Großbritannien ist der größte E-Commerce-Markt Europas, doch der mögliche Austritt aus der EU, der Brexit, hängt wie ein Damoklesschwert darüber. Die für Online-Händler so wichtigen Importe und Exporte würden zunächst deutlich erschwert. Eine Analyse geht von einem Kostenanstieg für Online-Shopper um bis zu 15 Prozent aus.
(Bildquelle Brexit: dc975 via Shutterstock)
Eine Übersicht über den britischen E-Commerce-Markt ist derzeit untrennbar mit einer Wortschöpfung verknüpft: Brexit. Am 23. Juni stimmen die Briten darüber ab, ob das Land in der EU bleibt oder nicht. Beide Lager liegen eng beieinander, doch zuletzt erhielt das Leave-Lager gleich in mehrfacher Hinsicht Aufwind. Aktuelle Umfragen sehen die Befürworter eines Austritts vorn. Nicht ganz unschuldig daran dürfte das Boulevardblatt „The Sun“ sein, das sich kürzlich ganz offiziell gegen einen Verbleib in der Europäischen Union aussprach:
So we've done a page 1 leader tomorrow in @TheSun pic.twitter.com/iAOuxhJVHR
— Tony Gallagher (@tonygallagher) 13. Juni 2016
Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist das Meinungsgewicht prominenter Briten wie etwa John Cleese, der sich ebenfalls für einen Austritt positioniert hat:
If I thought there was any chance of major reform in the EU,I'd vote to stay in.But there isn't.Sad.Sorry,Paddy.
— John Cleese (@JohnCleese) 11. Juni 2016
Brexit: Wirtschaftliche Zerreißprobe
Schon jetzt macht sich das Thema an der Börse bemerkbar, obwohl eigentlich noch gar nichts passiert ist. Die Unsicherheit, ob Großbritannien nun geht oder bleibt, hat dafür gesorgt, dass das britische Pfund unter 1,40 US-Dollar gefallen ist. So schwach war die Währung zuletzt Mitte der 80er Jahre. Unsicherheit beschreibt denn auch die Argumentationskultur der Debatte. Brexit-Befürworter würden sich über das Wegfallen der Mitgliedsbeiträge an die EU freuen. Großbritannien zahlte allein zwischen 2007 und 2012 78 Milliarden Euro ein, erhielt im Gegenzug aber nur 37 Milliarden Euro. Zudem treibt sie die Furcht vor den Freizügigkeitsgesetzen der EU: Der Zuzug aus dem Osten und dem Süden wird von Brexit-Befürwortern kritisch gesehen.
Die Brexit-Gegner gehen davon aus, dass sich das durchschnittliche Einkommen verringern würde und das Brutto-Inlands-Produkt sinkt. Zudem prophezeit der britische Gewerkschaftsbund den Verlust von bis zu vier Millionen Arbeitsplätzen. Ungefähr 50 EU-Freihandelsverträge mit Drittstaaten würden nichtig, die alle neu verhandelt werden müssten. Logistikprozesse und Transportzeiten würden sich verlängern, Zollkontrollen müssten wieder eingeführt werden. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind in jedem Fall sehr greifbar und für den E-Commerce wäre ein Brexit ein sehr unschönes Szenario.
E-Commerce-Markt: Angst um Wettbewerbsfähigkeit
Die britischen Online-Händler sind mehrheitlich gegen einen Austritt aus der EU, da er mit massiven Hürden verbunden wäre. Der Export würde eingeschränkt, Exportzölle und schwierigere Ausfuhrbedingungen könnten den Absatz im europäischen Binnenmarkt beeinträchtigen – gerade kleinere und mittlere E-Commerce-Unternehmen müssten um ihre Wettbewerbsfähigkeit bangen. In einer Brexit-Analyse kommt das Berliner E-Commerce-Unternehmen Visual Meta GmbH zum Ergebnis, dass je nach Produktkategorie ein Kostenanstieg von 2 bis 15 Prozent für Online-Shopper realistisch wäre. Die Argumente, online im Vereinten Königreich einzukaufen, würden damit eher weniger werden.
Großbritannien ist E-Commerce-Europameister
Dabei sind die Briten, wenn sie sich auch im Fußball bei großen Turnieren schwer tun, im E-Commerce längst Europameister. „In UK ist der E-Commerce durch die frühe Adaption durch den englischen Einzelhandel bereits weiter entwickelt als in Deutschland“, so Arne Vogt, Gründer und Geschäftsführer von Artavo gegenüber E-Commerce News. Click & Collect oder Same Day Delivery sind auf der Insel längst keine Neuheiten mehr, wie selbstverständlich wird mit der Kreditkarte bezahlt. Das deckt sich auch mit den Zahlen, die der E-Commerce-Report von Ecommerce Europe und der Ecommerce Foundation preisgibt.
Mit einem E-Commerce-Umsatz von 157 Milliarden Euro im Jahr 2015 ist Großbritannien unangefochtener Spitzenreiter in Europa. Für das laufende Jahr werden 173 Milliarden Euro erwartet. Die Wachstumsrate ist zwar in den vergangenen fünf Jahren von 16 auf 11 Prozent gesunken, vor allem aber, weil die Wachstumspotenziale an der Spitze nun einmal geringer werden. 43,4 Millionen Briten, also 81 Prozent der Bevölkerung, shoppen bereits online. Der Anteil des E-Commerce am Einzelhandel beträgt 20,9 Prozent, der Anteil am gesamtbritischen Bruttoinlandsprodukt 6,1 Prozent (2015) – ebenfalls europäische Spitze.
E-Commerce boomt in Großbritannien, auch Cross-Border E-Commerce, immerhin wurden 2015 20 Prozent der Online-Einkäufe außerhalb Großbritanniens getätigt. 2013 waren es noch 14 Prozent. Dieses Wachstum dürfte durch einen Brexit eingebremst werden. Am 23. Juni werden wir wissen, ob Großbritannien die EU verlässt oder nicht. Die tatsächlichen Auswirkungen auf den E-Commerce wird man aber wohl erst in einigen Monaten und Jahren spüren.
© Ecommerce Foundation
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hat es auch damit zu tun, dass viele Länder darin sind, die schlecht dastehen.
Warum man diese in die EU gelassen hat, ist mir bis heute ein Rätsel?
Frau Irene Voegelin
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Und da in GB sowieso alles billiger ist, machen die hier die Preise kaputt, sodaß ich nicht mithalten kann. Und tschüß......... ..............
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woher kommt diese Panik? Die Schweiz ist ebenfalls ein wunderbarer E-Commerce Markt außerhalb der EU.
Hier wird undifferenziert mit Pauschal-Aussag en Panik betrieben. Warum sollte es innerhalb der WTO plötzlich Export-Zölle geben?
Mfg
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