In den H&M-Filialen weltweit gibt es seit vielen Jahren weiße Boxen, in denen getragene oder nicht mehr benötigte Kleidung abgegeben werden kann. Im Gegenzug für diese Kleiderspende winkt das Unternehmen mit einem Rabattgutschein für den nächsten Einkauf. Die gebrauchte Ware werde sortiert und, soweit die Modeartikel noch tragbar sind, weiterverkauft, umgewandelt oder recycelt, erläutert Hennes & Mauritz auf der eigenen Webseite. Das Sammelsystem gibt es bereits seit 2013.
Doch wie investigative Recherchen der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet vergangene Woche zutage förderten, scheinen diese Versprechen nicht gänzlich zu greifen. Zu diesen Vorwürfen hat H&M nun aktuell Stellung bezogen. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass gute Ansätze und die Realität in der Modebranche noch nicht zusammenpassen.
Riesige Textilmüllberge im globalen Süden
In einem Praxisversuch hatten die Journalist:innen von Aftonbladet gebrauchte Kleidungsstücke – in gutem und teils neuwertigem Zustand – mit Ortungschips versehen und in verschiedenen Filialen des Modehändlers in Stockholm abgegeben. Das Ergebnis: Anders als von H&M auf der Webseite zunächst angegeben wurde, landeten die Waren nicht beim Partner I:Collect, sondern bei drei Sortierfirmen in Deutschland. Anschließend gingen nur zwei neuwertigen Stücke an Recycling- bzw. Weiterverwertungsanlagen. Andere Artikel mit gebrauchten Kleidungsstücken gelangten indes u. a. nach Rumänien und Indien, vornehmlich aber in afrikanische Länder, etwa nach Ghana und Benin. Sie waren offenbar zum Weiterverkauf vor Ort bestimmt. – und für ausgewählte Waren sei der Absatz auf lokalen Märkten auch möglich, doch etwa die Hälfte davon werde verbrannt oder weggeworfen, ergaben die Recherchen. Für die ansässige Bevölkerung sei die Menge aber viel zu hoch oder schlicht nicht zu gebrauchen.
Dies habe verheerenden Folgen: Neben den Emissionen durch Müllverbrennung verbleiben riesige Berge aus weggeworfener Kleidung, die teils auch in Flüssen und an Stränden eher schlecht als recht verrotten und so Ökosysteme zerstören, den Fischfang erschweren sowie zu Mikroplastik in den Gewässern und Meeren führen. Derlei Beobachtungen werden etwa auch von einer Untersuchung von Greenpeace zum Textilmüll in Ostafrika aus dem vergangenen Jahr gestützt. Ähnliche Verhältnisse gibt es in Südamerika, beispielsweise in der Atacama-Wüste in Chile, wie eine aktuelle ZDF-Reportage von Planet E eindrücklich dokumentiert.
Über solche die Risiken, die der Versand von Kleidung in arme Länder mit sich bringt, werde seitens der Modeunternehmen geschwiegen, heißt es im Bericht des schwedischen Magazins. Es wird aber auch infrage gestellt, inwiefern sie selbst tatsächlich einen Überblick darüber haben, was mit ihrer Kleidung.
Das sagt H&M zum Verbleib der Alttextilien
Auf Nachfrage sandte H&M ein Statement zu den aktuellen Recherchen, dass auch bereits an Aftonbladet ging. Darin heißt es: „Die H&M Group ist kategorisch dagegen, dass Kleidung zu Abfall wird, und dies steht im Widerspruch zu unserer Arbeit, eine kreislauforientierte Fashion-Industrie zu schaffen“. Man nehme die aktuellen Erkenntnisse sehr ernst, und betonte, dass sich die eigene Kundschaft darauf verlassen könne, „dass mit den Kleidungsstücken, die sie in unseren Kleidersammelboxen abgeben, verantwortungsvoll umgegangen wird“. Es seien sämtliche Kleidungsstücke bei Secondhand- oder Recyclingunternehmen gelandet, wie auch der Beitrag der schwedischen Tageszeitung auch gezeigt hätte, erläutert H&M weiter.
Mitte Februar dieses Jahres gab der schwedische Modehändler die Zusammenarbeit mit dem Recyclingunternehmen Remondis bekannt. Seit wenigen Monaten kümmere man sich im neu gegründeten Joint-Venture „Looper Textile Co.“ darum, noch im Laufe dieses Jahres etwa 40 Millionen Kleidungsstücke im Wirtschaftskreislauf zu behalten. Wie H&M weiter betont, habe eine eigene Untersuchung von Remondis ergeben, „dass die Kleidungsstücke bekannte und adäquate Partner erreicht haben.“ Dass man sich deshalb sicher sei, dass keine Kleidungsstücke weggeworfen werden, betonte auch H&M CEO Helena Helmersson im jüngsten Interview mit Aftonbladet. Sie erklärt weiter, dass man durch die Sortierung der Kleidung vor deren Export Verantwortung übernehme. Dies tue man bereits seit gut zehn Jahren, eben, weil man möglichst viele Warenströme unter Kontrolle haben wolle. Mit passender Technologie schaue man außerdem, dass das, was produziert werden, sich auch verkaufe. Problematisch sei, wie Helmersson einräumt, dass es in den Ländern keine Recycling-Programme gebe, weshalb sie sich für eine Gesetzgebung ausspricht, die solche Systeme vor Ort vorschreibt.
