Schnelles Internet überall auf der Welt, kleine funktionstüchtige Laptops und Tools, um mit Kunden und Kollegen stets in Verbindung zu bleiben, haben das Homeoffice schon seit einigen Jahren salonfähig gemacht. Aber komplett und auf Lebenszeit von Zuhause aus zu arbeiten, das war bislang größtenteils den Selbstständigen und Freiberuflern vorbehalten.
Doch dann kam die Coronakrise und hat gefühlt die ganze Welt, wo es möglich war, ins Homeoffice geschickt. Und siehe da: Es ging erstaunlich gut. Man freundete sich mit Zoom-Calls an, der Kaffee schmeckt aus der eigenen Maschine häufig eh viel besser als im Büro und die langen Arbeitswege blieben einem gänzlich erspart. Auch wenn aktuell, zumindestens in Deutschland, das Schlimmste vorerst vorüber scheint und die ersten Mitarbeiter langsam aber sicher wieder ins Büro zurückkehren, hat sich bei vielen Firmen das Modell des Homeoffice derart etabliert, dass es den Mitarbeitern auch nach der Krise angeboten werden soll. Einige Firmen haben sich sogar komplett vom „Vor-Ort-Zwang“ gelöst und bieten das Homeoffice künftig auf Lebenszeit an.
Die großen Tech-Konzerne machen's vor
Vorreiter dieser neuen Bewegung sind die großen Tech-Konzerne aus den USA. So hatte Google beispielsweise mit der jetzigen Homeoffice-Regelung für alle Mitarbeiter nur bis Ende des Jahres geplant, danach sollten alle wieder in die Büros des Suchmaschinenriesen zurückkehren. Allerdings gab man im Juli bekannt, diesen Termin nach hinten zu verschieben, bis Juli 2021 brauchen Angestellte bei Google nicht vor Ort sein. Google-Chef Sundar Pichai wolle damit vor allem die berufstätigen Eltern unterstützen. Da man nicht weiß, ob der reguläre Schulbetrieb nach den Ferien wieder aufgenommen wird, können sich Eltern mit dem Homeoffice und der Kinderbetreuung flexibler aufteilen.
Auch Amazon erlaubt das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden heraus bis Januar 2021, bei Microsoft soll der reguläre Gang ins Büro ab Oktober wieder beginnen. All das natürlich unter der Voraussetzung, das Virus bis dahin so weit es geht einzudämmen. Twitter geht sogar noch einen Schritt weiter und hat bereits im Mai das „Homeoffice für Immer“ angekündigt. Laut dem Kurznachrichtendienst hätten die letzten Wochen und Monate gezeigt, dass die Zusammenarbeit auch funktioniert, wenn sich die Mitarbeiter an verschiedenen Orten aufhalten. Um sich entsprechend einzurichten, würden jedem Mitarbeiter, der auf diese Option zurückgreift, sogar 1.000 Dollar für die Homeoffice-Ausstattung zur Verfügung gestellt werden.
Spreadshirt setzt auf Flexibilität
Aber nicht nur in den USA, auch hierzulande beschäftigt die Frage „Homeoffice oder Rückkehr ins Büro?“ sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Beim Leipziger Print-on-Demand-Unternehmen Spreadshirt befanden sich ab Mitte März 2020 so gut wie alle Mitarbeiter (98 Prozent), deren Aufgaben es zuließen, im Homeoffice. Zwar war die Leipziger Zentrale zu keinem Zeitpunkt geschlossen, der Homeoffice-Empfehlung der Geschäftsführung folgten die meisten Mitarbeiter aber. Diese Empfehlung gilt zwar auch weiterhin, seit Juni nutzen aber immer mehr Spreadshirt-Mitarbeiter die Möglichkeit, ins Büro zurückzukehren. „Die Szenarien sind dabei recht individuell – es gibt Kollegen, die feste Tage im Homeoffice und im Büro haben und andere, die es ganz flexibel handhaben“, erzählt Pressesprecherin Eike Adler.
