Die Zeiten, in denen sich die deutschen Handelsunternehmen ausschließlich auf das Online- oder wahlweise das stationäre Geschäft fokussiert haben, sind offenkundig längst vorüber. Nicht zuletzt durch die Beschleunigung des Online-Geschäfts infolge der Corona-Pandemie setzen immer mehr Händler:innen auf verschiedene Einkaufskanäle. Diese Art des „hybriden Handels“, wohl besser bekannt unter dem Keyword Omnichannel, hat sich nun bei der Mehrheit durchgesetzt, ergab eine Studie des Digitalverbands Bitkom. Für diese wurden 503 Handelsunternehmen ab einer Größe von mindestens 10 Beschäftigten befragt.
Demnach bieten inzwischen 85 Prozent der deutschen Handelsunternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl online als auch stationär an – und damit immer mehr. Noch vor der Pandemie im Jahr 2019 lag dieser Anteil bei 66 Prozent, 2021 bei 77 Prozent. Nur online verkaufen fünf Prozent, dieser Wert hat sich in den vergangenen vier Jahren fast nicht geändert. Anders sieht es hingegen im stationären Verkauf aus: Nur noch acht Prozent setzten ausschließlich auf die eigenen Geschäfte vor Ort, 2019 waren es ein Viertel und 2021 noch 16 Prozent der Händler:innen.
Online-Handel zunehmend als wichtigster Kanal?
Auch der Anteil jener, die bereits beide Kanäle zum Verkauf nutzen und online anteilig mehr Erlöse erzielen, ist in diesem Jahr angestiegen – dies trifft inzwischen auf knapp ein Drittel (30 Prozent) der Unternehmen zu. „Die Corona-Pandemie hat dem Online-Handel einen deutlichen Schub verliehen und das Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden dauerhaft verändert“, erläutert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder zu den Ergebnissen. „Dieser Trend setzt sich nun fort, immer mehr Händler bauen Ihre Online-Aktivitäten aus – betreiben aber auch weiterhin das Geschäft vor Ort.“
Ebenfalls etwa drei von zehn Händler:innen können sich vorstellen, das lokale Geschäft ganz aufzugeben und gänzlich auf den Online-Handel umzusteigen. Eine totale Abkehr vom stationären Handel bedeute das nicht, nur etwa ein Achtel glaubt bislang, dass in diesem keine Zukunft liegt. Dennoch, so wie es jetzt ist, geht es offenbar auch nicht: Sieben von zehn Händler:innen sind der Ansicht, dass man sich im stationären Bereich neu erfinden müsse. Denn durch Technologien wie Augmented und Virtual Reality sowie künstliche Intelligenz würde das Online-Einkaufserlebnis zunehmend verbessert – und damit zur Konkurrenz. „Der stationäre Handel ist unter Zugzwang. Er ist nach wie vor ein wichtiges Standbein für die Unternehmen in Deutschland, braucht aber dringend innovative Ideen“, so Rohleder weiter. „Digitale Services können hier ein Baustein sein, um den stationären Handel für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv zu halten und die Vorteile aus beiden Vertriebswegen zu verbinden.“
Künstliche Intelligenz, autonome Lieferung und virtuelle Shoppingwelten bestimmen den Handel von morgen
WLAN, Click&Collect sowie mobile Bezahlung – die Digitalisierung wird im stationären Handel bereits vielfach vorangetrieben. Auch digitale Preisschilder oder auch besondere Checkout-Lösungen beim Einkauf finden immer öfter Einsatz. Im gesamten Handel wird zudem in verschiedenen Bereichen viel Potenzial für KI-Technologie gesehen, sei es bei der Textgenerierung, im Bestandsmanagement oder für personalisierte Empfehlungen. Auch in Kundenservice und Kundenkommunikation gebe es für sieben von zehn Befragten Möglichkeiten für den KI-Einsatz.
Weitere Zukunftstechnologien sind bereits auf dem Vormarsch. So könnte man der Umfrage zufolge im Jahr 2030 stationär bereits gänzlich ohne Kassensysteme auskommen – die Bezahlung erfolgt einfach automatisch beim Verlassen des Geschäfts. Jede:r Zweite glaubt, dass virtuelle Shoppingwelten weit verbreitet sein werden und an geöffnete Läden rund um die Uhr. Ebenfalls die Hälfte rechnet damit, dass es zum Usus gehört, dass eine KI aufgebrauchte Produkte im Haushalt erkennt und diese ohne Zutun nachbestellt.
Ob es wirklich so kommt, bleibt abzuwarten. Mehr als zwei Drittel der Firmen empfinden sich als Nachzügler in Bereich der Digitalisierung, drei Prozent hätten den Anschluss ihrer Ansicht nach bereits verpasst. „Wer Rechnungen noch ausschließlich auf Papier verschickt, wird es auch schwer haben, zum Beispiel virtuelle Shoppingwelten oder KI-gestützte Bestellvorgänge einzubinden“, meint Rohleder. Sogar im vermeintlich hoch digitalisierten Online-Handel werden noch immer von 63 Prozent der Handelsunternehmen eine Bestellung per Fax und von 57 Prozent per Telefon oder Post angeboten.
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