Die Lage bei Wirecard hat sich noch immer nicht merklich beruhigt. Nun haben Spekulanten offenbar die Aktie des Unternehmen zu ihrem Spielball erkoren, wie der Spiegel berichtet. Das Papier hatte an der Börse seit dem jüngsten Verschieben der Bilanzvorlage etwa 99 Prozent an Wert eingebüßt und war von rund 100 Euro auf einen Tiefststand von 1,08 Euro gefallen. Am Montagvormittag hat sich der Kurs dann plötzlich mehr als verdreifacht.
Auslöser sei die Ankündigung des Vorstands gewesen sein, trotz des Insolvenzantrags eine Fortführung des Geschäfts anzustreben. Zudem wurde betont, dass die Wirecard Bank nicht Teil des Insolvenzverfahrens und ihr Zahlungsverkehr nicht betroffen sei. Über die Wirecard Bank werden unter anderem die Kreditkartenzahlungen realisiert – als erster Kunde hatte Aldi Süd deutlich gemacht, dass diese Zahlungsart nicht eingeschränkt sei. Für die Verbraucher dürfte das eine beruhigende Nachricht sein.
Wie der Spiegel weiter ausführt, dürften fundamentale Gründe aber wenig mit der Erholung des Aktienkurses zu tun haben. Vielmehr seien es nun Investoren, die nach dem kräftigen Kursabsturz auf eine Erholung hoffen. Mit anderen Worten: Die Aktie wird zum Zockerpapier, mit dem einige Anleger schnelles Geld machen wollen.
Ex-Wirecard-Manager Marsalek weiter untergetaucht
Unterdessen geht die Suche nach dem ehemaligen Wirecard-COO Jan Marsalek weiter. Dieser habe sich Medienberichten zufolge ins Ausland abgesetzt – möglicherweise nach China, wie es aktuell heißt. Marsalek will sich offenbar auch nicht mehr in München vernehmen lassen, wie er vergangene Woche noch über seinen Anwalt erklären ließ. Verschiedene Medien berichteten laut Spiegel unter Berufung auf Kreise der Prozessbeteiligten, dass der Ex-COO sich nun doch nicht der Justiz stellen wolle. Die Staatsanwaltschaft und Marsaleks Verteidiger äußerten sich dazu nicht.
Die Bundesregierung hat nach dem Bilanzskandal um Wirecard erste Konsequenzen gezogen: Das Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium werden dem Manager Magazin zufolge den Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) kündigen. Wie ein Sprecher des Justizressorts am Sonntag bestätigte, hätten die beiden Ministerien sich darauf geeinigt.
Ein Mitarbeiter war auf den Fall angesetzt
Die Bafin soll nach eigenen Angaben der DPR bereits im Februar 2019 den Hinweis darauf gegeben haben, dass es Ungereimtheiten in der Halbjahresbilanz 2018 von Wirecard gebe. Deshalb habe die Bafin umgehend eine Bilanzprüfung veranlasst – dafür sei auf erster Stufe allein die DPR zuständig, nicht aber die Bafin. Doch die Prüfung durch die DPR dauerte lange.
Das liegt offenbar wohl daran, dass die als „Bilanzpolizei“ bezeichnete Prüfstelle nur wenig Personal an den Fall gesetzt habe: Nur ein einzelner Mitarbeiter sei für die aufwendige und komplexe Prüfung in den vergangenen 16 Monaten eingesetzt worden. Das hatte zunächst die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet. Nun steht Deutschland auch bei der EU-Kommission in der Kritik: Vor allem die Aufgabenteilung zwischen der Bafin und der DPR seien der Kernpunkt der Kritik im Fall Wirecard. Die EU hat inzwischen sogar die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA eingeschaltet, die das Agieren der deutschen Finanzaufseher überprüfen soll.
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