Bei den Leipzigern gab es aber auch bereits vor Corona die Option auf Homeoffice, außerdem hat Spreadshirt vor rund einem Jahr damit begonnen, alternative Bürokonzepte zu testen. So gibt es beispielsweise bereits jetzt schon einzelne Teams, in denen die Mitarbeiter keine festen Arbeitsplätze mehr haben und die Büros entsprechend ausgestattet wurden. Wie die Homeoffice-Regelung nach Corona aussehen wird, dazu hat Spreadshirt noch keine finale Entscheidung getroffen. „Mithilfe von Umfragen und Reviews unter den Managern und Mitarbeitern wird daran gearbeitet“, so Eike Adler weiter. Allerdings geht die Pressesprecherin davon aus, dass auch in Zukunft bei dem Thema viel Flexibilität zugelassen werden wird.
Vorteile für beide Seiten
Anfängliche Skepsis gegenüber dem Konzept des dauerhaften Homeoffice war sicherlich bei einem Teil der Arbeitgeber genauso wie bei einigen Arbeitnehmern vertreten. Der Satz „Homeoffice? Das ist doch nix“ tauchte bestimmt nicht nur in meinem Familien-WhatsApp-Chat mehrmals auf. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Vorteilen, von denen beide Seiten beim Arbeiten von Zuhause aus profitieren können. Wie eine Studie der Krankenkasse DAK jetzt zeigt, bewerten viele Arbeitnehmer den Wechsel vom Büro ins Homeoffice als sehr positiv. Besonders der Stressfaktor nimmt ab, wie die Untersuchung zeigt. Demnach gaben vor der Pandemie 21 Prozent der Beschäftigten an, regelmäßig gestresst zu sein. Während der Krise und im Homeoffice waren das nur 15 Prozent. Zudem sagten 57 Prozent der Befragten, im Homeoffice produktiver zu sein als im Büro. Zwei Drittel können den Beruf und das Privatleben besser vereinbaren und profitieren außerdem vom zusätzlichen Zeitgewinn, da das Pendeln zum Arbeitsplatz wegfällt. Von den rund 7.000 Studienteilnehmern will ein Großteil auch in Zukunft diese Vorteile nicht mehr missen. Laut den Ergebnissen der Untersuchung wollen künftig knapp 77 Prozent am Homeoffice, zumindest teilweise, festhalten, so die Tagesschau zur Studie.
Auf der anderen Seite könnten natürlich auch die Firmen Kosten sparen, wenn sich vor allem in Ballungsräumen und großen Städten die Büros verkleinern lassen. Mitarbeiter, die beispielsweise nur an zwei Tagen in der Woche tatsächlich im Büro arbeiten, benötigen keinen eigenen Schreibtisch, das Konzept von flexiblen Arbeitsplätzen könnten Firmen in Zukunft durchaus einfacher umsetzen. So lassen sich gebrauchte Flächen verkleinern, in teuren Metropolen bei hohen Mietpreisen ein Faktor, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Und wie sieht’s rechtlich aus?
Nachdem viele Firmen während der Coronakrise gemerkt haben, wie gut das Arbeiten von verschiedenen Standorten aus funktioniert, wurde Ende April von Arbeitsminister Hubertus Heil sogar ein Recht auf Homeoffice gefordert. Auch wenn es das aktuell noch nicht gibt – Ausführliches und viele Pros und Cons zu diesem Thema gibt es auch in unserem Format „Drei Juristen, vier Meinungen“ zu der Fragestellung „Sollte es ein Recht auf Homeoffice geben?“ – sind da dennoch einige rechtliche Besonderheiten, die beachtet werden müssen, wenn man seiner Arbeit nicht im Büro nachgeht.
Grundsätzlich muss immer zwischen Homeoffice und dem Mobile Office unterschieden werden. Oft wird zwar der Begriff Homeoffice verwendet; in den meisten Fällen dürfte Arbeitnehmern in der Coronakrise und davor die Möglichkeit zum Mobile Office gegeben worden sein. Für die meisten Arbeitnehmer macht das praktisch kaum einen Unterschied. Auf der rechtlichen Seite ziehen die beiden Modelle aber komplett unterschiedliche Konsequenzen nach sich.
