Über fast alle Wirtschaftszweige hinweg gibt es geschlechtsbedingte Ungleichheiten. Vor allem in Bezug auf Arbeitszeit und Einkommen seien Frauen „in vielerlei Hinsicht benachteiligt“. Das ergab eine umfassende Erhebung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung anlässlich des Equal-Pay-Day und Internationalen Frauentags. Im Zuge der Untersuchung wurden Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit aus 2021 und 2022 ausgewertet. 

In 45 von 46 Branchen werden Frauen schlechter bezahlt als die männlichen Kollegen. Stand 2022 beträgt die sogenannte Gender Pay Gap, also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, in der Gesamtwirtschaft 18 Prozent: Männer verdienen branchenübergreifend im Schnitt 24,36 brutto pro Stunde – Frauen 20,05 Euro.

Vielen Dank für die Blumen? – Lohnunterschiede sind branchenabhängig

Die größten Lohnunterschiede gibt es bei der Rechts- und Steuerberatung sowie im Gesundheitswesen. Generell gebe es dem WSI zufolge zahlreiche Bereiche, die von männlichen Beschäftigten dominiert werden. In der Industrie liegt der Frauenanteil bei der Hälfte der für die Studie untersuchten Branchen unter 30 Prozent, vor allem im Maschinen- sowie Hoch- und Tiefbau oder bei der Bauinstallation. Lediglich in der Textilindustrie sind mehr Frauen beschäftigt, der Anteil beträgt 56 Prozent. Der größte Frauenanteil ist in Berufen im Gesundheitswesen (80 Prozent), im Sozialwesen (76 Prozent) sowie im Bereich Erziehung und Unterricht (72 Prozent) zu finden. Weiblich dominierte Branchen sind vor allem im Dienstleistungsbereich zu finden. 

Die Mehrheit der weiblichen Beschäftigten ist somit in Branchen mit vergleichsweise geringeren Verdiensten beschäftigt. Diese Tendenz untermauert auch eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken, über die die FAZ berichtet: Demnach arbeiten im Lebensmitteleinzelhandel, in der Floristik und in der Körperpflege über 80 Prozent Frauen, in der Gastronomie und in der Pflege liegt dieser Anteil bei 60 Prozent. Der durchschnittliche Lohn im Lebensmitteleinzelhandel, in der Gastronomie oder der Floristik liegt bei etwa 2.000 Euro brutto im Monat, in der Körperpflege nur bei etwa 1.700 Euro brutto.

Auch seien Frauen in den fünf Tätigkeiten mit der besten Bezahlung deutlich unterrepräsentiert, ausgenommen sie sind Ärztinnen. Nur 6,5 Prozent sind Flugzeugpilotinnen, 14,8 Prozent arbeiten als technische Forscherinnen.

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Führungskräfte sind mehrheitlich männlich – Frauen in Minijobs und Teilzeit

Die Verdienstunterschiede zeigen sich auch auf Führungsebene, wie aus der Antwort der Regierung weiter hervorgeht. Vorstandsmitglieder und Geschäftsführende werden im Schnitt überdurchschnittlich gut bezahlt, von ihnen sind nur 22 Prozent weiblich. In 26 von 34 Branchen, für die dazu Daten vorliegen, gibt es generell weniger weibliche als männliche Führungskräfte, zeigen auch die Analysen vom WSI. „Besonders ausgeprägt ist die Ungleichheit in dieser Hinsicht im Bereich Erziehung und Unterricht, wo 50 Prozent der Männer, aber nur 28 Prozent der Frauen eine Leitungsposition inne haben“, heißt es in der Mitteilung zu der Studie bei der Hans-Böckler-Stiftung. Andersherum ist das Verhältnis einzig im Personen- und Güterverkehr: Dort werden mehr leitende Positionen mit Frauen besetzt. 

Nach wie vor sind Frauen vor allem in Teilzeit beschäftigt, was – wie Untersuchungen in der Vergangenheit bereits zeigten – die Chance auf eine Führungsposition in der Regel schmälert – aber auch auf eine bessere Bezahlung in vergleichsweise gut entlohnten Branchen. Auch Minijobs werden überwiegend von Frauen ausgeführt – dies traf auf 26 von 35 Branchen zu. 

Verpflichtende Gleichstellung in der Wirtschaft?

Um die Situation zu verbessern, könne ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft helfen, empfehlen die Forschenden. Dies müsste die Unternehmen verpflichten, Gleichstellungsstrategien zu entwickeln sowie umzusetzen. Außerdem wäre ein Mindestlohn, von dem Frauen besonders profitieren würden, sowie die Stärkung ihrer Mitbestimmung Möglichkeiten, die Verdienstunterschiede zu reduzieren. 

Ferda Ataman, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, hat sich zudem aktuell für eine Reform des Entgelttransparenzgesetzes ausgesprochen. „Ungleicher Lohn ist per Gesetz Diskriminierung“, erklärte sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.  „Obwohl wir ein Entgelttransparenzgesetz haben, ist es für viele Frauen nach wie vor schwierig, Entgeltungleichheit konkret nachzuweisen. Das Auskunftsrecht im Entgelttransparenzgesetz gilt nur in größeren Unternehmen ab 200 Beschäftigten – und es hat zu viele Schlupflöcher“, führt sie aus. Auch in kleineren Betrieben sollte es ein solches Auskunftsrecht geben, fordert Ataman.