SAP streicht Frauenquote – und macht Diversity zum austauschbaren Gimmick

Veröffentlicht: 10.06.2025
imgAktualisierung: 10.06.2025
Geschrieben von: Ricarda Eichler
Lesezeit: ca. 3 Min.
10.06.2025
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ca. 3 Min.
Kopf einer Person schaut nach rechts, darin sind mehrere weitere Köpfe zu sehen, die jedoch nach links schauen.
melitas / Depositphotos.com
Mit SAP beugt sich der nächste Konzern Donald Trumps Feldzug gegen Diversity. Aber kann Wirtschaft wirklich noch eine Ausrede sein?


In den USA zanken sich aktuell zwei erwachsene Männer und die Welt leidet. Die gleiche Welt, die immer noch gerne mal das Narrativ der „zu emotionalen Frau“ hervorholt, wenn es darum geht, Frauen in Wirtschaft und Politik kleinzuhalten. Der Streit der beiden Ex-Besten-Freunde zeigt vor allem eines eindrucksvoll: Frauenquoten sind notwendig. Als Mittel zum Zweck sorgen sie für Ausgleich und Fairness in Entscheidungspositionen.

Trotz dieser Erkenntnis schafft mit SAP jetzt einer der größten Tech-Konzerne Europas seine Frauenquote zumindest teilweise ab. Und das auch noch, um sich US-Präsident Donald Trump anzubiedern. 

Notwendiger wirtschaftlicher Schritt?

Bereits im Januar verhängte Donald Trump ein Dekret, welches sowohl die Bundesverwaltung als auch Auftragnehmer:innen dazu aufforderte, Programme rund um Diversity, Gleichberechtigung und Inklusion, kurz DEI herunterzufahren. Auch private Unternehmen zogen mit und schlossen sich Trumps „anti-wokem“ Feldzug an.

Als Softwaredienstleister für die US-Bundesregierung ging das Thema auch nicht am deutschen Softwareunternehmen SAP vorbei. Eigentlich hatte sich das Unternehmen mal auf die Fahne geschrieben, Gleichberechtigung ernst zu nehmen. Mit dem Dekret kam hier natürlich aber eine nicht unwesentliche wirtschaftliche Komponente hinzu.

Wie Golem ein Interview des SAP-Chefs Christian Klein mit Zeit Online zitiert: „Wenn wir weiterhin unser Geschäft im öffentlichen Sektor der USA behalten wollen (…), können wir unsere bislang gültigen Zielvorgaben nicht behalten.“

Und ja, natürlich ist das für den Chef eines Großkonzerns ein wichtiges Thema. Laut eines Berichts der Brussel Times beschäftigt das Unternehmen allein in den USA über 17.000 Mitarbeitende. Mitarbeitende, die bei einem Vertragsende seitens der US-Bundesregierung ohne Job dastehen könnten.

Diversity wird zum Gimmick der Mächtigen

Um jetzt diese Mitarbeitenden nicht zu enttäuschen (beziehungsweise sich die Umsätze nicht entgehen zu lassen) musste also gehandelt werden. Dafür streicht SAP konkret das Ziel, 40 Prozent der Belegschaft durch Frauen zu besetzen. Weiterhin wird eine zuvor bestandene Diversity-Abteilung praktisch aufgelöst und mit einer anderen Abteilung zusammengelegt.

Der Schritt erfolgte bereits im Mai. Doch erst jetzt äußerte sich Klein zu der seither lautgewordenen Kritik und zieht in den Verteidigungsmodus. Die Abschaffung der Frauenquote betreffe demnach nur die USA. Ach, dann ist ja alles nur halb so wild.

Versteht mich nicht falsch: Aus rein wirtschaftlicher Sicht ergibt der Schritt schon Sinn. Aber sollte die wirtschaftliche Sicht wirklich alles andere übertrumpfen? Vor allem bei Unternehmen, die sich zuvor als ach so inklusiv hervortaten.

Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges zeigte sich, dass viele Unternehmen sehr wohl in der Lage sind, Moral über Wirtschaftlichkeit zu stellen. Aber Gleichberechtigung und Inklusion sind schließlich kein Krieg. Gerade aktuell, im Pride Month, zeigt sich wieder, dass DEI für viele nur ein Marketing-Gimmick ist: aus der Schublade geholt, wenn es nützt, aber schnell wieder weggepackt, wenn andere Interessen vermeintlich wichtiger sind. 

Was kommt nach Trump?

Die große Frage, die jedoch im Raum stehen bleibt: Was kommt nach Trump? Also gesetzt dem Falle, dass dieser nicht sämtliche Regeln überwirft und sich zum Gottkaiser auf Lebzeiten positioniert. Was aber, wenn die nächste Regierung wieder eine andere Meinung hat? Kommt dann die nächste Rolle vorwärts?

Das Mindeste, was wir als Gesellschaft nun tun sollten, wäre SAP mit dem Entzug der Glaubwürdigkeit zu strafen. Also, lieber Christian Klein: Lass es einfach sein. Hör auf so zu tun, als wäre dir Gleichberechtigung auch nur im Ansatz so wichtig wie Geldscheinchen. Steh wenigstens dazu. Und spätestens bei der nächsten Rolle vorwärts, rückwärts oder wohin auch immer lachen wir zusammen darüber. Vielleicht gibt es dann ja sogar Geldscheinchen mit Pride-Flagge darauf, um die Heuchelei komplett zu machen.

Meine Hoffnung wäre auch, dass Diversity irgendwann kein Bonusprogramm mehr wäre. Nichts, dass man mal eben einstellt, wenn es aus der Mode kommt. Gleichberechtigung sollte Standard sein. Idealerweise braucht es dafür irgendwann einmal auch keine Quote mehr. Aber so lange sich erwachsene Männer mit zu viel Macht streiten wie 3-Jährige und dabei mit dem Leben von Menschen spielen, bleibt das vermutlich nur naive Utopie.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 10.06.2025
img Letzte Aktualisierung: 10.06.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Ricarda Eichler

Ricarda Eichler

Expertin für Nachhaltigkeit

KOMMENTARE
3 Kommentare
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Alex
11.06.2025

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wenn Diversity wirklich so wichtig wäre, würden Unternehmen das von selbst umsetzen ohne das man sie dazu zwingen muss. Diese künstliche Diversität bringt eh nur Chaos in performante Teams
cf
13.06.2025
Hallo Alex, es tut mir leid, aber genau dieses Denkmuster finde ich persönlich nicht mehr zeitgemäß. Natürlich setzen Unternehmen immer das um, was auch "wirklich wichtig" ist (also Geld bringt). Man muss auch nicht gleich zur/zum Heiligen werden, aber wenn alle ein kleines bisschen weniger nur an persönliche Gewinne denken würden, dann hilft jeder auch dabei unsere Gesellschaft zu stärken und die Demokratie und Freiheit zu bewahren. Was passiert, wenn es nur noch um Geld und Macht geht, sieht man derzeit wunderbar in den USA... Also ich möchte solche gesellschaftlichen Zustände hier nicht so gerne und bin bereit dafür auch etwas zu tun ;-)
cf
11.06.2025

Antworten

Meinung: Und da sieht man es wieder: Toleranz, Gleichberechtigung und Moral sind bei geistig armen Menschen käuflich. Unternehmer*innen die für ein paar Euro zusätzlichem Gewinn ihre Menschlichkeit verkaufen drücke ich die Daumen, dass sie damit so richtig auf die Nase fallen.