Die Redaktion ist sich eigentlich ziemlich sicher: Bevor 2021 startet, sollte man vernünftigerweise vielleicht erst einmal einen Probemonat fürs nächste Jahr bestellen. Nur zur Sicherheit! Das zurückliegende Jahr war schließlich nicht einfach, was sich auch in den Highlights wiederspiegelt. Nichts desto trotz gab es tatsächlich in diesem Jahr mehr, als nur Corona.
Einblick in Amazons Logistikwelt
von Markus und Patrick
Jeden Tag schreibe ich über Amazon – aber in diesem Jahr gab es zum ersten Mal einen echten Eindruck hinter den Kulissen: Bei einer Führung durch das Logistiklager Leipzig. Das Unternehmen spiegelt sich auch in seinen Zentren wieder: Diese sind ebenfalls riesig und viele Menschen tun viele Dinge. Endlich wurden Begriffe aus den Texten wie „Picker“ (Angestellte, die die Waren für die Bestellungen zusammensuchen) zu lebenden Menschen oder Orte wie der „Receive“ (wo die Pakete im Lager ankommen) mit Seele gefüllt. Wie war der erste Eindruck für dich, Patrick?
Ohne den Besuch im Fulfillment Center hätte ich mir wohl auch nicht so richtig vorstellen können, wie es aussieht und funktioniert, wenn ein Lager nach dem „Chaosprinzip” sortiert ist und man den richtigen Artikel nur findet, wenn alle Angestellten sorgfältig die richtigen Barcode-Kombinationen gescannt haben. Du hattest dir den Scanner ja sogar von einer zufällig vorbeikommenden Pickerin erklären lassen, Markus!
Haha, ja, ich wollte die Chance mal nutzen, mal eine Angestellte nach den oft kritisierten Bedingungen zu fragen. Sie schien aber mit ihrer Arbeit ganz zufrieden zu sein, oder war vielleicht doch etwas gehemmt, weil der Tour-Guide mit dabei stand. Wie fandest du die Bedingungen – würdest du deinen Job tauschen, Patrick? ;)
Die vielen Sicherheitsvorkehrungen gegen Diebstahl durch die Angestellten fand ich beklemmend, etwa, dass man beim Ein- und Ausgang durch Detektoren laufen muss und dass es beim Verlassen auch stichprobenartige Durchsuchungen durch die Security gibt. Klar, die Toilettenpausen werden nicht vom Lohn abgezogen und es stehen nicht überall Aufseher mit Zeitmessern herum, wie manchmal suggeriert wird. Also war ich nicht schockiert von den Arbeitsbedingungen, aber auch nicht begeistert. Ich finde es gut, dass es unabhängige Gewerkschaften gibt, bei denen sich die Angestellten organisieren können und die Amazon öffentlichkeitswirksam auf die Finger schauen – generell denke ich, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber davon nur profitieren können.
Ja, ich hab mir im Vorbeigehen an den Pinnwänden auch gleich die Namen der Amazon-Betriebsräte des Lagers gemerkt – falls man die mal brauchen könnte...
Wenn es endlich vorbei ist
von Corinna
Auch wenn ich mir wirklich lange darüber Gedanken gemacht habe, was mein diesjähriges Highlight sein könnte, ich kam einfach zu keinem Ergebnis. Gefühlsmäßig bin ich noch im März, die letzten Monate kann ich kaum voneinander unterscheiden, weil einfach alles gleich war. Außer der Arbeit gab es keine Abwechslung, man konnte ja nirgends hin. Und nicht mal das hat den üblichen Spaß gemacht, die unmittelbaren Kollegen, Mittagsrunden und kleinen Gespräche an der Kaffeemaschine fehlten einfach zu sehr.
Deswegen steht mein Highlight 2020 noch aus: Es wird der Moment sein, wenn am 31.12. um Mitternacht die Glocken läuten und uns in ein neues und hoffentlich besseres 2021 befördern werden.
Mehr Aufmerksamkeit für die Themen Vielfalt und Inklusion
von Hanna
In diesem Corona-Jahr wurde uns viel abverlangt. Während ein Ausgleich im Privatleben auf der Strecke blieb, war die berufliche Situation deutlich angespannter – es gab neue Herausforderungen. Dennoch: Ich konnte vom Homeoffice aus arbeiten, hatte keine finanziellen Schwierigkeiten zu beklagen, kann mir einer gesundheitlichen Versorgung sicher sein und konnte mich auch mit meinem Partner zu Hause gut arrangieren.
