Neues Jahr, neuer OHN Podcast! Der Januar ging verblüffend schnell vorbei und es ist schon überraschend viel passiert. Christoph spricht mit Micha und Patrick über die wichtigen digitalen Themen des Monats.
Nicht nur, aber auch digital, ist der Brexit noch mit vielen Fragezeichen versehen. Seit dem 1. Januar gilt er nun. Aber was hat sich geändert? Was müssen Online-Händler nun beachten? Wie wirkt sich das Ganze denn nun auf die Verbraucher aus? Und was kommt da noch?
Clubhouse: Hype vs. Inhalte
Währenddessen hat der Bundestag ein modernisiertes Kartellrecht auf den Weg gebracht. Geht es Facebook, Amazon und Google jetzt an den Kragen? Wohl eher nicht. Ein guter Schritt ist die neue Regelung trotzdem.
Und dann ist da ja noch Clubhouse. Einen ähnlichen Hype löste wohl zuletzt TikTok aus, die Vorzeichen bei Clubhouse sind aber anders. Das Konzept mögen nicht alle – und die Meinungen gehen auch im Podcast auseinander. Reinhören lohnt sich!
Die neue Folge OHN Podcast können Sie über die folgenden Wege hören – wie übrigens alle weiteren Podcasts der Redaktion. Ein Abo lohnt sich also!
Hier gibt es den Podcast als Artikel zum Nachlesen
Inhalt
- 00:08 Begrüßung
- 01:40 Brexit: Was ändert sich ab dem 01.01.2021?
- 12:32 Neues Kartellrecht: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
- 21:57 Clubhouse - OnlinehändlerNews testet die Audio-App
Begrüßung
CP
Herzlich willkommen zu einem neuen OHN Podcast von den Onlinehändler News. Es ist das Jahr 2021, der Januar ist schon vorbei und fühlte sich im Gegensatz zum März letzten Jahres sehr kurz an. Meine Gäste heute sind Micha Pohlgeers und Patrick Schwalger.
Brexit: Änderungen ab dem 01.01.2021
Wir schauen auf drei große, wichtige Themen zurück, die das neue Jahr eingeleitet haben. Beginnen wir mit dem Brexit. Das Thema hat die Onlinehändler News wohl jahrelang beschäftigt: Kommt ein Brexit? Kommt kein Brexit? Wie stark wird der Brexit, oder wird es nur ein schwacher Brexit? Und wann kommen die, die den Brexit wollten, eigentlich wieder zurück? Nun ist er da und unser Politikexperte Patrick wird uns erklären, was sich seit dem 01.01.2021 - besonders in Bezug auf den Onlinehandel - geändert hat. Für den Privatverbraucher, der nicht aus Großbritannien kommt, hat sich meiner Meinung nach nicht viel geändert.
PS
Was sich grundlegend geändert hat, ist dass Großbritannien seit dem ersten Januar nicht mehr so behandelt wird, als wäre es Mitglied im europäischen Binnenmarkt und der europäischen Zollunion. Das offizielle Austrittsdatum war der 31. Januar 2020. Im Zuge einer Übergangsfrist wurden sie bis Ende 2020 so behandelt, als würden noch alle bisherigen EU-Regeln gelten. Diese Phase hätte Großbritannien letztes Jahr verlängern können, hat die Möglichkeit jedoch nicht wahrgenommen. Die Konsequenzen davon treten jetzt ein.
CP
Es gab lange Verhandlungen darüber, wie genau der Brexit stattfinden soll. Jetzt ist der sogenannte harte Brexit eingetreten, den außer Boris Johnson niemand favorisiert hat.
PS
Nein, so ist es nicht, da es ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU gibt. Der harte Brexit wäre gewesen, wenn sich Großbritannien und EU nicht am Ende der Übergangsphase auf ein Handelsabkommen geeinigt hätten. Was dann passiert wäre, wäre der harte Brexit in folgendem Sinne: Zölle würden fällig und es hätte Importquoten geben können. Importquote bedeutet, dass von bestimmten Waren nur eine festgelegte Menge in das Land eingeführt werden darf. Gründe dafür sind z.B. der Schutz der heimischen Wirtschaft und die Kontrolle über Einfuhren. Da sich EU und Großbritannien zwischen Weihnachten und Silvester letzten Jahres auf ein Handelsabkommen geeinigt haben, ist es dazu nicht gekommen.