Homeoffice, oder auch: Telearbeit vs. Mobile Office
Beim Homeoffice hat der Arbeitnehmer einen festen Platz, an dem er arbeitet. Der Begriff des Homeoffice ist sogar gesetzlich in der Arbeitsstättenverordnung definiert: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.“
Damit ein Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden zum Telearbeitsplatz wird, muss dieser also voll ausgestattet sein: Möbel, Arbeitsmittel, Kommunikationseinrichtung – diese Sachen müssen vom Arbeitgeber bereitgestellt und eingerichtet werden. Außerdem muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden. Freiliegende Kabel oder unergonomische Stühle – das geht nicht! Hier kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter außerdem dazu verpflichten, von wann bis wann er an dem Schreibtisch zu arbeiten hat. Vereinfacht gesagt ist das Homeoffice so zu behandeln, als würde sich der heimische Schreibtisch in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers befinden.
Anders sieht es beim Mobile Office aus. Dieses ist durch mehr Freiheit auf beiden Seiten gekennzeichnet. Das Mobile Office ist weder orts- noch zeitgebunden. Der Arbeitgeber kann hier zwar Zeiten festlegen, in denen der Arbeitnehmer telefonisch oder per Mail erreichbar sein muss, diese Erreichbarkeit muss aber nicht deckungsgleich mit der eigentlichen Arbeitszeit sein. Ist der Arbeitnehmer eher eine Nachteule, so darf er seine Aufgaben auch spät am Abend erledigen; solang er beispielsweise am nächsten Tag ab 9 Uhr telefonisch erreichbar ist. Außerdem ist dem Arbeitgeber beim mobilen Arbeiten der Ort ebenfalls egal, solang der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausüben kann. So könnten die Redakteure von OnlinehändlerNews auch vom Sandstrand aus ihre Artikel schreiben, solang es das Datenvolumen hergibt.
Anders als beim Homeoffice trägt der Arbeitgeber hier nicht für die Arbeitssicherheit Sorge. Er muss nur auf bestimmte Risiken hinweisen. Auf der anderen Seite ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, den Arbeitgeber über bestehende Risiken zu informieren. Außerdem ist das Arbeiten unter erkennbar gesundheitsgefährdenden Umständen nicht gestattet.
Verändert der Trend zur Heimarbeit die Modebranche?
Zahlreiche Studien, besonders aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie, haben gezeigt, wie sehr sich auch das Einkaufsverhalten verändert hat. Auf einmal war Bürobedarf für Zuhause so beliebt wie selten, wer vorher nie auf Homeoffice gesetzt hat, musste sich auf einmal technisch ausstatten. Nun könnte aber eine ganz andere Branche ebenfalls die Auswirkungen des zunehmenden Homeoffice spüren: der Modehandel. Auch wenn der Mythos „Homeoffice nur ohne Hose“ sicherlich von vielen nur als Witz angesehen wird – spätestens die zahlreichen Fails bei Videokonferenzen beweisen, dass es ratsam ist, auch beim Arbeiten von Zuhause aus halbwegs angekleidet zu sein – kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass Businessoutfits in Zukunft möglicherweise weniger Anklang finden werden. Steigt eine Firma, bei der im Büro Anzugpflicht herrscht, komplett auf Heimarbeit um, wird sich das auch in den Kleiderschränken der Angestellten widerspiegeln. Wer setzt sich schließlich im feinen Zwirn an den heimischen Küchentisch? Statt fünf Business-Outfits werden dann vielleicht nur noch drei gebraucht, zuhause dominiert in vielen Fällen dann doch der Casual-Look.
Dieses Phänomen kann auch Spreadshirt bestätigen. „In den letzten Monaten wurden definitiv weit weniger Kleidungsstücke im Business- als im Casual-Look verkauft“, so die Sprecherin zum Trend. „Ein Statement-T-Shirt für den nächsten Video-Call oder ein Kuschelpullover für das Büro auf dem Sofa stehen aktuell im Trend.“
Was sich nun tatsächlich durchsetzen wird – Büro, Homeoffice oder teils teils – kann pauschal nicht gesagt werden und muss an die jeweiligen Unternehmen und Gegebenheiten angepasst werden. Fest steht aber, dass es wohl nie wieder so sein wird, wie vor Corona und die Krise vor allem in Sachen Work-Life-Balance als Chance angesehen werden sollte, zuvor starre Strukturen aufzubrechen und so ein besseres Arbeiten zu schaffen.
Autorinnen: Corinna Flemming und Sandra May
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