Ich bin kein Fan des stationären Handels. Oder besser gesagt: kein Fan des stationären Handels mehr. Denn der Online-Handel hat mich mit seinen attraktiven Optionen und Angeboten so richtig schön verzogen! Und im Gegenzug dazu fehlen auf der Fläche mancherorts die Innovationen und Ideen, um dem E-Commerce ein Schnippchen zu schlagen. Neu ist diese Feststellung nicht. Allerdings drängt sie sich mit fortschreitender Digitalisierung des Lebensalltags fast unangenehm auf.

Der Umbruch fehlt – offensichtlicher kann es kaum sein

Der stationäre Handel leidet seit Jahren. Firmen gehen insolvent. Der Frust bei den alteingesessenen Stationärkräften ist groß. Doch statt den Konsumierenden große Umbrüche zu bieten, suhlen sich einige Firmen offenbar in ihrem Prozess des Ablebens und versuchen, mit kleineren Schönheitskuren einem Trend entgegenzuwirken, der sich allemal mit mutigen und revolutionären Großumbauten bekämpfen ließe. 

Eine Entkernung und Komplettsanierung der alten Stationärhasen muss her, stattdessen werden ein paar farbliche Nuancen gesetzt. – In ihren muffigen Hallen riecht es nach einer gewissen Lernresistenz. Doch leider lässt sich dieser Muff auch durch ein paar neue Schilder und Pinselstriche nicht übertünchen.

Ärger statt Desinteresse

Ich dachte eigentlich, dass ich emotional mit dem stationären Handel abgeschlossen hätte. Vor ein paar Jahren habe ich nach einem allzu frustrierenden Shopping-Trip in die Innenstadt mal einen etwas grantigen Kommentar über die fehlende Digitalisierung in Filialen geschrieben. Und doch bin ich erstaunlicherweise mehr pikiert als desinteressiert, dass sich auch nach Jahren an einigen Stellen rein gar nichts verändert zu haben scheint.

Während manche Unternehmen längst Selbstkassen installiert haben und/oder Einkaufs-Apps mit Schnell-Check-Out für den stationären Handel anbieten, während manche Click-and-Collect-Boxen für eine kontaktlose 24-Stunden-Abholung bestellter Waren zur Verfügung stellen oder interaktive Wände und Features mit erweiterter Realität (AR) anbieten, dümpelt der Handel in manch einem Retro-Kaufhaus noch immer verschlafen vor sich hin.

In einem solchen war ich aufgrund fehlender Zeit für einen Online-Kauf inklusive Versandzeit kürzlich unterwegs und die Verkettung unglücklicher Umstände hätte in einem Filmskript kaum absurder ausfallen können. 

Eine Schlange kurz vor der Eskalation

Kurz und knapp erzählt: Mein Wunschprodukt, eine gusseiserne Pfanne, war zwar aufgrund des Wegweisers schnell gefunden, doch nicht ausgepreist, sodass ich nicht wusste, wie viel genau ich für das fast vier Kilo schwere Küchenutensil hinblättern sollte. Fachpersonal war leider nicht zu finden, weder zur Beratung auf der Fläche noch an der Kasse. Infolge musste ich die Etage zum Bezahlen wechseln.

Dort erwartete mich eine Schlange gigantischen Ausmaßes. Sie war zwar nicht giftig, aber derart übellaunig, dass mir von Anfang an klar war, dass das hier ein längerer Aufenthalt werden würde. Pi mal Daumen 15 bis 20 Menschen waren es, die vor mir auf Abfertigung warteten und emotional zwischen Ermattung und sengender Wut einzugruppieren waren.

Mit weiterem Vorankommen wurde auch deutlich, weshalb eine menschliche Anakonda den Gang verstopfte: Zwar waren drei Fachkräfte am Kassentresen platziert, doch nur eine kümmerte sich tatsächlich um den Abbau und die Besänftigung der Schlange. Die zweite Fachkraft zählte mit resigniertem Blick auf die Kundinnen und Kunden Geld aus einer Kasse, die andere schien mit der Reklamation eines Produkts heillos überfordert. 

An den Rand des Beherrschbaren wurde die Laune der Schlange schließlich getrieben, als die Reklamations-Fachkraft die Abkassier-Fachkraft um Hilfe bat – und somit einige Minuten niemand mehr die Abfertigung des gemeinen menschlichen Reptils übernahm. Auch die Attitüde des Personals trug nicht gerade zur Deeskalation der Lage bei – wer sich genervt statt freundlich zeigt, sollte sich über die Folgen bewusst sein. 

Kaum Mehrwert, außer schnelle Verfügbarkeit

Eigentlich hätte man jedem Einzelnen einen kleinen Orden verleihen müssen, dass sie die Einkäufe nicht abgebrochen oder selbige zumindest nicht wutentbrannt um sich geworfen haben. Mit meiner 4-Kilo-Pfanne als Wurfobjekt wäre ich im Wettkampf sicher gut ausgestattet gewesen. 

Statt Lob und ein tröstendes Wort gab es von der kassierenden Kraft jedenfalls ein mauliges Gesicht und das war’s. Mein eisernes Wurfgeschoss habe ich dann bezahlt – übrigens war es deutlich teurer als im Online-Handel – und musste es – so verlangen es die Gesetze des alten Stationärhandels – schweiß­über­strömt durch Menschenmassen nach Hause tragen. Ja, ich weiß: Luxusprobleme und so …

Sterben auf Raten

Seither denke ich manchmal noch an die Stimmung der Wartenden und an die Erkenntnis, die mich wütend und traurig macht: An manchen Stellen scheint einfach der Wille zum Überleben zu fehlen. Offensichtlicher könnten die Bedarfe im stationären Handel nicht sein und dennoch fehlt die Komplettsanierung. Es bleibt ein Sterben auf Raten – denn gegen jene Unternehmen, die dabei sind, den stationären Handel bereits mit digitalen Erweiterungen zu einem Erlebnis zu machen, kommt man so definitiv nicht an.

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