In Deutschland mangelt es an passendem Personal – bis zum Jahr 2035 sollen nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bis zu 7 Millionen Fachkräfte fehlen, wie u. a. ZDF mit Verweis auf die entsprechende Studie meldete.
Helfen könnten Fachleute aus dem Ausland – doch für diese müssen die Hürden zur Einwanderung geringer werden, damit eine Arbeit in Deutschland für sie attraktiver ist, so die Idee der Ampelkoalition. Über erste Eckpunkte, die die Bundesministerien für Inneres, Wirtschaft, Arbeit sowie das Auswärtige Amt gemeinsam ausgearbeitet haben, wurde aktuell dem Bundeskabinett vorgelegt.
Einwanderung nach Punktesystem
Schon etwas weiter fortgeschritten ist das Gesetzesvorhaben des sogenannten Chancen-Bleiberechts. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dieses Konzept bereits Anfang September vorgestellt, der entsprechende Gesetzentwurf wurde vom Bundestag im Oktober diskutiert, am Freitag, dem 2. Dezember, soll das Parlament nun über diesen abstimmen.
Vorgesehen ist, dass Menschen nach Deutschland einwandern können, ohne bereits einen festen Arbeitsplatz vorweisen zu müssen, erläutert die Tagesschau zu den Regelungen. Für Angehörige aus Drittstaaten „mit gutem Potenzial“ soll es eine „Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche“ geben. Diese soll auf einem unbürokratischen Punktesystem basieren: Ob jemand also bleiben darf, um einen Job zu finden, soll anhand von Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnissen, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter entschieden werden. Bislang können lediglich Menschen mit akademischer Ausbildung uneingeschränkt auf Jobsuche in Deutschland gehen.
Seit März 2020 gibt es zudem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mit dem sich Menschen mit einer ausländischen Berufsausbildung sechs Monate lang in Deutschland aufhalten dürfen, um Arbeit zu finden. Dafür müssen jedoch mehrere Mindestkriterien erfüllt sein, was eine restriktive Wirkung habe.
Einbürgerung und Chancen-Aufenthaltsrecht
Weitere Pläne der Bundesregierung betreffen das „Chancen-Aufenthaltsrecht“. Danach sollen unter anderem Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet wurde, ein einjähriges Chancen-Aufenthaltsrecht erwerben können. Das Vorhaben gilt unter Fachleuten als umstritten, wie eine Anhörung am 28. November im Bundestag ergab. Der Paritätische Gesamtverband forderte beispielsweise Nachbesserungen, damit Kettenduldungen verhindert und die Integration von Menschen gefördert werden könne. Der DIHK erklärte, dass es für Firmen angesichts möglicher Abschiebungen ein großes Risiko darstelle, lediglich geduldete ausländische Fachkräfte einzustellen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zudem den Vorschlag eingebracht, dass man die deutsche Staatsbürgerschaft nach fünf statt acht Jahren erhalten solle. Diese Diskussion werde jedoch unabhängig von den Themen zum Chancen-Bleibe- bzw. Aufenthaltsrecht geführt, heißt es.
DIHK: Ausländerbehörden sollten „Welcome Center“ werden
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte die Regierungspläne insgesamt. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sprach sich in diesem Zusammenhang auch für eine Neuausrichtung der Ausländerbehörden und der deutschen Botschaften aus. Sie sollten „Welcome-Center“ werden, zitieren ihn Handelsblatt/dpa mit Verweis auf die Rheinische Post, es müsse leichter sein, Visa zu erhalten. „Sonst kommen die Leute nicht“, so Wollseifer. Im Handwerk seien derzeit 153.000 Stellen unbesetzt.
Digitalverband fordert Wegfall formeller Abschlüsse und Deutschkenntnisse
In der IT fehlen der deutschen Wirtschaft nach Angaben des Digitalverbandes Bitkom derzeit rund 137.000 Fachleute – „so viele wie nie zuvor“, erklärt Präsident Achim Berg. „Wenn künftig formelle Abschlüsse und nachgewiesene Deutschkenntnisse keine Voraussetzung für Einwanderung mehr sein sollen, könnten davon insbesondere IT-Berufe profitieren, in denen Qualifikationen häufig berufsbegleitend erworben und Arbeitssprache ohnehin Englisch ist“, gibt er zu bedenken. Dafür müsse das Standortmarketing Deutschlands seiner Ansicht nach auch auf den digitalen Kanälen optimiert werden. „Zudem müssen wir die Chancen der Digitalisierung auch im Einwanderungsprozess selbst nutzen, von der Visa-Vergabe über die Antragstellung bis zur – bundesweit einheitlichen – Anerkennung von Zeugnissen.“
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