Von einem Personalmangel sind aktuell und je nach Untersuchung etwa die Hälfte bis hin zu vier von fünf Unternehmen betroffen. Bundes- und branchenweit blieben laut IW im Jahr 2022 über 630.000 Stellen vakant. Unterschiede gibt es aber je nach Branche. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) meldete jetzt aktuell ein neues Rekordhoch beim Bedarf an qualifizierten Fachkräften mit IT-Berufen: 2022 habe es bundesweit im Durchschnitt 67.924 offene Stellen im Bereich der Informationstechnik gegeben, das seien so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2010. Im letzten Jahr seien 27.136 potenziell Erwerbstätige mit einer IT-Qualifikation arbeitslos gewesen, die Zahl habe sich im vergangenen Jahrzehnt nur gering verändert.
Die generelle Entwicklung, dass in diesem Segment mehr Nachfrage als qualifizierte Arbeitskräfte existiert, gebe es seit 2015, heißt es in der Mitteilung zur Studie. Als Datengrundlage dienten für die Untersuchung u. a. amtliche Daten der Bundesagentur für Arbeit. Dies unterscheide die Werte beispielsweise von Erhebungen des Digitalverbands Bitkom, denen Unternehmensbefragungen zugrunde liegen: Im November des vergangenen Jahres wies Bitkom darauf hin, dass hierzulande fast doppelt so viele, nämlich 137.000 IT-Fachkräfte fehlen. Dass die Fachkräftelücke allerdings wieder größer geworden ist, darin ist man sich einig.
Mehr Lohn, längere Arbeitszeit?
Doch bei den Einschätzungen, wie man dem (generellen) Personalmangel, begegnen könne, gibt es unterschiedliche Ansätze: Laut Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, sei die Antwort auf einen Mangel bei hoher Nachfrage ein steigender Preis: „Gegen den Fachkräftemangel helfen höhere Löhne“, zitiert Heise den Wirtschaftsexperten mit Verweis auf einen Aufsatz, den dieser gemeinsam mit Simon Jäger vom Institut zur Zukunft der Arbeit verfasst hat. Das hätte zur Folge, dass zwar einige Firmen aus dem Markt ausscheiden, weil sie bei höheren Lohnkosten nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Aber: „Arbeitskräfte werden vermehrt dort eingesetzt, wo sie produktiver sind, und Löhne und Arbeitsbedingungen verbessern sich insbesondere dort, wo sie aus marktwirtschaftlicher Sicht zu niedrig waren“, schreiben sie. Und ist Produktivität hoch, können von den Unternehmen überhaupt höhere Einkommen bezahlt werden könnten, so die Einschätzung der Fachleute. Klingt nach Win-Win.
Andere Stimmen aus Wirtschaft und Forschung würden hingegen eine längere Arbeitszeit fordern, darunter etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm und Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, ist bei Heise weiter zu lesen. Die Rede sei von einer optionalen 42-Stunden-Arbeitswoche. Das erscheint angesichts von Berichten, dass es ohnehin schon Milliarden bzw. Millionen unbezahlte Überstunden gibt und eine hohe Arbeitsbelastung zu mehr Ausfällen führen, aus Sicht von Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften indes keine geeignete Lösung. Beide Ansätze funktionieren weder einzeln noch gemeinsam, wie dem Bericht nach wiederum andere Forscher des IW betonen.
Quereinstieg und Zuwanderung gegen den Personalmangel
Unerwähnt bleiben bei den von Heise zitierten Experten indes weitere Ansätze, die Autor:innen der eingangs erwähnten Kofa-Studie empfehlen: Sie setzen in der aktuellen Situation auf die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. Ansätze, um dies etwa auch gesetzlich zu erleichtern, werden aktuell noch diskutiert. Des Weiteren sei es erfolgversprechend, Quereinsteigern aus anderen Berufsgruppen und Aufsteigern von niedrigeren Qualifikationsniveaus eine Chance zu geben.
Seltener in der Debatte zum Fachkräftemangel finden indes Ansätze zur Arbeitszeitverkürzung. So soll die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich Tests, einigen Studien und Erfahrungsberichten zufolge zu einer höheren Produktivität in Firmen führen. Erfolg und Machbarkeit bleiben aber umstritten. Gesetzliche Regelungen sind hierzu aktuell nicht zu erwarten.
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Sprecht mal mit Leuten, die sich irgendwo bewerben - oder mit Personalvermittlern...
Was wirklich dazu führt, dass Unternehmen keine qualifizierten Mitarbeitenden finden, hängt auch viel damit zusammen:
- Sie bieten keine Teilzeitjobs an
- Sie bieten keine ortsunabhängige Arbeit an (obwohl es vielfach ginge)
- Sie nutzen immer noch überformalisier te Bewerbungsproze sse (Komplizierte Websitemasken / Formulare, Registrierungen etc.) statt E-Mailbewerbung
- Die Entscheidungspr ozesse dauern teilweise Wochen und gehen durch viele Hände in zig Iterationen.
- Mitarbeitende, die die Vorauswahlen treffen, haben z.T. keine Ahnung davon, was Bewerbende können und agieren mit "buchhalterisch er Präzision" auf Bewerbungen.
Also liebe Unternehmen, hört endlich auf die Schuld beim "Markt" oder in der Politik zu suchen und passt Euch den Realitäten an.
Bevor Unternehmen über "komplizierte Verwaltungsproz esse" in Behörden jammern, sollten sie oft erstmal vor ihrer eigenen Tür fegen. Da ist so manche Behörde mittlerweise "schlanker" aufgestellt, als viele Unternehmen bei ihren Einstellungspro zessen.
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