Es gibt dennoch Zollformalitäten, daher kommen auch die LKW-Staus an den Grenzen, und die Verzögerungen im Warentransport zwischen England und EU. Trotz dieser Einlassprozeduren gibt es jedoch keine Zollsätze für Waren mit Ursprung entweder in der EU oder Großbritannien, dies muss von den Zollformalitäten unterschieden werden.
CP
In Bezug auf den Onlinehandel gibt es Nachrichten darüber, dass viele britische Bekleidungshändler keine Retouren mehr annehmen wollen, weil die Kosten dafür nicht mehr zu tragen sind.
PS
Ja, die Berichte sind mir bekannt. Boris Johnson hatte zwar noch betont, dass mit dem Brexit der tariffreie und zollfreie Handel möglich ist. Wahrscheinlich verursacht dies vor allem für die Bekleidungsindustrie mehr Probleme als für andere Branchen.
Die Ware muss ihren Ursprung in der EU oder in Großbritannien haben, das ist die Bedingung für die Zollfreiheit. Der Guardian berichtet darüber, dass britische Kunden und Verbraucher nun mit Zollzahlungen konfrontiert werden. Auch würden Briten mit Sitz in der EU nun bei Bestellungen in UK von Zollzahlungen überrascht. Dies sollte eigentlich nicht vorkommen. Gerade in der Bekleidungsbranche haben viele Produkte ihren Ursprung allerdings außerhalb der EU. Viele Kleidungsstücke werden z.B. in Südostasien oder anderen Ländern hergestellt und daher könnte es dazu kommen, dass Zölle darauf fällig werden.
CP
Britische Unternehmen scheinen sehr darunter zu leiden. Man hört von Überlegungen, Firmensitze aus Großbritannien weg in die EU zu verlegen, um die Formalitäten und Zusatzkosten nicht tragen zu müssen. Dabei stellen sich die positiven Aspekte des Abkommens infrage. Es sollte schließlich nicht dafür sorgen, dass britische Industrieunternehmen abwandern.
PS
Die Folgen werden sich über die Zeit zeigen. Es gibt noch die Nachverhandlungen. Positiv anzumerken ist bereits, dass keine Zollsätze für Produkte mit Ursprung in der EU oder in Großbritannien anfallen. Natürlich fallen Zollformalitäten an und es gibt Importkontrollen, diese Bürokratie bleibt den Händlern leider nicht erspart.
Häufig wird auch die Einfuhrumsatzsteuer mit Zollzahlungen verwechselt. Diese fällt unabhängig von dem Handelsabkommen an. Für den Verbraucher fallen also in jedem Fall mehr Kosten an. Ob das Abkommen gut oder schlecht ist, liegt an der Perspektive, aus man es betrachtet. Für die kleine Unternehmen und Verbraucher ist die Situation schlechter als zuvor. Großbritannien agiert nicht mehr im Binnenmarkt, es gibt keine Warenverkehrsfreiheit, und keine Personenverkehrsfreiheit in dem Sinn. Einkäufe werden teurer, Lieferzeiten dauern vielleicht länger, eventuell gibt es weniger Produktauswahl. Wie zu erwarten, sind die Auswirkungen für den Onlinehandel weniger gut.
Großbritannien hat sich mit dem Abkommen ein wenig von der EU losgesagt und sich von bestimmten Standards getrennt. Durch den Brexit sollte die Souveränität von der EU wiedererlangt werden, eine politisch-ideologisch motivierte Forderung. Das hat funktioniert. Auch steht Großbritannien nun nicht mehr unter der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes. Die EU hat mit dem Abkommen erreicht, dass Großbritannien trotz aller Wünsche nach „Souveränität" sehr viele Standards weiter beibehält, die die EU vorgibt. Die Sorge der EU war, dass Großbritannien sich ohne ein Abkommen von allen EU-Regeln abwendet, um eine Art neoliberales, steuerfreies Wunderland zu werden. Es existieren Kommentare dazu, dass Großbritannien sich wünsche, ein wenig wie Singapur zu werden.
