In den Vorständen der deutschen Unternehmen in DAX, MDAX und SDAX sind zum 1. Juli dieses Jahres 120 Frauen vertreten. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Anteil weiblicher Mitglieder in den Vorstandsetagen verdoppelt: 2020 saßen noch 58 Managerinnen in den Vorständen der 160 Top-Konzerne, meldet die Unternehmensberatung EY mit Verweis auf ihre halbjährliche Analyse zur Personalstruktur der deutschen DAX-Unternehmen.
In den großen DAX-Unternehmen sind knapp ein Viertel der Vorstandsmitglieder weiblich, seit 2016 hat die Mehrheit der Firmen überhaupt eine Frau im Vorstand. Erstmals gilt Letzteres nun auch für die mittelgroßen Konzerne, insgesamt liegt der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder im MDAX bei 17 Prozent. Bei den kleinen, DAX-notierten Unternehmen sind es hingegen nur 12 Prozent Frauen im Vorstand – der Anteil von Unternehmen mit Frauen in Vorständen im SDAX beträgt generell nur 39 Prozent.
Noch keine Gleichstellung in den Vorständen
Es sind damit mittlerweile so viele Frauen wie noch nie in den Top-Positionen dieser großen Firmen. Ein ähnliches Ergebnis ermittelte auch die Organisation Frauen in die Aufsichtsräte / Fidar.
Von einer Ausgewogenheit lässt sich deshalb aber nicht sprechen: Der Anteil von Frauen stieg zur Jahresmitte auf 17 Prozent. Demgegenüber sitzen derzeit 586 Männer in den Vorstandsgremien – das Verhältnis liegt damit bei eins zu fünf. Nach wie vor gibt es bei 42 Prozent der Top-Konzerne kein einziges weibliches Vorstandsmitglied, Frauen in dieser Position sind zudem oft allein in den Spitzenräten. Mindestens zwei weibliche Vorstandsmitglieder finden sich derzeit lediglich in jedem siebten Unternehmen (14 Prozent).
„Für Frauen ist der Weg in die Führungsspitze von Unternehmen auch heute noch häufig steinig“, kommentiert Ev Bangemann, Managing Partner Markets bei EY Deutschland. Dass sich dieses Verhältnis anpasse, „könnte und müsste deutlich schneller gehen“. Einen Grund, für Führungsaufgaben die Hälfte der Belegschaft nicht im Blick zu haben, gebe es 2023 nicht mehr, meint Bangemann.
Zumindest mit Blick auf die Neueinstellungen zeigt sich, dass dieser Gedanke auch immer öfter ins Bewusstsein der Konzerne rückt: 23 von 55 neu eingestellten Vorstandsmitgliedern sind weiblich. Demgegenüber räumten zehn Frauen und 35 Männer ihren Posten.
Wettbewerbsnachteile durch zu wenig Frauen im Vorstand
Den höchsten Frauenanteil gibt es derzeit in dem Bereich der Konsumgüter: 28 Prozent aller Vorstandsmitglieder sind in dieser Branche weiblich. Auf etwa ein Fünftel kommen jeweils die Bereiche Pharma, Telekommunikation, Finanzen und Transport oder Logistik. Mit 8 Prozent vergleichsweise gering ist der Anteil der Managerinnen in der Medienbranche, gefolgt von Energiekonzernen und im Tech-Bereich. In der Auto- und Immobilienbranche steigt der Anteil zudem nicht.
Die Karriere von Frauen zu fördern, sei indes angesichts der derzeitigen Personalsituation ratsam, so EY-Expertin Ev Bangemann: „Wer ambitionierten Managerinnen keine attraktiven Karriereangebote machen kann oder will, droht eben jene Mitarbeiterinnen zu verlieren.“ Firmen, die solche Stellen nur männlich besetzen, müssten „über kurz oder lang Wettbewerbsnachteile hinnehmen“, erklärt sie. „Es ist deshalb in ihrem ureigenen Interesse, eine offene Unternehmenskultur zu entwickeln, in der Vielfalt tatsächlich gelebt wird und kein Lippenbekenntnis ist. Wir sehen aber auch: Dieser Prozess gelingt nicht von heute auf morgen.“
Bundesfrauenministerin Lisa Paus betont in dem Zusammenhang die Relevanz von Frauenquoten: „Die gesetzlichen Vorgaben haben Erfolg, die festen Quoten für Aufsichtsräte und Vorstände wirken“, erläutert die Grünen-Politikerin laut ntv/dpa. „Um gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen durchzusetzen, müssen wir aber das gesamte Management in den Blick nehmen.“ Dass Frauen in Aufsichtsräten überdies die Profitabilität positiv beeinflussen, ergab erst kürzlich eine Untersuchung der Universität Tübingen. Demnach würden mehr weibliche Vorstandsmitglieder dazu beitragen, dass bessere Unternehmensentscheidungen getroffen werden.
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