Hart oder nicht hart, das ist hier die Frage. Und nein, es geht nicht darum, wie jemand sein Frühstücksei gerne hätte, sondern wie der Brexit nun verlaufen wird. Denn auch wenn es inzwischen zahlreichen anderen Wahnsinn auf der Welt gibt, lungert im Hintergrund noch immer dieser irrwitzige EU-Austritt der Briten – und auch nach vier Jahren geht es hier kaum mit großen Schritten voran.
Kurze Rekapitulation: Das Referendum 2016 wurde denkbar knapp für einen EU-Austritt entschieden, David Cameron nahm seinen Hut, Theresa May übernahm das Amt des Prime Ministers. Störrische Verhandlungen, immer wieder Verschiebungen und Kompromissbereitschaft seitens der EU, doch einen harten Brexit verhindern zu wollen. May nahm ihren Hut, Boris Johnson übernahm das Amt des Prime Ministers. Und wieder störrische Verhandlungen. Immerhin hat Johnson dann Anfang 2020 doch den Austrittsvertrag erreicht.
Schluss mit Lustig
Nun gibt es eine Übergangsfrist, in der die EU und Großbritannien über die Details nach dem Austritt verhandeln. Doch dabei geht es noch immer nicht wirklich voran, die Briten wollen Rosinen picken, die EU hat darauf keine Lust mehr. Ein komplettes Scheitern der Verhandlungen, bei denen die Briten keine weitere Verlängerung wollen, werde in Brüssel nicht mehr ausgeschlossen, berichtet der Tagesspiegel.
Den Firmen bleibt nun auch nichts anderes mehr übrig, als sich auf den harten Brexit vorzubereiten. Dass es in sechs Monaten eine Einigung zwischen Großbritannien und der EU geben wird, wirkt – angesichts der Sonderwünsche der Briten – eher unwahrscheinlich. Jedes dritte deutsche Unternehmen geht dem Spiegel zufolge inzwischen von einem No-Deal-Brexit aus. Das habe eine Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie unter 248 Großunternehmen ergeben. Zum Zeitpunkt der Befragung glaubte ein Viertel der Befragten noch, dass es zu Verhandlungsverlängerungen kommen werde. Das hat Boris Johnson mittlerweile aber ausgeschlossen. Weil wenn Boris eins gut kann, dann dagegen sein und Dinge ablehnen – koste es, was es wolle.
Der Brexit wird zur Kostenfalle
Und kosten tut der Brexit schon jetzt eine ganze Menge. Nicht nur, dass zuletzt 45 Prozent der britischen Exporte in die EU gegangen sind, wie Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, anmerkte: Eine Analyse von Bloomberg Analytics zeigt Business Insider zufolge nun, dass der Brexit in den vergangenen vier Jahren bald mehr kosten wird als alles, was die Briten in ihren 47 Jahren EU-Zugehörigkeit je an die Union gezahlt haben. Demnach verzeichnet Großbritannien seit dem Referendum Wirtschaftseinbußen in Höhe von 130 Milliarden Pfund, 70 weitere Milliarden sollen bis Ende 2020 dazukommen. Seit 1973 haben die Briten 215 Milliarden Pfund in die EU eingezahlt. Es ist ein bisschen so, als würde ich kurz vor meiner Rente meine Altersvorsorge kündigen und das Geld einfach anzünden.
Johnsons Hauptargument für den EU-Austritt, dass man das Geld nicht in die EU pumpen, sondern bei sich behalten solle (wir erinnern uns an die Luftnummer mit dem NHS-Bus), ist also völlig ad absurdum geführt. Unvorstellbar, dass Johnson tatsächlich noch glauben könnte, mit seinem Brexit-Kurs dem Land und seinen Bewohnern etwas Gutes zu tun.
Vorbereitungen für den Worst-Case
Es wäre auch alles ziemlich unterhaltsam, wenn sich das Brexit-Chaos nicht auf die europäische Wirtschaft auswirken würde. Jetzt müssen aber die Unternehmen, die Wertschöpfungsketten in Großbritannien haben, aktiv werden und sich nach möglichen Alternativen für den Fall der Fälle umschauen. Und selbst der Verkauf nach Großbritannien könnte erschwert werden – sobald mit einem harten Brexit wieder Zölle erhoben werden. Spätestens dann werden einige Unternehmen ihre Strategie anpassen müssen. Aber was genau passiert, ist eben noch immer nicht klar. Für einige Händler könnte es am Ende also zu einer Hauruck-Aktion werden.
Das ist in jedem Fall nicht wünschenswert. In der aktuellen Lage, in der sich die Wirtschaft aber auch noch mit der Coronapandemie beschäftigen muss und es einige weitere Feuer zu beobachten oder zu löschen gibt, erhöht die Unsicherheit den Druck nochmals. Boris Johnsons Brexit-Weg stürzt dabei sowohl die britische als auch große Teile der europäischen Wirtschaft in große Schwierigkeiten.
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