CP
Monaco fällt mir in dem Zusammenhang ein.
PS
Ja, so in der Art. Das war die Sorge der EU: wenig Steuern, hohe Beihilfe für Unternehmen, damit sie im Wettbewerb mit EU-Unternehmen besser gestellt sind, niedrige Sozialstandards, niedrige Umweltstandards, niedrige Produktstandards. Die Befürchtung war, dass eine Art Preisdumping entsteht. Es könnte in Großbritannien billig produziert werden, es gäbe viele Freiheiten für Unternehmen und dadurch sicherten sie sich einen Vorteil bezüglich des Wirtschaftsstandorts gegenüber der EU. Dieses Szenario wurde durch das Abkommen verhindert. Die zukünftigen Entwicklungen bleiben abzuwarten.
CP
Es wirkt nicht sehr realistisch, dass aus Großbritannien eine Art Steuerparadies wird. Ist die EU mit einem blauen Auge davongekommen? Auf mich als Laien wirkte es so, dass Großbritannien aus der EU austreten will. Daher wäre es letztlich ihre Aufgabe von, die Konsequenzen abzuwägen und zu tragen. Ist die EU so abhängig von Großbritannien?
PS
Das denke ich nicht. Die Anfragen von Onlinehändlern, die beim Händlerbund Mitglied sind, hielten sich in Grenzen. Wären die deutschen Onlinehändler so sehr abhängig von Großbritannien, hätte es mehr Rücklauf gegeben. Für deutsche Verbraucher ist es nun attraktiver geworden, innerhalb der EU zu kaufen - wahrscheinlich von der EU kalkuliert.
CP
Also hat Großbritannien im Endeffekt mehr Nachteile als die EU.
PS
Im Vorfeld wurde es auch so kommuniziert: Großbritannien ist abhängiger vom Handel mit der EU als anders herum. Großbritannien wird es in der Zukunft auf jeden Fall schwer haben.
Der Brexit war jedoch nicht unbedingt von rationalen und wirtschaftlichen Überlegungen getrieben. Er ist auch das Ergebnis einer sehr polarisierten politischen Debatte von Ideologen, die nach 2016 die Oberhand in der Regierung erhalten haben und dann dieses Projekt weitergeführt haben. Jetzt wurde "Souveränität" erreicht, obwohl sie sich trotzdem zu sehr vielen EU-Standards verpflichtet haben.
Berichte kursieren, dass Verbraucher Probleme bei Bestellungen in England haben, viele Unternehmen denken über eine Standortverlagerung nach. Die Fischereien wurden davon überrascht, dass ihre Erzeugnisse in den Staus vor der Grenze verdorben sind, weil die Vorgänge zu lange gedauert haben. Die Konsequenzen finden jetzt statt, nicht ungewöhnlich nach so einer gravierenden Änderung. Ich bin gespannt auf die Entwicklung in einem halben Jahr.
Neues Kartellrecht: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
CP
Kommen wir nun zu einem anderen Thema, bei dem ich genauso frage: Wie geht es jetzt weiter? Der Bundestag hat im Januar ein neues Kartellrecht auf den Weg gebracht.
PS
Richtig, das existierende Kartellrecht wurde erneuert.
CP
Fällt der Begriff Kartellrecht in Bezug auf die großen Online-Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon, ist es für niemanden überraschend, dass diese Big Tech Unternehmen eine sehr marktbeherrschende Stellung besitzen. Was genau ist jetzt neu, was ändert sich? Es ist unwahrscheinlich, dass Facebook & Co. plötzlich an die Kandare genommen werden. Das neue Kartellrecht wird wohl keine Zerschlagung von Facebook oder Google ermöglichen.
