Nach wie vor gibt es sie nicht – eine faire Bezahlung und Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt. So sagt die Mehrheit erwerbstätiger Frauen (57 Prozent), dass sie sich nicht ausreichend bezahlt fühlen, wie der „Work needs Women Report“ des Jobportals Indeed und des Meinungsforschungsunternehmens YouGov ergab. Für diesen wurden weltweit mehr als 14.000 arbeitstätige Frauen in elf Ländern zur Vergütungssituation und Chancengleichheit befragt – unter anderem in Deutschland, den USA, Frankreich, Indien oder Japan. Die Ergebnisse sind ernüchternd. 

So bald wird sich an dieser Situation hierzulande auch nichts ändern. Das jedenfalls erwartet jede zweite Umfrageteilnehmerin. Eine Bezahlung auf demselben Niveau wie männliche Kollegen sei ihrer Auffassung nach erst in 50 Jahren realistisch. Es gibt viel zu tun – gerade auch mit Blick auf die aktuelle Fachkräftesituation.

Gleiche Bezahlung? – Immer noch Fehlanzeige

Frauen verdienen eigentlich „nur“ sechs Prozent weniger als Männer – diesen Wert der sogenannten bereinigten Gender Pay Gap ermittelte jüngst das Statistische Bundesamt (Destatis). Doch zum einen es deutliche regionale Unterschiede, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mitteilt, und es scheint auch nicht auf alle Altersgruppen zuzutreffen. Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren nehmen die Einkommensunterschiede nämlich besonders deutlich wahrnehmen: „Wir beobachten eine Generation junger Frauen, die mit dem Bewusstsein einer geschlechterungerechten Bezahlung aufgewachsen ist“, kommentiert Ute Neher, Arbeitsmarktexpertin bei Indeed, laut dpa/Wirtschaftswoche zum „Work needs Women Report“. 

Und zum anderen ist dieser statistische Wert nicht aussagekräftig genug. Die Statistikbehörde ermittelt deshalb zusätzlich die Messgröße „Gender Gap Arbeitsmarkt“, die neben dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst die Anzahl der bezahlten Arbeitsstunden im Monat und die Erwerbstätigenquote berücksichtigt. Denn: Phasen der Teilzeitarbeit oder Zeiten ohne Erwerbstätigkeit wirken sich langfristig auf den Verdienst aus. Daraus ergibt sich ein deutlich größerer Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen. Der Wert beträgt – unverändert zum Vorjahr – 39 Prozent. Zu den Hauptursachen für diese „erweiterte Verdienstungleichheit“ zählt neben niedrigeren Stundenverdiensten auch die geringere Arbeitszeit von Frauen, erklärt Destatis. 

Benachteiligungen von Frauen gibt es weltweit – auch deshalb, weil Frauen im Schnitt nur 64 Prozent der Rechte genießen, die Männer haben. In der Praxis seien es noch weniger, wie dem Spiegel zufolge jüngst die Weltbank ermittelte. Dabei könnte die Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Beschäftigung und Unternehmertum dazu führen, dass das globale Bruttoinlandsprodukt um mehr als 20 Prozent gesteigert und die globale Wachstumsrate in den nächsten zehn Jahren verdoppelt wird. 

Frauen an den Herd? – Vorurteile und alte Rollenbilder sind das größte Problem

Dass sich an den ungleichen Verhältnissen wenig tut, ist nicht bloß eine Wahrnehmung, sondern lässt sich auch statistisch belegen. Die erweiterte Verdienstungleichheit hat in den vergangenen Jahren zwar etwas abgenommen – aber nur um sechs Prozent.

Das hat verschiedene Ursachen. Etwa einem Drittel der Frauen fehlt laut dem Indeed-Report zufolge schlicht das Selbstvertrauen, mehr einzufordern. Knapp einem Viertel geht es bei Wünschen nach einer Beförderung so ähnlich. Die Hälfte denkt, Männer haben die besseren Karrierechancen. Denn: Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen stellen derzeit für jede zweite erwerbstätige Frau das größte Karrierehindernis dar. Diese oft unbezahlte Care-Arbeit übernehmen größtenteils immer noch Frauen. Solche Rollenklischees, aber auch Sexismus und Vorurteile seien ein Problem, bestätigen 40 Prozent der befragten Frauen. Jede vierte Frau wurde am Arbeitsplatz schon belästigt. Auch die psychische Belastung geben 46 Prozent der Befragten als Herausforderung im Job an – und mehr als die Hälfte der Frauen empfand es als unangenehm, das an den Vorgesetzten zu berichten.

Das können Unternehmen für Gleichberechtigung tun

Neben der Politik können Betriebe dazu beitragen, für mehr Chancengleichheit zu sorgen und so auch Pluspunkte sammeln, um Fachkräfte zu binden: „Wir brauchen mehr Transparenz bei Gehältern und eine konsequente Umsetzung von Gesetzen zur Entgeltgleichheit“, fordert etwa Ute Neher von Indeed. Sie sieht aber auch Frauen selbst in der Verantwortung. „Zum anderen liegt es an jeder einzelnen Frau, sich für eine gerechte Bezahlung einzusetzen.“ In diesem Zusammenhang hilft Empowerment, also einerseits die Unterstützung im Kampf für gleiche Bezahlung und Chancen, andererseits „die Stärkung des Selbstbewusstseins und das Überwinden von Grenzen, die sich viele Frauen aus Furcht, gesellschaftlichen Normen nicht zu entsprechen, selbst gesteckt haben“, bringt es das Portal woman.at auf den Punkt. Und auch da können Unternehmen viel tun, indem sie ihre Stellenanzeigen kritischer hinterfragen oder auch Räume bzw. Mentoring-Programme schaffen, durch die Frauen gezielt gefördert werden. Arbeitgeber:innen sollten nicht darauf warten, dass Frauen von selbst Gehaltserhöhungen oder Beförderungen ansprechen, sondern sie generell auf demselben Niveau vergüten und in gleiche Positionen bringen wie die männlichen Kollegen. Mit Blick auf Beförderungen kann die Führungsebene auch aktiver auf sie zugehen.

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On top hilft alles, was beispielsweise bei der Kinderbetreuung oder Pflege entlastet. So sollten Unternehmen etwa auch Vätern lange Elternzeiten anbieten – und zwar ganz selbstverständlich. In politischer Hinsicht versucht man hier bereits, neue Wege zu gehen und nur noch einen Monat lang eine gemeinsame Elternzeit zu gewähren: „Mit der Regelung soll eine langfristig partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit beider Elternteile gefördert werden. Väter sollen darin bestärkt werden Elterngeldmonate abwechselnd mit der Partnerin zu beziehen. Dies ist auch aus gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten sinnvoll“, sagte ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums MDR Aktuell. Ob das in der Praxis funktionieren wird, bleibt noch abzuwarten.

Ein Schritt in die richtige Richtung dürfte bereits die Entwicklung sein, dass Frauen auch mit Teilzeitstellen inzwischen etwas häufiger Führungsverantwortung übernehmen: Knapp drei Viertel der Führungskräftestellen in Teilzeit – und damit die Mehrheit haben Frauen inne, wie eine aktuelle Analyse des IW Köln mit Daten aus dem Jahr 2020 zeigt. Es gibt aber Luft nach oben: So arbeiten im Verhältnis mehr Frauen in einer Führungsposition in Teilzeit (27,7 Prozent) als Männer (4,9 Prozent). Und ohnehin ist der Anteil an Frauen in Führungspositionen – laut IW – mit einem Drittel nicht ausgeglichen.

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Artikelbild: http://www.depositphotos.com