Die Produktionsbedingungen und Lieferketten der Modeindustrie stehen verstärkt auf dem Prüfstand, dafür soll nun auch eine neue Online-Plattform sorgen. Auf der Webseite „Fashion-Checker“, die seit dem 23. Juni online ist, kann eingesehen werden, wie Modemarken und Modehändler die Herstellung von Kleidung und Textilien vergüten. Auf der Seite lässt sich nach etlichen Brands filten – von Amazon, Adidas oder auch Aldi über Gucci, Hugo Boss, H&M oder Primark bis hin zu Zara und Zalando.
93 Prozent der Modeunternehmen zahlen weniger als existenzsichernden Lohn
Ins Leben gerufen hat die Webseite die Kampagne für Saubere Kleidung, ein 1996 gegründeter deutscher Ableger des 1989 in den Niederlanden entstandenen Netzwerkes Clean Clothes Campaign (CCC), bestehend aus über 200 Menschenrechts-, Frauchenrechts- und Nichtregierungsorganisationen sowie aus Gewerkschaften und Verbraucherverbänden.
Die Initiative hat zur Ermittlung der jeweiligen Herstellungskonditionen „beide Enden der Lieferkette befragt: hunderte Beschäftigte ebenso wie 108 Modehändler – erstmals in so flächendeckendem Ausmaß“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung. In Bezug auf die Bezahlung der Produzenten ergab sich ein ernüchterndes Gesamtergebnis: 93 Prozent der befragten Modehändler würden den Arbeitern und Lieferanten keinen Lohn zahlen, der die eigene Existenz sichert.
Mangelnde Transparenz in Lieferketten
Des Weiteren hat die Befragung ergeben, dass 63 Prozent der Modelabels nicht oder kaum über die eigenen Lieferketten informieren. „Unternehmen müssen aufhören, ihre Geschäftspraktiken zu verheimlichen. Wir brauchen verlässliche Informationen zur Einhaltung von Menschenrechten, also zu Löhnen, Diskriminierung und Unterdrückung von Gewerkschaften vor Ort. Die Verbraucher*innen verdienen es zu wissen, wo und unter welchen Umständen ihre Kleidung hergestellt wird“, fordert deshalb Sina Marx von Femnet, die Teil des Kampagnen-Netzwerkes ist. Das Online-Tool soll deshalb zu mehr Transparenz in der Textilindustrie beitragen.
So werden Modemarken bewertet
Wer im Fashion Checker eine Marke aufruft, erhält eine Übersichtsseite. Diese listet Eckdaten zum Unternehmen (z. B. Sitz, Umsatz, Gewinn) auf, bewertet die Bereiche Lohnzahlung, Lieferkettentransparenz und Engagement und gibt darüber hinaus Auskunft zu den Produktionsstandorten der Marke.
Zalando hat beispielsweise für die Lieferkettentransparenz drei von fünf möglichen Sternen erhalten. Das heißt, der Konzern gebe grundlegende Informationen wie Fabriknamen und -adressen, Produkttyp, Anzahl der Beschäftigten und zur Lieferantengruppe, falls die Fabrik Teil einer größeren Organisation ist, preis. H&M hingegen bekam eine Fünf-Sterne-Bewertung. Damit wird honoriert, dass die Marke deutlich mehr als die Standardinformationen sogar in einem praktischen, maschinenlesbaren Format wie z.B. Excel-Tabellen herausgibt – und die Daten somit für andere nutzbar mache.
Bei beiden Unternehmen wurden aber keine öffentlichen Beweise gefunden, dass Lieferanten existenzsicherende Löhne gezahlt werden. Deshalb erhielten sie auf dem Energielabel-ähnlichen Ranking das Label E. „Das bedeutet, dass die Marke nicht beweisen kann, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihre Kleidung herstellen, genug verdienen, um davon leben zu können“, schreibt Fashion Checker auf das Checkblatt. Die Bestnote wäre in diesem Fall A und damit die Tatsache, dass zu 100 Prozent existenzsichernde Gehälter gezahlt werden.
Bekannte Fair-Fashion-Labels wie Armedangels oder Stores wie Hess Natur sind im Fashion-Checker allerdings nicht gelistet, was einen Vergleich der Bedingungen erschwert.
Druck auf Fashion-Branche erhöhen
Erklärtes Ziel der Online-Plattform ist, Modelabels noch stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn es um faire Herstellung geht. „Fashion Checker zeigt eins überdeutlich: Modehäuser geben gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise gerne folgenlose Statements darüber heraus, wie sie angeblich ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen. Nur sehr wenige jedoch veröffentlichen Fakten über ihre Lieferketten und noch weniger lassen den Statements Taten folgen“, so Bettina Musiolek von ENS e.V. und Ko-Koordinatorin für CCC in Süd-/Osteuropa und der Türkei. Die internationale Kampagne für Saubere Kleidung liefert nun mit Fashion Checker exakte und aktuelle Daten über Fabriken und Löhne und bringt die Modehäuser damit in Zugzwang.“
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