PS
Eine Zerschlagung sieht weder das deutsche noch das europäische Recht vor, im Gegensatz zum US-Recht. Daher hört man hierzulande manchmal, dass man Amazon in seine verschiedenen Geschäftsbereiche zerschlagen werden sollte. Aber das ist rechtlich derzeit noch nicht möglich.
Diese Modernisierung und Erneuerung des Kartellrechts - genauer vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB abgekürzt) - wurde seit einigen Jahren vorbereitet. Vor zwei bis drei Jahren hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Expertenkommission namens Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 einberufen. Das war die Startinitiative zur Modernisierung des Gesetzes. Der Themenkomplex Digitalunternehmen und Marktmacht im Kontext von digitaler Wirtschaft war bisher noch kein Teil des Gesetzes. Es gab keine konkreten Anknüpfungspunkte, die sich darauf bezogen. Die Kommission hat Vorschläge vorbereitet und veröffentlicht, woraufhin das Wirtschaftsministerium schon vor über einem Jahr einen ersten Entwurf vorgelegt hat. Der Gesetzesentwurf wurde in der Regierung und im Bundestag nun diskutiert und in diesem Monat veröffentlicht - und ist bereits in Kraft getreten.
Hintergrund sind vergangene Fälle wie beispielsweise das Verfahren des Bundeskartellamts in Deutschland gegen Facebook oder Amazon. Weiter ist bekannt, dass der Kongress in den USA große Tech-Firmen beobachtet. Letztes Jahr mussten Bezos, Cook und Co. mehrfach dort vorsprechen. Dem alten Kartellrecht fehlten hier Anknüpfungspunkte, damit das Bundeskartellamt in Deutschland tätig werden kann.
Die Neuerung ermöglicht es dem Bundeskartellamt, früher tätig zu werden - idealerweise, bereits ab einem Punkt, an dem ein Unternehmen noch keine übermäßige Marktmacht besitzt.
CP
Aber haben die meisten Unternehmen diesen Punkt nicht bereits überschritten?
PS
Die oben genannten schon, aber es geht auch um andere, wo ggfs. bereits vor Erreichung dieses Punktes interveniert werden kann. Hier kommt auch ein interessanter Kritikpunkt ins Spiel. Sollte es einmal deutsche Champions geben, möchte man diese nicht direkt mit solchen Regelungen klein halten. Daher die Diskussion um die Frage: Wieviel soll man eigentlich regulieren?.
Eine der am meisten diskutierten Passagen in dem Gesetz ist, dass es eine Neuregelung des Zugangs zu Daten geben soll. Aktuell ist es so bei Plattformen wie Amazon: Dritthändler sind dort in Kontakt mit Verbrauchern, diese generieren dort Daten, z.B. Zahlungsdaten oder Daten über ihr Nutzerverhalten. Jedoch haben die Dritthändler keinen Zugriff auf diese Daten. Nach den neuen Regelungen sollen Plattformen dazu verpflichtet werden, einen Zugang zu diesen Daten bereitzustellen und Zugang für die Nutzer zu gewähren, die die Daten praktisch selbst generieren, aber davon nicht profitieren können. Kleiner Haken: Das muss nicht zwingend ein kostenloser Zugang sein.
Weiterer Punkt: bisher dauern Gerichtsverfahren z.B. gegen Facebook jahrelang. Zieht das Bundeskartellamt gegen ein solches Unternehmen vor Gericht, wird zuerst ein Oberlandesgericht tätig. Anschließend geht es in die nächsthöhere Instanz, das kann sich über Jahre hinziehen. Das kann auch als Taktik genutzt werden, um schnelles Handeln zu vermeiden. Im neuen GWB wird geregelt, dass Streitigkeiten zwischen Bundeskartellamt und großen Konzernen direkt vor der höchsten Instanz verhandelt werden und es nur ein Verfahren gibt. Damit sollen solche Verfahren enorm beschleunigt werden.
CP
Gut. Ich glaube trotzdem, dass Facebook & Co. - wenn sie das überhaupt erfahren - ein wenig darüber schmunzeln würden. Aber das ist vielleicht eine zu negative Sicht der Dinge.