Bewegungen wie Black Lives Matter sowie Aufrufe von Gleichberechtigungsinitiativen führten mir gerade in diesem Jahr einmal mehr deutlich vor Augen, wie privilegiert ich bin und wie viel es grundsätzlich noch zu tun gibt, um die Vielfalt und Gleichberechtigung in unserem Miteinander zu stärken. Beeindruckt haben mich deshalb in diesem Jahr etwa die öffentlichen Bekundungen zahlreicher Unternehmen zum Tod von George Floyd, aber auch, dass große Firmen wie Otto, Ikea oder Amazon in der eigenen Belegschaft Diversität und Inklusion fördern. Diese Sichtbarkeit der Themen auch entgegen der Kräfte, die sich wenig demokratisch und stattdessen menschenverachtend verhalten, weiterhin zu fördern und Initiativen hierzu aufzubauen, sollte daher auch 2021 und in den kommenden Jahren gerade bei Unternehmen im Arbeitsalltag gelebt werden.
Selbstjustiz – in a good way
von Christoph
Jahreshighlight...ein Jahreshighlight wollen sie haben. Für 2020! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber es gab in meinen schlanken 34 Jahren nur wenige, die ich so schnell einfach nur vergessen wollte, wie dieses. 2020 war der Typ, der in der Schule immer alle gehänselt hat. Das Äquivalent zur verbrannten Milch im Kochtopf oder der noch in der Wohnung reißenden Mülltüte. 2020 kann mir weitgehend gestohlen bleiben.
Aber es nützt ja nichts...
Wenn ich wirklich etwas wählen muss, das mir 2020 ein Lächeln beschert hat, dann wähle ich die Tochter von Jenni Walker. Kennen Sie nicht? Ich auch nicht. Jedenfalls persönlich. Jenni Walker ist die Mutter eines Jungen, der eine Playstation 5 zum Geburtstag bekommen sollte. Der Paketbote von Amazon entschied sich allerdings gegen die Auslieferung und für den Diebstahl – säuberlich aufgezeichnet auf einer Überwachungskamera. Nachdem der Amazon-Service die Familie Walker lediglich mit einer Gutschrift und einem kleinen Gutschein vertrösten wollte, nahm die Tochter von Jenni Walker (wir gehen davon aus, dass es die Schwester des bestohlenen Jungen war) die Sache selbst in die Hand: Sie fuhr zum nächstgelegenen Logistiklager von Amazon und stellte die versammelten (und wahrscheinlich äußerst verdutzten) Mitarbeiter des Lagers zur Rede. Die konnten zwar überhaupt nichts für den Diebstahl, das forsche Vorgehen von Miss Walker sorgte aber dafür, dass Amazon den kleptomanischen Paketboten vor die Tür setzte. Made my day, wie man sagt.
Und jetzt bitte genug von 2020...
2020 – das Ende einer Ikea-Ära
von Tina
2020 wird wahrscheinlich für immer das Jahr bleiben, in dem Corona die Welt ins Wanken brachte. Doch wenn man abseits aller Pandemie-Entwicklungen nach einschneidenden Nachrichten aus der digitalen bzw. wirtschaftlichen Welt stöbert, dann ist 2020 auch das Jahr, in dem eine Ära zu Ende geht: die Ära des Ikea-Katalogs.
Das klingt vielleicht banal. Aber für viele Menschen (und ich gehöre definitiv dazu) war der Ikea-Printkatalog ein jährlicher Fixpunkt. Eine Konstante, auf die man sich verlassen konnte. Jahr für Jahr freute ich mich, wenn er in meinem Briefkasten landete und dann für den Rest des Jahres unter meinem Couchtisch eine neue Heimat fand. Von dort wurde er in regelmäßigen Abständen immer mal wieder hervorgeholt - auf der Suche nach potenzieller neuer Deko, zum Nachschlagen von Preisen und manchmal auch als Schreibunterlage oder Schmierzettel. Er erfüllte stets einen Zweck. Doch damit ist künftig Schluss: Nachdem das Traditionshaus Otto bereits 2018 seinen letzten Katalog herausbrachte, geht Ikea den gleichen Weg und stellt nach 70 Jahren den gedruckten Schinken ein.
Natürlich ist das Zu-Grabe-Tragen des Printstücks ein weiterer Schritt in Richtung umfassende Digitalisierung. Doch selbst ich - als umfassend digitaler Nutzer - werde ihn schmerzlich vermissen. Kein Stöbern, kein Gekrakel, kein Fixpunkt … Natürlich wird es den Katalog auch künftig noch geben, allerdings in digitaler Form. Und mal ehrlich: Dasselbe wird es eben nicht sein!
