Der Online-Handel und die Innenstadt ist eine Geschichte, die fast schon an Romeo und Julia erinnert: Aus zwei Häusern traditionell verfeindet („Der Online-Handel tötet die Innenstadt!“), wurde in den vergangenen Jahren der Multi- bzw. Omnichannel-Ansatz als Königsweg des Handels entdeckt. Der Kunde ist immer erreichbar – auf jedem Kanal, den er sich wünscht. Stationärer Handel und E-Commerce vermählt zur Formvollendung.
Digitalisierung gegen Innenstadt-Sterben
Auf diesen Trichter ist nun auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gekommen. Wohlgemerkt im Jahr 2020 und – auch das war sicher ein wichtiger Faktor – in Folge der Coronakrise, die viele Unternehmen in den Online-Kanal gebracht hat. So erklärte Altmaier dem Spiegel zufolge: „Wir müssen Konzepte zur Wiederbelebung der Innenstädte entwickeln. Wir wollen verhindern, dass es zu einem Sterben der Geschäfte in den Innenstädten kommt.“ Und dabei soll eben das Internet, beziehungsweise die Digitalisierung helfen.
Die Regierung müsse „den Geschäftsinhabern in den Innenstädten dabei helfen, ihre Kundenbeziehungen so zu digitalisieren, dass es auch den Modeläden und Schuhgeschäften zugutekommt“, so Altmaier weiter – eine Idee, auf die so bisher kaum jemand gekommen ist! Außer vielleicht Ebay, die ähnliches mal in Mönchengladbach ausprobiert haben. Und in Diepholz. Und in Velbert. Und das schon seit Jahren. Dazu kommen dann noch größere Ketten, die natürlich neben ihrem Stationärgeschäft einen Online-Shop betreiben.
Besser spät als nie
Aber sei’s drum. Anfang September will Altmaier nun die Beteiligten an einen Tisch bringen, „um über die wirtschaftlichen Chancen von Digitalisierung für Innenstädte, für Einzelhändler, für die Gastronomie zu sprechen“. Wohlgemerkt im Jahr 2020. Wenn jetzt erst die Chancen der Digitalisierung erörtert werden sollen, zeigt das wieder einmal deutlich, wie lang die Regierung die wirtschaftliche Entwicklung verschlafen hat.
Und diese Entwicklung ist im Übrigen auch nicht einfach nur ein „Online-Handel vs. Innenstadt“, wie das Schlagwort gerne durch die Öffentlichkeit gespült wird. Denn Altmaier geht es nun ja darum, kleinere Händler zu stärken und zu schützen. Die haben es in der Innenstadt ja aber ohnehin schwer, sich gegen große Ketten zu behaupten und die hohen Mieten zu bezahlen. Ob da Digitalisierungskonzepte kleinere Händler in der Innenstadt retten können? Das ist nur eine von vielen Stellschrauben.
Händler brauchen mehr Unterstützung
Denn die Politik sollte nicht vergessen, dass es mit dem Aufbau von ein paar Digitalkonzepten nicht getan ist: Gerade kleinere Händler – die Altmaier ja explizit mit Hilfe des Online-Handels unterstützen und retten will – können nicht einfach so einen weiteren Vertriebskanal bedienen. Denn das ist auch mit Investitionen und höherem Ressourcenbedarf verbunden, ganz zu schweigen von den besonderen rechtlichen Anforderungen, die der Online-Handel bereithält. Die Politik muss also auch die Unternehmen überzeugen, dass sich der Online-Kanal für sie lohnt. Spätestens die Coronakrise hat deutlich gemacht, wie wertvoll dieser Absatzkanal ist.
In jedem Fall wird es Zeit, dass die Regierung die Digitalisierung der Innenstädte und den Weg kleinerer stationärer Händler in den Online-Handel fördert. Bleibt zu hoffen, dass die Erarbeitung der Konzepte nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass sie dann bei der Umsetzung wieder veraltet sind. Denn anders als bei Romeo und Julia sollte die Geschichte nicht damit enden, dass für die kleinen Händler beide Vertriebskanäle durch unglückliches Vorgehen am Ende sterben.
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Diese sind mit dem bundesweiten Marktplatz locamo.de voll vernetzt, wodurch auch kleinen, regionalen Marktplätzen das gesamte Produktangebot von Locamo.de zur Verfügung gestellt wird. [Link entfernt, Anm. d. Redaktion]
Siehe auch Bericht Staatsministeri um Baden-Würrtembe rg über Minister Hauk stm.baden-wuerttemberg.de/.../ ...
[Link entfernt, Anm. d. Redaktion]
Kai Uwe Kapler
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