PS
Es gibt gerade einige Gesetzgebungsverfahren, die Marktplätze mehr in den Blick nehmen. In dieser Legislaturperiode, die in einigen Monaten vorbei ist, wird bereits einiges auf den Weg gebracht.
Neben dem Kartellrecht gibt es auch neue Regelungen im Verbraucherschutz. Dazu gehört z.B., dass Marktplätze ihre Rankings verständlicher offenlegen müssen. Es soll klarer werden, wie die Ergebnisse zustande kommen und wie sie gewichtet werden. Das GWB beinhaltet daher Absätze gegen “Self-Preferencing” in den Suchergebnissen auf Plattformen. Sucht ein Nutzer beispielsweise auf Amazon nach einem Produkt soll verhindert werden, dass Amazon seine eigenen Produkte in den Ergebnissen besser darstellt als die der Wettbewerber.
Weiter gibt es noch die europäische Platform-to-Business Verordnung, die Bedingungen für Geschäftskunden im Zusammenhang mit Plattformen verbessern soll. Auf europäischer Ebene werden gerade der Digital Services Act und der Digital Markets Act vorangetrieben, die eine Art europäische Plattform-Grundgesetz werden sollen. Sie beinhalten auch Verhaltensregeln für Plattformen und Marktplätze und widmen sich verwandten Fragestellungen. Nach und nach entwickelt sich so eine Art Rechtslandschaft von verschiedenen Verordnungen und Gesetzen, die in der Zukunft einmal positive Auswirkungen haben können.
CP
Ich bleibe erstmal bei meinem Schmunzeln, aber wir verfolgen das Thema weiter.
Clubhouse - OnlinehändlerNews testet die Audio-App
CP
Einer, der noch kein Big Player ist, aber Big Player werden will, ist Clubhouse. Clubhouse ist der totale Hype im Januar 2021. Wenn es nicht um Corona ging, dann ging es um Clubhouse, oder beides zusammen. Ich will ehrlich sein, ich bin noch kein richtiger Fan. Was meinst du, Micha? Und seid ihr beide Mitglied?
MP
Ja, ich bin angemeldet.
PS
Ich bin nicht da, habe keinen Invite bekommen.
MP
Willst du einen haben?
PS
Können wir gerne nach dem Podcast besprechen.
CP
Da ich Android nutze, gehöre ich nicht zu der exklusiven Klientel. Micha, erzähle uns mehr zu der App.
MP
Warum Clubhouse auf einmal so explodiert ist, kann ich nur spekulieren. Die Clubhouse-App ist zwar neu, aber nicht erst vor einem Monat entstanden. Letztes oder vorletztes Wochenende ist plötzlich meine Twitter-Timeline mit Tweets zu Clubhouse explodiert.
Ich bin auch noch kein großer Fan, dafür habe ich mich bisher zu wenig damit beschäftigt. Es gibt dort einige interessante Themen, die besprochen werden. Vieles davon ist leider zu Uhrzeiten angesetzt, an denen ich keine Zeit habe.
Ich bin sehr gespannt, wie Clubhouse sich entwickelt, wenn noch mehr Leute angemeldet sind, die Räume und Diskussionen starten. Einige bekannte Namen sind dort bereits vertreten, auch namhafte US-amerikanische Promis, mit denen man plötzlich in einem Raum sitzen kann. Thomas Gottschalk ist übrigens auch auf der Plattform vertreten, der erste Star, den ich auf der Plattform entdeckt habe. Auch die besprochenen Themen sind viel reizvoller als bei den bekannten sozialen Medien. Bei Twitter und Facebook ist das Format für solche Diskussionen nicht gegeben. Clubhouse bietet genau diesen Reiz, dass Diskussionen gestartet werden können und noch Leute eingeladen werden können. Diese Art des Austauschs untereinander und das Besprechen von Themen haben aus meiner Sicht durchaus Potenzial.
PS
Du hast die angesetzten Zeiten erwähnt. Wie läuft das ab? Du bekommst dann eine Art Programmheft, wann welche Themen mit wem besprochen werden, oder wie muss man sich das vorstellen?