Dennoch: Aktuell wird Kleidung in die Regionen verschickt, die diese Systeme nicht haben. So will Aftonbladet mithilfe von Zolldaten zuvor ermittelt haben, dass Remondis und zwei weitere Partnerfirmen, die die Kleidung für H&M im Feldversuch sortierten, zwischen Januar und April insgesamt über eine Million Kleidungsstücke nach Ghana entsendet haben. Es bestehe auch ein Bedarf an Kleidung vor Ort, so Helmersson, die Partnerfirmen würden dafür sorgen, dass die Kleidung dahin gelange, wo dieser bestehe. Sie räumte ein, dass die aktuelle Überprüfung ein äußerst wichtiges Problem aufwerfe, das es gemeinsam zu lösen sei. Und es gebe bereits Lösungen, die es auszuweiten gelte.
Neue Vorschriften aus EU-Strategie für nachhaltige Textilien
Solche Lösungen wären beispielsweise kreislauffähige Mode oder auch die Verbesserung von Recycling-Verfahren. Daran wird bereits gearbeitet, etwa auch von H&M selbst, aber auch seitens der Gesetzgeber. Die EU hat im Frühjahr 2022 eine Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien auf den Weg gebracht: Bis 2030 sollen beispielsweise die in der EU auf den Markt gebrachten Textilerzeugnisse so hergestellt werden, dass soziale Rechte und Umweltschutz gewahrt sind. Mit einer Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie soll die Kleidung und Recyclingfähigkeit der Kleidung verbessert werden. Gleichsam gibt es Vorschläge dazu, dass Textilabfälle nur unter bestimmten Bedingungen ausgeführt werden dürfen.
Die H&M Group stehe den bevorstehenden EU-Verordnungen im Zusammenhang mit Abfall und Herstellerverantwortung für Textilien positiv gegenüber, wie das Unternehmen weiter mitteilte: „Wir sind seit langem im Dialog mit Politiker:innen zu diesem Thema, um ein nachhaltiges System für die gesamte Branche zu schaffen.“
In Bezug auf den Verbleib von gebrauchter Ware wird in der EU-Strategie bisher lediglich vage formuliert, dass sich die Kommission „für eine größere Transparenz und Nachhaltigkeit beim weltweiten Handel mit Textilabfällen und gebrauchten Textilien“ einsetze. Unter anderem soll für Abfälle und Gebrauchtwaren aus der EU die Rückverfolgbarkeit verbessert werden. Ob sich dies positiv auf die Reduktion etwa der Textilmüllberge in Ghana auswirken könnte, bleibt abzuwarten.
Fast Fashion – ist ein Wandel in Sicht?
Ebenfalls eine Lösung wäre es, insgesamt weniger zu produzieren und somit auch den Konsum zu drosseln. So könnten Label nicht etwa alle zwei Wochen, sondern vielleicht viermal pro Jahr neue Kollektionen herauszubringen. Darauf setzen Fair-Fashion-Anbieter. Die Entwicklung scheint zwiegespalten: Mode werde immer schneller, gleichzeitig sei Nachhaltigkeit immer stärker gefragt, meldete aktuell die Tagesschau mit Verweis auf Achim Berg, Experte für die Modebranche bei der Unternehmensberatung McKinsey und Greenpeace. Die Konsument:innen würden bereits etwas weniger kaufen: Laut einer Greenpeace-Studie gebe es den Trend, dass hierzulande im Schnitt weniger Kleidungsstücke im Schrank hängen: 2015 waren es im Schnitt 95 Teile, 2022 noch 87.
Zudem verlagere sich die Produktion bereits mehr nach Europa, um diese etwa u. a. angesichts von EU-Bestimmungen künftig besser kontrollieren zu können. Fast-Fashion-Labels hingegen täten dies laut dem McKinsey-Branchenexperten aus wirtschaftlichen Gründen: „Die Marken können so noch schneller neue Kollektionen in Läden bringen und Transport- und Lagerkosten sparen.“ Das könnte eher wieder zu mehr Textilmüll führen. Nachhaltigkeit spielt bei diesen Überlegungen offenkundig noch immer eine untergeordnete Rolle.
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Stattdessen werden bestenfalls Altkleider hier in Deutschland gesammelt und dann in arme Staaten geschafft, allen voran auf den afrikanischen Kontinent. Dort zerstören sie nachhaltig die lokale Textilindustrie . Denn selbstverständl ich können die lokalen Produzenten mit praktisch kostenlos den Markt überflutender Kleidung nicht mithalten. Es zerstört die Lebensgrundlage vieler Menschen, insbesondere der besonders armen. Und das nur, damit in Deutschland jemand ein vermeintlich gutes Gewissen hat.
Würden dagegen Altkleider, die entsorgt werden, wie aller andere Müll in Deutschland auch einfach in eine Müllverbrennung sanlage wandern, so würden sie dort Energie liefern und den Menschen in der Textilwirtschaf t in armen Ländern die Möglichkeit geben, ein kleines Einkommen zu generieren, um ihre Familien zu ernähren.
Deshalb kann ich nur hoffen, dass immer mehr Menschen in Deutschland, die ihre Kleidung entsorgen wollen, abgesehen von akuter und klar definierte Nothilfe ihre Altkleidung einfach in den Restmüll geben. Damit tun sie etwas für die Umwelt und vor allem nehmen sie nicht unwissentlich den ganz besonders Armen auf dieser Welt ihre Lebensgrundlage .
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