Michael Jaffé, der Insolvenzverwalter des skandalbehafteten Finanzdienstleisters Wirecard, hat in einem neuen Sachstandsbericht erklärt, wieso die Verteidigungslinie des ehemaligen Wirecard-Chefs Markus Braun haltlos ist. Gleichzeitig wolle Jaffé Geld von Braun zurückfordern – allerdings wohl nicht so viel, wie Gläubiger und Aktionäre sich erhoffen, berichtet der Spiegel, dem der Bericht des Insolvenzverwalters vorliege.
Jaffé habe demnach „in einem aufwendigen juristischen Verfahren sämtliche Kontoauszüge der Bank in Singapur“ erhalten, bei der Wirecard die vermeintlichen Treuhandkonten geführt habe, von denen plötzlich 1,9 Milliarden Euro aus Geschäften mit Partnerfirmen verschwunden sein sollen.
Vermeintliche Treuhandkonten wurden als Spesenkonten geführt
Der fehlende Betrag war letztlich der springende Punkt im Bilanzskandal um das deutsche Finanzunternehmen, das im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden musste. Die Staatsanwaltschaft nahm gegen Braun Ermittlungen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Untreue, unrichtiger Darstellung und Marktmanipulation auf. Zudem wird gegen rund 30 weitere Führungskräfte und Personen aus dem Konzernumfeld ermittelt.
Was den fehlenden Milliardenbetrag aus den Geschäften mit Partnerfirmen, den sogenannten Third Party Acquierern (TPA), angeht, ist sich Jaffé in seinem Bericht offenbar mittlerweile sicher: „Damit steht nunmehr endgültig fest, was sich bereits vorher aus zahlreichen Indizien ergab: Das behauptete und bilanzierte TPA-Geschäft mit Milliardenerträgen hat es bei Wirecard nicht gegeben“, zitiert ihn der Spiegel. Es läge nahe, dass die Konten in Singapur als Spesenkonten geführt wurden, über die unter anderem Einkäufe bei Toys’R’Us und Tankfüllungen bezahlt worden seien.
Rund 40.000 Gläubiger und Aktionäre fordern 15,8 Milliarden Euro
Weil er das TPA-Geschäft als nicht-existent einstuft, hält Jaffé die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 für nichtig. Der Insolvenzverwalter habe entsprechende Klage eingereicht. Jaffé halte die Verteidigung von Markus Braun zudem für haltlos und will den ehemaligen Wirecard-Manager, weitere Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte offenbar in Anspruch nehmen, denn sie hatten Auszahlungen in Millionenhöhe bewilligt, obwohl Wirecard bereits insolvent gewesen sei.
Die Anleger und Gläubiger, die auf ihr Geld hoffen, dürften sich trotzdem nicht freuen: Rund 40.000 Parteien sollen inzwischen Forderungen angemeldet haben, insgesamt gehe es um 15,8 Milliarden Euro. Verfahrensbeteiligte schätzen allerdings, dass Jaffé rund eine Milliarde Euro am Ende eintreiben könnte – weit weniger als die von Aktionären und Gläubigern geforderte Summe.
Entscheidung wohl erst in einigen Jahren
Doch es ist auch unklar, ob frühere Aktionäre überhaupt Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen dürfen. Diese Frage wird derzeit in einem Pilotverfahren behandelt, eine finale Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird erst in einigen Jahren erwartet.
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