MP
So in etwa, ja. Nutzer können selbst sogenannte Räume erstellen. Räume sind im Grunde genommen Diskussionen. Weiter können Termine angelegt werden. Du kannst entweder spontan einen Raum anlegen, z.B. mit drei Leuten, mit denen du diskutieren möchtest, und machst einen Raum auf. Diskussionen können aber auch vorgeplant werden. Beispiel: Morgen um 18 Uhr spreche ich mit diesen drei Leuten - die du vorher einladen musst, sie sollten schon Bescheid wissen. Du setzt einen Talk zu einem Thema an und ergänzt einen Beschreibungstext. Als nächstes kommt es darauf an, welchen Leuten du folgst.
Die Folgen-Funktion scheint auf den ersten Blick verwirrend. Die Plattform ist komplett sprachbasiert, es gibt auch keine Kommentarfunktion. Warum dann eine Folgen-Funktion? Die App zeigt die Aktivitäten der Nutzer an, denen du folgst: in welchem Raum sie sich gerade aufhalten, ob sie gerade einen Raum gestartet haben. Zudem sendet Clubhouse Push-Mitteilungen nach dem Schema: “Nutzer XY spricht gerade über dieses Thema, nimm’ an der Diskussion teil”. Das Ganze wird in einer Art Kalenderübersicht dargestellt, die für dich empfohlene Veranstaltungen enthält. Alternativ kannst du dir auch alle Veranstaltungen anzeigen lassen. Wenn man sich eine starke Liste von Leuten, denen man folgt, aufgebaut hat, erhält man dadurch viele Einblicke.
CP
Mir erschliesst sich der Reiz noch nicht ganz. Zusammengefasst sind es Zoom-Calls, bei denen Menschen zusehen können.
MP
Ja, ein Kollege hat es mit Telefonkonferenzen verglichen. Nichts für Leute, die nicht gerne telefonieren.
CP
Oder vergleichbar mit TV-Talkshows ohne Fernsehen, aber dafür mit Zuschauerbeteiligung.
MP
Im Grunde, ja. Medien beschreiben es als interaktiven Podcast. Stell dir vor, wir drei machen unseren Podcast und 500 Leute sind live dabei, die sich melden und Fragen stellen. Das und die Tatsache, dass sich einige Promis dort tummeln, stellt für viele einen Reiz dar. Frank Thelen und und Thomas Gottschalk haben die Plattform übrigens bereits an ihre Grenzen gebracht. Die Raumgröße ist auf 5000 Teilnehmer begrenzt, was sie schnell herausfinden mussten. Dann kann es vorkommen, dass der Server zusammenbricht.
CP
Clubhouse soll auch eine Plattform für große Influencer sein. Meinungen von Journalisten gehen auseinander: die einen schwärmen davon, die anderen sind noch ein wenig skeptisch, wollen es ausprobieren. Das sind meistens Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Das Konzept von Clubhouse ist wiederum sehr geschlossen. Es gibt z.B. keine Aufnahmefunktion. Probleme treten schnell auf, wenn Aufnahmen veröffentlicht werden. Siehe der Fall mit Bodo Ramelow: Plötzlich sind Informationen an die Öffentlichkeit gelangt und ein Shitstorm entstand. Influencer oder bekannte Personen in sozialen Netzwerken verfolgen meist nicht das Ziel, in einem möglichst geschlossenen System zu agieren, aus dem nichts nach außen dringt. Sie wollen natürlich die größtmögliche Reichweite.
MP
Das stimmt, dabei muss allerdings das momentane Stadium der App berücksichtigt werden. Das System der Einladungen ist zuerst einmal die Mechanik, um zu wachsen. Kürzlich wurde bereits angekündigt, dass eine Android-Version der App geplant ist. Das wird die Zielgruppe noch einmal vergrößern. Die Aussage, die App ist exklusiv für Apple-Nutzer, trifft auf viele andere Apps ebenfalls zu. Es sind gerade diese Exklusivität und dieses Bild eines elitären Kreises, die den Hype kreieren. Die Angst, etwas zu verpassen, wird geschürt.
