2014 hieß es, dass durch den Online-Handel bis 2020 rund 45.000 stationäre Händler ihre Tore schließen müssen. Nun rudert das Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln zurück. Das Ladensterben gehe nicht so schnell voran, wie man befürchtet habe. Doch Entwarnung wolle man nicht geben.
„Das Ladensterben wird zunächst geringer ausfallen. Denn der Einzelhandel hat in den vergangenen Jahren von einer ungewöhnlich guten Nachfrageentwicklung profitiert.“ – resümiert Boris Hedde vom Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln. Mit diesem Statement relativiert Hedde die 2014 getroffene Aussage, dass bis 2020 rund 45.000 stationäre Händler zur Aufgabe ihrer Läden gezwungen werden. Das hätte das Ende von jedem zehnten Laden in Deutschland bedeutet. Dass es aber so weit kommt, steht für das IFH außer Frage – nur verzögere sich die Entwicklung. Entwarnung wolle man deswegen nicht geben.
Hintergrund der neu getroffenen Aussage ist eine aktuelle Umfrage des IFH unter fast 60.000 Innenstadtbesuchern. Nach Angaben des Business Insiders, die sich auf eine dpa-Meldung beziehen, erklärte fast jeder fünfte Befragte, dass er seltener in die Innenstadt gehe, da ein Großteil der Einkäufe online stattfindet. Auch der HDE, der eine Umfrage unter stationären Händlern durchgeführt hat, berichtet von sinkenden Besucherzahlen. Dennoch kommen immer noch mehr Kunden in die Innenstädte als noch vor zwei Jahren prognostiziert wurde.
Rückbau von Fußgängerzonen muss in Betracht gezogen werden
Dennoch wird es nach Ansicht von Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein dazu kommen, dass immer mehr Innenstädte aussterbe, da diese sich nicht um neue Modelle kümmern und für die Kunden wenig attraktiv sind. Der IFH fand bei seiner Befragung heraus, dass die Verbraucher die Attraktivität der Stadtzentren durchschnittlich gerade einmal mit der Schulnote drei plus bewerten. Auch Hedde sieht dies kritisch: „Mit einer drei plus als Schulnote können Städte, die sich für die Zukunft aufstellen möchten, nicht zufrieden sein.“ Kein Wunder also, dass die Kunden ins Netz abwandern. „Und das ist eine Einbahnstraße - die kommen nicht mehr zurück“, urteilt der Handelsexperte Gerrit Heinemann.
Doch wie können Innenstädte ihre Attraktivität wieder steigern? Laut IFH-Studie sind den Befragten vor allem Ambiente und Flair der Stadt wichtig. Neben grünen Plätzen und historischen Häuserzeilen punkten Städte jedoch vor allem mit Vielfalt und Individualität beim Einzelhandelsangebot. „Es reicht nicht, die immer gleichen Filialketten zu haben“, erklärt Hedde. „Der Einheitsbrei hat in Zukunft keine Chance.“ Ähnlich sieht es auch Heinemann. Er kommentiert: „Jede Stadt hat heute den Anspruch Einkaufsstadt zu sein. Aber das wir in Zukunft nicht mehr funktionieren. Manche Kommunen werden besser daran tun, eine schöne Schlafstadt, als eine hässliche Einkaufsstadt zu sein.“ Zudem sollten sich Städte damit anfreunden, dass auch der Rückbau von Fußgängerzonen zu normalen Straßen kein Tabu mehr sein dürfe. Trotz zunehmendem Leerstand bleiben die Fußgängerzonen, dabei wäre es nach Heinemanns Ansicht besser, „die Straßen wieder für den Autoverkehr zu öffnen und so mehr Frequenz zu schaffen.“
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