Die Digitalisierung im Handwerk schreitet voran, wenn auch langsamer als in anderen Bereichen, wie beispielsweise der IKT-Branche. Das liegt vor allem daran, dass die Auftragsbücher von Handwerkern lange Jahre prall gefüllt waren. Es gab schlicht keinen Druck, sich zu digitalisieren. Einblicke in Stand und Entwicklung der Digitalisierung im Handwerk bieten die Studien von Bitkom / Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) von 2017 und 2020 zu diesem Thema. An der Befragung nahmen jeweils über 500 Betriebe deutschlandweit teil.
97 Prozent der Befragten haben heute eine eigene Website. Dieser Wert war mit 95 Prozent schon 2017 sehr hoch. 88 Prozent sind in Online-Verzeichnissen wie Google eingetragen. Hier ist der Wert im Vergleich zu 2017 um vier Prozent gestiegen. In anderen Bereichen, die für Unternehmen anderer Branche zum Standardrepertoire gehören, hat das Handwerk aber noch Nachholbedarf. So sind nur 30 Prozent der Handwerker in Social Media aktiv, noch weniger schalten online Werbeanzeigen (19 Prozent). Ein Trackingsystem zur Erfassung der Arbeit nutzen lediglich 12 Prozent.
Besonders wenig werden zukunftsweisende Technologien im Handwerk genutzt. Smarte Software, beispielsweise für die Auftragskoordination, findet aktuell bei 13 Prozent der Betriebe Einsatz, mit 3D-Technologien, z.B. zur Herstellung wichtiger Werkzeuge oder Prototypen, experimentieren sieben Prozent und beim Thema Virtual Reality (VR) gaben nur zwei Prozent an, diese Technologie zu nutzen.
Trotzdem konnten sich Handwerkerportale für die Online-Suche nach Aufträgen in den letzten Jahren erfolgreich am Markt etablieren. Der Marktführer MyHammer wächst seit 2015 sogar zweistellig. Das spiegelt sich auch in der Studie von Bitkom / ZDH wider. Im Vergleich zu 2017 ist die Nutzung digitaler Plattformen im Handwerksbereich um 40 Prozent gestiegen.
Warum nutzen Handwerker digitale Plattformen für die Auftragssuche?
Das Geheimnis von Handwerkerplattformen wie MyHammer ist simpel: Erfolg hat, wer spezifische Nutzer-Bedürfnisse erfüllen kann. Heute suchen Verbraucher vermehrt nach passenden Dienstleistungen und Betrieben im Internet, zumal bei den meisten Angeboten keine Gebühren anfallen. Hier ist die Relevanz von Plattformen offensichtlich. Doch auch Handwerker haben ihre Gründe, trotz guter Auslastung auf das Angebot von Plattformen zurückzugreifen.
Einer der wichtigsten ist die Flexibilität, die diese Plattformen bieten. Auch wenn die Auslastung von Handwerkern hoch ist, werden Aufträge manchmal kurzfristig abgesagt oder verschieben sich. Handwerker nutzen die Online-Auftragssuche dann oft, um diese Lücken zu schließen. Sie können sich dabei flexibel aussuchen, welche Aufträge sie annehmen. Plattformen sind in diesem Fall ein zusätzlicher, bequemer Akquiseweg.
Ein anderer Grund für die Nutzung von Online-Plattformen ist der Aufbau eines Kundenstamms. Gerade wenn sich Betriebe neu gründen, haben Handwerker meist noch keine festen Auftraggeber. Um sich einen Kundenkreis aufzubauen, suchen sie gezielt online nach Aufträgen.
Für viele Betriebe ist es außerdem hilfreich, sich mit Hilfe des digitalen Angebots eine Online-Reputation aufzubauen. Bei MyHammer beispielsweise erhalten Betriebe ein Profil, über das sie auch bei Google gefunden werden. Noch interessanter ist, dass Kunden Bewertungen abgeben und Erfahrungen mit den Handwerkern öffentlich sichtbar hinterlassen können. So ist es für Handwerker möglich, mit guten Referenzen auch online neue Kunden für sich zu gewinnen.
Ein entscheidender Punkt, der gerade bei einer traditionellen Branche wie dem Handwerk ins Gewicht fällt, ist die passgenaue Ausrichtung des Angebots an die Nutzerbedürfnisse. So sollte eine digitale Plattform immer auch als App verfügbar sein, um den Handwerkern die flexible Auftragssuche von unterwegs zu ermöglichen. Spannend sind auch branchenspezifische Funktionen in der App, in diesem Fall z.B. eine digitale Messfunktion. Gerade wenn sich Nutzer dem digitalen Angebot immer mehr öffnen, sollten sich die Oberflächen anpassen, damit die Bedienung intuitiv bleibt. Dafür ist der Austausch mit den Zielgruppen wichtig und ein intensiver Kundenservice von Vorteil.
Was ändert sich durch die Corona-Krise?
Viele Betriebe sind durch die Pandemie und damit verbundene Kontaktbeschränkungen sowie Verunsicherung der Kunden in eine Notlage geraten. So beklagen laut des ZDH viele Handwerker Auftragseinbrüche, besonders in der Baubranche. Seit März haben schon Tausende Betriebe und Selbstständige die Soforthilfen der Bundesregierung beantragt. Gleichzeitig steigen die Zahlen der Kunden, die online nach einem Handwerker suchen. Im April stiegen bspw. auf MyHammer die ausgeschriebenen Aufträge um 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Mai waren es sogar rund 50 Prozent. Besonders gefragt waren dabei Erdbau- und Baggerunternehmen, Garten- und Landschaftsbauer sowie Pflasterarbeiten.
Für Handwerker rückt die Online-Suche nach Aufträgen in der aktuellen Situation mehr in den Fokus, denn sie können damit Auftragsausfälle abfedern. Langfristig könnte dadurch auch die Digitalisierung im Handwerk einen weiteren Schub erleben. Es ist damit zu rechnen, dass sich mehr Handwerker mit dem digitalen Angebot vertraut machen und auch zukünftig digitale Plattformen als Ergänzung zur analogen Auftragsakquise nutzen.
Über die Autorin
Claudia Frese ist seit 2014 CEO der MyHammer Gruppe.
Unter Leitung der erfahrenen Business-Strategin entwickelte sich MyHammer zu Deutschlands Handwerkerportal Nr. 1 und wächst seit 2015 jedes Jahr zweistellig. Vor MyHammer hatte Claudia Frese Führungspositionen bei eBay und adviqo inne.
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