In letzter Sekunde haben sich EU und das Vereinigte Königreich vor Weihnachten noch auf ein Freihandelsabkommen geeinigt und somit einen harten Brexit ohne Vertrag abgewendet, der noch gravierendere Auswirkungen auf die Wirtschaft gehabt hätte als der Brexit sowieso schon mit sich bringt.
Die gute Nachricht ist dabei, dass der Handelspakt Zölle und Importquoten verhindert. Die schlechte Nachricht: Der Handel zwischen UK und EU wird auch für Händler mit Sitz in Deutschland künftig komplizierter. Auswirkungen etwa auf die Einfuhrumsatzsteuer hat das Abkommen aber nicht.
Mehr Bürokratie für deutsche Händler
Auch mit dem Handelsabkommen existiert seit 1. Januar eine neue Zollgrenze zwischen EU und UK. Schließlich ist Großbritannien nun ein EU-Drittstaat und nicht weiter Teil des Binnenmarkts und der Zollunion. Zwar wurden Zölle und Importquoten für den Handel mit der EU verhindert. Doch Zollkontrollen werden an der Zollgrenze trotzdem durchgeführt und dadurch werden Zollformalitäten und mehr Bürokratie unausweichlich. Das hatte schon Amazon und Ebay zu Änderungen in ihrem Geschäft gebracht.
Die notwendige Zollanmeldung können Händler mit Niederlassung im Vereinigten Königreich selbst vornehmen, dafür brauchen sie eine neue EORI-Nummer. Händler, die über keine Niederlassung in UK verfügen, müssen die Zollanmeldung von einem offiziellen Zollvertreter vornehmen lassen, der als Dritter zwischengeschaltet wird.
Übergangsphase für Zollformalitäten und Sonderregelung für Nordirland
Das neue Zollregime und die neuen Regeln bei der Wareneinfuhr werden bis Juli in drei Stufen eingeführt. So werden in dieser Übergangsphase erst nach und nach für verschiedene Warengruppen Import-Erklärungen direkt fällig, teilweise können sie in der Zeit nachgereicht werden. Hierzu informiert etwa die IHK Rhein-Neckar. Außerdem informiert die britische Regierung sogar deutschsprachig über die kommenden Regelungen bei der Einfuhr von bestimmten Warengruppen, wie Tier-, Pflanzen- oder Elektroprodukten.
Eine wichtige Ausnahme gilt für Nordirland. Damit es keine Grenze auf der irischen Insel zwischen der Republik Irland und dem britischen Norden gibt, wird Nordirland auch weiterhin so behandelt, als ob es ein Teil der Zollunion wäre. Schließlich war die Grenze in Irland jahrelang Grund für gewaltsame Auseinandersetzungen. Diese wollte man mit dem Brexit nicht wieder entflammen lassen.
Verzögerungen an der Grenze
Die neuen Anforderungen an der Zollgrenze könnten außerdem zu erheblichen Verzögerungen im Warentransfer führen und Lieferzeiten verlängern. Bei Tests der Zollsysteme auf beiden Seiten der Grenze in Dover, England und Calais, Frankreich bildeten sich Ende 2020 bereits kilometerlange Staus. Daher sollten sich Exporteure und Importeure in der EU auf Verzögerungen an der Grenze einstellen.
Keine Zölle für EU-Händler – außer Produktteile kommen aus Drittstaaten
Mit dem Handelsabkommen sind Zölle für Waren, die in der EU hergestellt wurden, vom Tisch. Anders sieht es aus bei Waren, die gänzlich oder zu einem gewissen Grad aus Drittstaaten stammen. Entweder das Vereinigte Königreich hat mit diesem drittstaatlichen Herkunftsland ein eigenes Handelsabkommen, das die Beziehungen regelt, oder aber es fallen Zölle nach Welthandelsorganisations-Niveau an. Die britische Regierung stellt ein Tool zur Verfügung, bei dem man selbst nachschauen kann, wie hoch die Zollsätze auf einzelne Warengruppen sind.
Veränderungen bei Produktvorschriften und Kennzeichnungen
Im Handelsabkommen haben sich UK und EU auf einen gemeinsamen Rahmen bei Produktvorschriften und -standards geeinigt, allerdings kann das Vereinigte Königreich trotzdem eigene Vorschriften erlassen. Kurzfristig bleiben die Regelungen, Standards und Zulassungsverfahren grundsätzlich identisch zur EU-Gesetzgebung, schließlich wurde diese ja ins britische Recht integriert.
Die Vorgaben und Produktregulierungsvorschriften dürften sich mittel- und langfristig aber verändern, wie das Bundesunternehmen GTAI informiert. Schon jetzt gibt es etwa Veränderungen bei Produktkennzeichnungen. Die europäische CE-Kennzeichnung wird schrittweise bis Juli 2021 durch das neue UKCA-Label ersetzt. Künftig müssen Produkte, die in UK verkauft werden sollen, also dieses Label tragen. Ebenso gibt es neue Vorschriften für den Verkauf von Medizinprodukten oder Lebensmitteln.
Probleme bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten
Nicht nur für Online-Händler, sondern auch für Verbraucher wird es durch den Brexit komplizierter. Grundsätzlich gelten EU-Verbraucherschutzrechte auch bei Einkäufen außerhalb der EU – jedoch nur, wenn sich der jeweilige Verkäufer explizit an die Verbraucher in der EU richtet, etwa durch Werbung in der EU oder mit einer Website in der Sprache eines EU-Landes, informiert die Verbraucherzentrale.
Doch wenn sich die Verkäufer aus Großbritannien nicht explizit an die EU-Verbraucher richtet, ziehen die britischen Verbraucherschutzregeln. Derzeit sind diese noch identisch zur EU-Gesetzgebung, doch das Vereinigte Königreich kann die Rechte künftig verändern. Hinzu kommt, dass die Durchsetzung von Verbraucherrechten außerhalb der EU deutlich mühsamer ist, als innerhalb der EU. Der Brexit macht perspektivisch also wohl allen Wirtschaftsbeteiligten das Leben etwas schwerer.
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