Position wichtiger als Leistung: Top-Gehälter wuchsen 30-mal stärker als Reallöhne

Veröffentlicht: 02.05.2025
imgAktualisierung: 02.05.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
02.05.2025
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Darstellung der Verteilung von Vermögen, während eine Schachfigur vor einem großen Geldhaufen steht, hat eine andere nur einen Bruchteil zur Verfügung
Olivier26 / Depositphotos.com
Ein aktueller Oxfam-Bericht zeigt: Die Gehaltsschere zwischen Vorständen und der Bevölkerung klafft dramatisch auseinander.


Während die Mehrheit der Menschen jeden Cent zweimal umdrehen muss, klettern die Vorstandsgehälter und Vergütungen von Topmanagern munter weiter. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind die Reallöhne in Deutschland zwischen 2019 und 2024 gerade einmal um 0,7 Prozent gestiegen. Gleichzeitig fand die Entwicklungsorganisation Oxfam heraus, dass die Vorstandsgehälter im selben Zeitraum inflationsbereinigt um satte 21 Prozent zunahmen. Das ist das 30-Fache!

Grund zum Protest am Tag der Arbeit

Nehmen wir an, ein Arbeitnehmer verdiente im Jahr 2019 rund 30.000 Euro brutto jährlich – das entspricht etwa 2.500 Euro brutto im Monat. Ein Vorstandsmitglied eines großen deutschen Konzerns lag im selben Jahr im Median bei etwa 3,6 Millionen Euro jährlich, also 300.000 Euro im Monat. Während der oder die Angestellte monatlich nun 17 Euro mehr verdient, bekommt der Vorstand 63.000 Euro zusätzlich – pro Monat. Das ist mehr als das Doppelte eines durchschnittlichen Jahreseinkommens.

In konkreten Zahlen bedeutet das: Während viele Menschen im Land mit steigenden Mieten, teureren Lebensmitteln und sinkender Kaufkraft zu kämpfen haben, betrug das Median-Gehalt eines Vorstandsvorsitzenden im DAX-Kosmos zuletzt rund 4,4 Millionen Euro pro Jahr. Und das ist nicht etwa eine Ausnahme, sondern systematisch so. Weltweit stiegen laut Oxfam die CEO-Gehälter im selben Zeitraum sogar um 50 Prozent, 56 Mal so stark wie die Reallöhne.

Leonie Petersen, Referentin bei Oxfam Deutschland, kommentierte die Ergebnisse der gestern veröffentlichten Untersuchung so: „Die Gehälter von CEOs schießen weiter unkontrolliert in die Höhe und sind völlig losgekoppelt von der Lohnentwicklung normaler Beschäftigter, denen ihre Lebenshaltungskosten zunehmend über den Kopf wachsen.“ Man könne sogar von einer Gefahr für die Demokratie sprechen, so Petersen weiter.

Verantwortung muss vergütet werden?

Schnell ist man versucht, den Finger zu heben: Gier! Unverschämtheit! Alle abgehoben! Doch so einfach ist es nicht. Denn natürlich tragen Vorstände und Manager eine enorme Verantwortung, müssen sich bisweilen aber wenig Gedanken darüber machen, ob es am Ende des Monats statt der Markenbutter nicht besser die preiswerte Margarine aus dem Discounter sein soll. Sie steuern hingegen 24/7 Konzerne mit Tausenden Mitarbeitenden, treffen strategische Entscheidungen, die Milliarden bewegen. Ihre Arbeit ist fordernd, risikobehaftet und oft nicht beneidenswert. All das hat natürlich seinen Preis.

Aber muss dieser Preis derart hoch sein? Muss er in einem solchen Missverhältnis zu dem stehen, was andere leisten – jene, die am Band stehen, Pflege leisten, Pakete schleppen oder mit Kunden streiten? Gerade in einer Zeit, in der Unternehmen reihenweise Stellen abbauen, in der Effizienzprogramme zum Alltag gehören, wirkt dieses Lohngefälle wie ein Affront im Vergleich zu Meldungen, die Massenentlassungen ankündigen.

Die stille Wut der Mitte

Wenn Menschen, insbesondere Fachkräfte, das Gefühl verlieren, dass Leistung gerecht entlohnt wird, dann schwinden Vertrauen und Motivation. Und beide sind Grundpfeiler für ein profitables Unternehmen. Auch die sogenannte innere Kündigung, ein Akt der stillen Rebellion, wird immer mehr zum Thema. Angesichts solcher News dürften viele Menschen resignieren und nur noch mit halbem Herzen weiterarbeiten. Wer das ignoriert, riskiert vor allem Innovationskraft, was letztlich auch die Top-Gehälter ins Wanken bringt.

Oxfam fordert aufgrund dessen konkrete politische Konsequenzen: eine Vermögenssteuer, einen Mindestlohn von mindestens 15 Euro, eine Reform der Managervergütungen. Allerdings ist insbesondere der Ruf nach einem höheren Mindestlohn kein Allheilmittel. Zwar würde er kurzfristig die Kaufkraft stärken und ein Signal für mehr Wertschätzung einfacher Arbeit setzen. Kritiker warnen: Ein zu starker Anstieg könnte gerade in strukturschwachen Regionen Jobs kosten, weil kleine Betriebe die Lohnkosten nicht mehr stemmen können. Auch Preissteigerungen bei Dienstleistungen sind der nächste notwendige Schritt und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Folgerichtig müssen überhöhte Managergehälter nicht verboten, aber unattraktiver gemacht werden. Das schafft Fairness, ohne in Bestrafung abzugleiten.

Die Zahlen sprechen für sich. Die Frage ist, was wir daraus machen. Es geht nicht um Neid. Es geht um Fairness. Um Augenhöhe. Um das verloren gegangene Bob der Baumeister-Gefühl „Yo, wir schaffen das!“

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 02.05.2025
img Letzte Aktualisierung: 02.05.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
1 Kommentare
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Karl Ranseier
05.05.2025

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Welche Verantwortung trägt ein Manager denn bitte? Wer den Laden in den Sand setzt, wird mit goldenem Fallschirm entsorgt, wenn er nicht schon von alleine in eine noch besser bezahlte Stelle geflohen ist, bevor der Schaden für den normalen Aktionär sichtbar wurde. Aber die normalen Arbeiter, die wegen Managementfehlern ihre Jobs verlieren, die sind gekniffen. Die rettet niemand. Von all denjenigen Normalsterblichen, die es nicht in die Oase Konzern geschafft haben ganz zu schweigen. Das Problem ist die Versorgung der Homies: Ich gönne dem Aufsichtsrat doppelte Bezüge, dann nicken die auch meine Gehaltsverdopplung ab. Wir haben ja auch alle ganz feste im Maßanzug Sekt getrunken. Man müsste an sich doch wie bei normalen Angestellten Arbeitern auch fragen: Findet sich denn niemand, der den Job als Vorstand für 300.000€ im Jahr statt im Monat machen würde? Die Antwort ist einfach und logisch: ja! Sogar die selben Wunderknaben, wenn sie nicht woanders mit dem zwanzigfachen beschmissen werden würden.