Frauen in Führungspositionen hält es seltener im Unternehmen. Die Zahl der weiblichen Führungskräfte, die den Arbeitsplatz wechseln, ist so hoch wie nie zuvor – und liegt auch über der Wechselbereitschaft der männlichen Kollegen. Die weibliche Belegschaft verschwindet aber nicht vom Arbeitsmarkt, sondern wandert in Firmen über, die deren Werte teilen. Für jede Frau auf Führungsebene, die auf die nächste Ebene befördert wird, entscheiden sich zwei weibliche Führungskräfte, ihr Unternehmen zu verlassen. Das ergab eine Umfrage der gemeinnützigen US-Organisation LeanIn.Org, die 2013 von Meta-COO Sheryl Sandberg gegründet wurde, und der Unternehmensberatung McKinsey. Für den seit 2015 jährlich erscheinenden Bericht zu Frauen in der Arbeitswelt wurden über 40.000 Beschäftige aus über 330 Firmen befragt.
„Im Kampf um Talente gibt es immer Gewinner und Verlierer, und für Unternehmen, die die Gleichstellung der Geschlechter erreichen wollen, steht mehr denn je auf dem Spiel“ schreibt LeanIn.Org zur Veröffentlichung der diesjährigen Ergebnisse. Die Entwicklung, die in dem Zusammenhang auch als „Große Spaltung“ gehandelt wird, könne schwerwiegende Folgen für Unternehmen haben, heißt es: „Frauen sind in Führungspositionen bereits deutlich unterrepräsentiert. Jahrelang sind weniger Frauen aufgestiegen, weil die erste Stufe zur Führungskraft ‚zerbrochen‘ ist. Jetzt kämpfen die Unternehmen darum, die relativ wenigen weiblichen Führungskräfte zu halten, die sie haben“. Diese Dynamiken seien bei Women of Color noch ausgeprägter.
Mehrere Gründe für den Arbeitgeberwechsel
Die Gründe für den Wechsel sind vielseitig. So legen Frauen ebenso wie Männer großen Wert darauf, beruflich aufzusteigen und suchen gezielt nach Firmen, in denen sie weiterkommen können. Die Wechselbereitschaft steigt, wenn dieser Weiterentwicklung Hindernisse im Weg stünden. „Als ich in dieses Unternehmen kam, bemerkte ich viele Frauen und People of Color in Führungspositionen. Das ließ mich wissen, dass ich aufsteigen konnte. Wenn man in ein Unternehmen kommt und es gibt Führungskräfte, die wie man selbst aussehen, fühlt sich das einfach anders an“, so ein Erfahrungsbericht aus der Studie.
Als Hindernis werden sogenannte Mikroaggressionen empfunden, wenn Kollegen das Urteilsvermögen weiblicher Vorgesetzte oder deren Qualifikation abwerten: Frauen würden der Umfrage zufolge doppelt so häufig wie Männer für eine niedriger gestellte bzw. qualifizierte Person gehalten werden. Es gibt aber auch noch andere Kämpfe auszutragen: Bei 37 Prozent der Frauen in Führungsposition habe ein männlicher Kollege die Anerkennung für ihre Idee eingeheimst, demgegenüber berichteten nur gut ein Viertel der männlichen Führungskräfte von einem Ideenklau. Solche Frustrationen tragen dazu bei, dass weibliche Kräfte die Firma verlassen.
Remote-Work ist für Frauen wichtiger als für Männer
Zudem wünscht sich die Hälfte der weiblichen Belegschaft häufiger Flexibilität und eine ausgewogene Work-Life-Balance, bei Männern ist es etwa ein Drittel. Nur eine von zehn Frauen wolle hauptsächlich vor Ort arbeiten, gegenüber 18 Prozent der Männer. Im Zuge der Pandemie zeigten Remote-Modelle vor allem Frauen, dass sie auf diese Weise mehr Möglichkeiten haben, Beruf und häusliche Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen.
„Die Unternehmen müssen ihr Management wirklich darin schulen, die Anzeichen für das Stigma der Flexibilität und die Voreingenommenheit gegenüber Flexibilität zu erkennen. Die Unternehmen müssen einen psychologischen Wandel dahingehend vollziehen, dass Arbeit auf der Grundlage von Ergebnissen bewertet werden sollte - was man erreicht und nicht, wo man es tut“, zitiert Forbes LeanIn.Org-CEO Rachel Thomas. „Die Vorstellung, dass Flexibilität die Arbeit leichter macht, ist absurd - Flexibilität macht sie nur machbar. Frauen fordern Flexibilität, weil sie wissen, dass sie das brauchen, um erfolgreich zu sein“.
Unternehmenswerte in Bezug auf Diversität, Inklusion und Chancengleichheit seien für Frauen zudem so wichtig, dass sie diese auch gerne teilen. Vier von zehn Frauen gaben allerdings an, dass Arbeit oder Projekte in diesem Bereich in ihren Leistungsbeurteilungen nicht anerkannt würden. Firmen, die solchen Themen Priorität einräumen und Führungskräfte belohnen und ein integratives Umfeld fördern, helfen ihnen somit, beruflich voranzukommen.
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