Das Insolvenzverfahren über Wirecard wurde inzwischen von dem Amtsgericht München eröffnet. Wie das Gericht laut Spiegel mitteilte, geht es konkret um die Wirecard AG sowie sechs Konzerntöchter. Michael Jaffé, der sich bereits in den vergangenen Monaten um das Unternehmen gekümmert hatte, wurde nun offiziell zum Insolvenzverwalter bestellt – und hatte zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine guten Nachrichten für die Mitarbeiter: Rund 730 der insgesamt 1.300 Beschäftigten soll gekündigt werden, teilte Jaffé mit. Von den Kündigungen seien auch die verbleibenden Vorstände betroffen, führt der Insolvenzverwalter aus.
Die wirtschaftliche Lage der Wirecard AG sei „angesichts der fehlenden Liquidität und der bekannten skandalösen Begleitumstände äußerst schwierig“. Restrukturierungs- und Kostenanpassungsmaßnahmen, wie sie in Insolvenzverfahren üblich sind, seien bei Wirecard nicht ausreichend, meint Jaffé. Es brauche tiefe Einschnitte, um eine Verwertung des Kerngeschäfts möglich zu machen.
Wirecard stellte Mitarbeiter überraschend frei
Zuvor hatte Wirecard für reichlich Irritation unter den Mitarbeitern gesorgt: Das Unternehmen habe zahlreiche Mitarbeiter am Montagabend per E-Mail darüber informiert, dass sie mit sofortiger Wirkung „unwiderruflich freigestellt“ seien, wie Finance Forward berichtet. Dem Magazin liege das Schreiben, das den Betreff „Freistellung von der Arbeitsleistungspflicht“ trägt, vor.
Unklar war zu diesem Zeitpunkt, wie viele der über 1.000 Angestellten in Aschheim bei München von der Maßnahme betroffen sind. Insider sprachen von einer dreistelligen Zahl, die von heute auf morgen keine Arbeit mehr haben. Es sei laut Finance Forward von der Hälfte der Mitarbeiter die Rede gewesen – eine Wirecard-Sprecherin habe sich dazu nicht äußern wollen.
„Viele der Töchter haben keinerlei Assets“
Die Wirecard-Mitarbeiter haben schon länger mit dem Ende ihres Jobs gerechnet. Für viele sei klar gewesen, dass Ende August der große Einschnitt kommt – denn Wirecard kann vermutlich nur zu einem Teil verkauft und damit gerettet werden. „Viele der Töchter haben keinerlei Assets“, zitiert Finance Forward einen Mitarbeiter. Selbst die Büropflanzen seien geleast gewesen.
Der Einschnitt fällt für die Mitarbeiter des insolventen Unternehmens aber offenbar noch härter als erwartet aus: Sie erhalten auch mit sofortiger Wirkung kein Geld mehr. „Eine Fortzahlung Deiner Vergütung für die Zeit ab dem 25.08.2020 ist zulasten der Insolvenzmasse nicht möglich“, heißt es in dem Schreiben. Ob die Mitarbeiter ihr Insolvenzgeld für August noch bekommen, sei unklar. Da die Mitarbeiter aber freigestellt und nicht entlassen wurden, haben sie Anrecht auf ihr Gehalt – und könnten theoretisch versuchen, es sich aus der Insolvenzmasse zu holen.
Scharfe Kritik an Wirecards Vorgehen
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte die Vorgehensweise von Wirecard scharf. Gewerkschaftssekretär Kevin Voss bezeichnete es als „schäbig, ohne Vorwarnung abends so eine Mail zu verschicken“. Voss moniert zudem, dass das Management schon in den vergangenen Wochen mit offenen Karten hätte spielen können. So wurden die Mitarbeiter letztlich aber doch überrumpelt.
Die Gewerkschaft vermutet auch einen strategischen Schritt des Managements kurz vor der geplanten Betriebsratswahl: Denn die Freistellungen betreffen offenbar vor allem Mitarbeiter von Wirecard Global Sales und Wirecard Technologies. In diesen Gesellschaften soll am Dienstagmorgen ein Wahlvorstand bei einer Betriebsversammlung bestimmt werden. „Es ist nicht auszuschließen, dass das Management die Mitarbeiter kurz vor der Betriebsratswahl verunsichern will“, so Voss.
Am Dienstagmittag fanden die Betriebsversammlungen mehrerer Gesellschaften dann statt, berichtet Finance Forward. Etwa 130 Mitarbeiter seien insgesamt zu den Versammlungen gekommen, heißt es von Beteiligten.
Hinweis: Der Artikel wurde aufgrund neuer Informationen aktualisiert.
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