Auf der anderen Seite sind viele davon genervt, weil Clubhouse zeitweise die sozialen Medien bestimmt. Die App polarisiert und erzeugt damit großes Interesse. Interessant ist auch, dass Nutzer Talks auf Clubhouse starten und jeden einzelnen davon twittern. In meiner Timeline befinden sich einige davon, die seit Tagen nichts anderes zu machen scheinen. Auf Clubhouse selbst gibt es viele Diskussionsräume mit Themen wie “Was bringt dir Clubhouse?” oder “Clubhouse - Hype oder Rohrkrepierer?”. Auf der App wird über die App diskutiert, was sinnlos scheint. Du nutzt die App bereits, also warum darüber sprechen, ob du sie nutzen solltest?
CP
Vielleicht deswegen, weil die App gar keine Möglichkeit bietet, diese Gespräche nach außen zu bringen.
MP
Ja, dafür müsstest du deine anderen sozialen Netzwerke nutzen. Wird auf Clubhouse darüber diskutiert ist zumindest sicher, dass wirkliche Nutzer etwas dazu sagen. Dazu habe ich mir auch ein paar Talks angehört. Häufige Aussagen sind: “Ich kann noch nichts dazu sagen, weil ich die App erst seit Kurzem nutze”.
Es gibt interessante Themen, die dort besprochen werden. Einige Leute aus dem E-Commerce geben z.B. tägliche Talks zu dem Thema, geben dort Tipps oder beantworten Fragen der Teilnehmer. Der Umfang beträgt häufig um die zwanzig Minuten. Auch Fußballgruppen existieren schon. Dort werden live während eines Bundesliga-Spiels Clubhouse-Räume geschaffen und über das Spiel diskutiert, oder das Spiel nach Ende analysiert. Gerade in der Pandemie erzeugt dies ein bisschen Fußballkneipen-Feeling oder sogar ein wenig Stadionfeeling.
Ich schaue meistens den ganzen Tag auf einen Bildschirm. Zu Beginn der Pandemie wurden noch Skype-Abende mit Freunden veranstaltet, an denen man etwas zusammen getrunken und sich unterhalten hat. Das wird nicht mehr in dem Rahmen gemacht - es ist wieder nur ein Bildschirm, auf den du schaust. Clubhouse läuft dagegen nebenbei, du redest und hörst zu. Das baut sich gerade gut auf.
CP
Die Exklusivität und Verknappung sind aus Marketingsicht schlau. Auch, die Zielgruppe spezifisch zu halten. Das Invite-System kann auch aus Kapazitätsgründen vorhanden sein. Der Hype war so groß, hätte sich jeder einfach anmelden können, wäre die Grenze des Möglichen wahrscheinlich schnell erreicht worden. Irgendwann wird sich aber eine Art Normalbetrieb einstellen, der finanziert werden will - wahrscheinlich über Abo-Modelle und Werbung. Ich sehe noch nicht, dass sich Clubhouse langfristig hält.
Die Pandemie unterstützt das Wachstum zwar gerade und Nutzer sind neugierig, die App auszuprobieren. Aber wer möchte sich den x-ten Talk mit Thelen und Maschmeyer anhören, die Toni Kroos interviewen?
Meine Meinung ist vielleicht nicht ganz fair. Fairer ist es, den Umgang von Clubhouse mit Nutzerdaten unter die Lupe zu nehmen. Da sind sie in guter Gesellschaft: diverse andere soziale Netzwerke handhaben das Thema ähnlich oder haben es zumindest in der Vergangenheit so gehandhabt. Man darf gespannt sein, inwieweit die entsprechenden Behörden darauf reagieren.
Unter anderem wird das Thema auch in meiner aktuellen Kolumne “Clubhouse und Datenschutz” behandelt. Clubhouse hat aktuell Probleme mit der Einhaltung des EU-Datenschutzrechts. Hier wird gehandelt werden müssen.
Das war es für den Januar mit dem OHN Podcast. Vielen Dank an unsere Zuhörer und an Patrick und Micha für eure interessanten Beiträge.
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