Wenn diese Coronakrise – und hoffen wir inständig, dass sie irgendwann endet – wenigstens etwas Gutes hat, dann, dass sie beweist, dass Solidarität in Deutschland tatsächlich noch etwas zählt. Der Turbokapitalismus hat gefühlt (in der Realität natürlich nicht, fragen Sie mal Herrn Watzke) einmal Pause und viele Menschen versuchen, soweit es ihnen eben möglich ist, dabei zu helfen, den Stand von vor der Krise auch nach der Krise aufrecht zu erhalten.
In Windeseile bildeten sich in allen größeren und kleineren Städten Initiativen, um lokale Händler zu unterstützen, die nicht öffnen können. Programmkinos sammeln Spenden von Filmfans, die auch in der Zukunft noch ins kleine Programmkino gehen möchten, der Burgerladen im Kiez kann sich plötzlich vor Bestellungen nicht mehr retten und existenzbedrohte Fußballvereine verkaufen Tickets für Spiele, die es nicht gibt, weil die Fans ihren Club unterstützen wollen.
Man kann natürlich hinterfragen, warum die vielen Menschen, die jetzt so bereitwillig aushelfen, in regulären Zeiten nicht einfach öfter mal die kleinen Geschäfte, Clubs und Restaurants besuchen und ob das jetzt schlechtes Gewissen oder Langeweile ist, muss man aber nicht. Aktuell zählt vielerorts buchstäblich jeder Cent.
Online-Handel? Niemals!
Diese Kleinen, diese mit Problemen, diese um die Ecke, das sind aber nicht nur die Eckkneipen, Ramschläden und unterklassigen Sportvereine. Das sind auch – und warum entscheiden sich eigentlich so viele, das nicht sehen zu wollen? – die Online-Händler, die offenbar ein so großes Image-Problem zu haben scheinen, dass es in der Krise verpönt ist, Geld bei ihnen zu lassen. Und Schuld daran sind natürlich, wenn auch unabsichtlich, Amazon und Zalando und all die anderen Milliarden-Big-Player in diesem Internet.
Die alte Mär vom Online-Handel, der die Innenstädte sterilisiert, trifft mit geballter Kraft gerade jetzt diese vielen kleinen und mittleren Online-Händler, die für ihr Geschäft das Internet und nicht die Promenade gewählt haben. Unterstütze den kleinen Familienladen, dann rettest du Existenzen und kriegst 'n Daumen hoch! Unterstütze den Online-Händler, indem du zum Beispiel jetzt für November vorbestellst und Liquidität absicherst: „Wie bist du denn drauf? Guck mal lieber, dass deine Stadt nicht stirbt, Alter!“.
Ist ja auch unmoralisch, schließlich „boomt“ der E-Commerce, weil ALLE online einkaufen. Fragen Sie mal die 80 Prozent der Händler, die in der aktuellen Corona-Studie des Händlerbunds ihr Geschäft durch das Coronavirus beeinflusst sehen. Vor vier Wochen waren das noch 70 Prozent. Schon jetzt spüren fast zwei Drittel Umsatzverluste, Tendenz steigend. Es verkaufen eben nicht alle Klopapier, Laptops und Webcams. Und machen wir uns mal nichts vor, hier geht es genauso um Existenzen wie im stationären Handel.
Den Kleinen helfen – überall
In der öffentlichen Wahrnehmung ist der E-Commerce gleichbedeutend mit Amazon. Die sind eh so reich, denen will man das Geld nicht noch hinterherschmeißen. Das Problem, das aber die Branche gern ignoriert oder sich schönredet: Der Händler, der auf Amazon verkauft, ist für den Kunden quasi unsichtbar. Ist egal, wo die Ware herkommt, da steht Amazon drauf. Das gilt übrigens auch, liebe Kollegen und Händler und Marketing-Profis und Konferenzredner, für Ebay und die anderen Marktplätze! Fragen Sie doch mal Ihre Bekannten, wo sie zuletzt online geshoppt haben. Die Antwort lautet dann „Amazon“, „Ebay“ oder „Zalando“. Stationär sagt man dagegen wohl eher selten „Auf der Karl-Liebknecht-Straße“, sondern „Bei Mrs. Hippy“.
Die große Abhängigkeit von den Marktplätzen ist ein eigenes Thema, aber sie ist mit dafür verantwortlich, dass „der Online-Handel“ viel zu oft mit gesichtslosen Konzernen in Verbindung gebracht wird. Als kleiner Händler im großen Internet sichtbar zu sein, ist schwer und ist in diesen Zeiten sogar gefährlich. Legen Sie darum Widerspruch ein, wenn es beim nächsten Mal heißt, „bei Amazon kauf ich nicht“. Denn „bei Amazon“ ist in überraschend vielen Fällen gleichbedeutend mit „bei einem kleinen Händler, der gerade Unterstützung braucht“. Wer drauf achtet, erkennt auch auf den Online-Marktplätzen, bei wem er tatsächlich einkauft. Aufwendiger als in die Stadt zu gehen, ist das auch nicht.
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