Danke für nichts… leider
von Sandra
Nachdem im letzten Jahr bereits Andreas Scheuer aufgrund seiner bewiesenen Unfähigkeit in der Maut mein Jahreshighlight war, gehe ich in diesem Jahr noch einen Schritt weiter und erkläre die Unfähigkeit der Bundesregierung – zumindest in Sachen des Erkennens der strukturellen Probleme im Online-Handel – zu meinem Jahreshighlight.
Das Ganze fing ja schon ganz gut an mit der P2B-Verordnung. Die Verordnung hat eigentlich das Ziel, das Machtgefälle zwischen dem Online-Händler und großen Plattformen wie Ebay und Amazon ein wenig zu begradigen. Plattformen müssen transparenter werden und sollen unter anderem ihre Ranking-Faktoren offen legen. Die Pflichten sind jetzt vielleicht nicht der riesengroße Meilenstein, aber immerhin ein Anfang. Nur dummerweise sieht Deutschland davon ab, im Falle von Verstößen Bußgelder zu verhängen. Stattdessen sollen sich die Plattformen halt gegenseitig abmahnen, wenn sich einer nicht an die neuen Pflichten hält. Eine Abmahnung von Ebay an Amazon? Das würde ich gern sehen.
Apropos Abmahnungen: Nach zwei Jahren war es endlich so weit. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs soll das Abmahnen schwieriger machen. Grundsätzlich ist es erst mal begrüßenswert, dass der Fakt, dass das Abmahnwesen für so manchen Verein oder Rechtsanwalt vor allem ein Wirtschaftsfaktor ist, auch mal in den Köpfen der Politik angekommen ist. Die Umsetzung ist allerdings eher mangelhaft. Ohne das ganze Thema jetzt noch einmal wiederholen zu müssen, gehe ich nur auf einen Kritikpunkt ein: Verbände, wie etwa der Ido, dürfen im Endeffekt fast genauso weiter abmahnen, wie bisher. Da hat wohl jemand gepennt.
Dass der Online-Handel gerade für den stationären Handel auch eine Chance sein kann, zeigen die Folgen der Coronakrise, die uns noch Jahre beschäftigen werden. Liebe Politiker: Es wird Zeit, die Probleme der Online-Händler ernst zu nehmen. Es gibt nicht nur Amazon und Ebay, sondern auch viele kleine Händler deren Online-Shop dem liebevoll eingerichteten Eckladen in den totgesagten Innenstädten gleichen. Der Online-Handel ist nicht der Feind der Innenstädte! Ich hoffe sehr, dass die Politik für das kommende Jahr die Chance ergreift und an dieser Stelle ein Gesetz mein Jahreshighlight wird, was den kleinen und mittelständischen Unternehmen tatsächlich hilft und mehr als nur ein hohles Versprechen ist.
Die letzte Party vor dem Stillstand
von Micha
Nein, damit meine ich nicht die letzte Party im Club. Ende Februar fand unsere Hausmesse, die Nexus, statt – und es war wahrlich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Location am Nürburgring sorgte früh für Vorfreude, die Bestätigung von David Coulthard und Mark Gallagher als Keynote-Speaker ließ uns noch euphorischer wirken. Dazu kamen spannende Vorträge von großartigen Referenten. Die Nexus versprach schon früh, ein Highlight des Jahres zu werden.
Rückblickend bleibt stehen: Die Nexus war eine der letzten, wenn nicht die letzte, Präsenz-Messe des Jahres. Und ja, die Verbreitung von Corona bahnte sich grad an, aber niemand ahnte Ende Februar hierzulande, wie schnell daraus eine handfeste Pandemie werden würde. Mit einigen Umplanungen, kurzfristig besorgten Desinfektionsmitteln und einem ersten Hygienekonzept haben alle Teilnehmer flexibel auf die sich verändernden Umstände reagiert und einen großartigen Messetag realisiert. Knapp zwei Wochen später ging Deutschland dann in den ersten Lockdown.
Das macht die Nexus rückblickend betrachtet vielleicht nochmal umso besonderer. Dass die Branche in unglaublicher Geschwindigkeit umgedacht und in diesem Jahr dann zahlreiche virtuelle Veranstaltungen umgesetzt hat, zeigt mir aber auch deutlich, dass wir uns von dem Virus nicht unterkriegen lassen – solange wir richtig reagieren und uns den Umständen anpassen. Nächstes Jahr wird es die Nexus auch virtuell geben. Und ich freue mich schon wahnsinnig darauf.
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