktionsstabilität sowie die aktuelle Auslastung des Lieferanten ziehen.

Ein weiterer entscheidender Schritt ist eine professionelle Fabrikinspektion. Hier sollte nicht am falschen Ende gespart werden: Eine Qualitätskontrolle durch einen lokalen Vertreter oder eine vertrauenswürdige Vermittlungsstelle kann sich langfristig in Zeit-, Kosten- und Stressersparnis auszahlen. Eine gründliche Inspektion umfasst dabei die Prüfung der Produktionsstätte, der Maschinen, des Personals sowie der internen Qualitätsprozesse. 

Zusätzlich ist es sinnvoll, beim Logistikpartner eine Warenkontrolle auf Lagerebene in Auftrag zu geben. Dabei wird die Ware bei Wareneingang und vor dem Versand fotografisch und per Video dokumentiert – aus verschiedenen Perspektiven, um den Zustand lückenlos nachweisen zu können. Wenn die Produkte mehrere Lager durchlaufen – etwa vom Hersteller zum Spediteur – sollte an jeder Übergabestelle eine Verifizierung erfolgen, um sicherzustellen, dass keine Veränderungen oder Schäden aufgetreten sind.

Artem Vovchenko / Meest ChinaBei hochwertigen Produkten empfiehlt sich außerdem zusätzlicher Schutz, etwa durch manipulationssichere Versiegelung oder Verpackung in Holzboxen. Diese Maßnahmen verursachen zwar etwas höhere Kosten, senken aber das Risiko von Schäden oder Verlusten erheblich. In Kombination mit den genannten Prüfmechanismen lassen sich Qualitätsprobleme auf ein Minimum reduzieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Redaktioneller Hinweis: Das Interview mit Artem Vovchenko besteht aus zwei Teilen. Im zweiten Teil „China tickt anders: Die größten kulturellen Unterschiede“ erfahrt erfahrt ihr alles über kulturelle Unterschiede, wichtige Feiertage und Sprachhürden.
 

Veröffentlicht: 02.07.2025
img Letzte Aktualisierung: 02.07.2025
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Ricarda Eichler

Ricarda Eichler

Ricarda berichtet über digitale Themen und spricht in Interviews und Podcasts mit spannenden Stimmen aus der Branche.

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