Die Reformierung des europäischen Mehrwertsteuersystems, die die EU-Kommission anregt, stößt auf weitgehend positive Rückmeldungen. Wir haben nachgefragt.
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Am vergangenen Donnerstag hat die EU-Kommission nicht nur Amazon zu einer Steuernachzahlung von 250 Millionen Euro verurteilt, sondern auch Vorschläge für eine Reform des Mehrwertsteuersystems vorgelegt. Mit den möglichen neuen Regelungen würde man Mehreinnahmen von 40 Milliarden Euro generieren und Steuerbetrug erheblich reduzieren, so die Kommission. „25 Jahre nach der Schaffung des Binnenmarktes sehen sich Unternehmen und Bürger, die grenzüberschreitenden Geschäften nachgehen möchten, noch immer 28 unterschiedlichen Mehrwertsteuersystemen gegenüber“, sagte EU-Kommissar Pierre Moscovici.
Die Kommission musste sich allerdings auch leise Kritik gefallen lassen, nicht unbedingt an den Inhalten, wohl aber an der Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung und Umsetzung. Die Christdemokraten im Europaparlament äußerten etwa gegenüber Spiegel Online: „Die Kommission hat 2016 für das Jahr 2017 ein neues Gesetz versprochen, aber nun ist es nur eine weitere Ankündigung.“
„Schritt in die richtige Richtung“
Inhaltlich aber, da sind sich die Beteiligten einig, sind die Vorschläge richtig. Dr. Carsten Block, Chief Product Owner von Lexoffice, hält die Reform für überfällig: „In den letzten Jahren sind z. B. mit dem Mini One Stop Shop-Verfahren Zusatzregelungen entstanden, die in der Praxis zu immer mehr Komplexität in der Rechnungsstellung und Buchhaltung im grenzüberschreitenden Handel geführt haben.“ Auch als Software-Hersteller sei es etwa immer schwieriger geworden, die rechtlichen Vorgaben in einfach verständliche und leicht zu bedienende Benutzeroberflächen zu übersetzen. „Insofern sind eine europaweit einheitliche Regulierung sowie möglichst nur einziges zentrales MwSt-Meldeverfahren wichtige Schritte, um grenzüberschreitenden Handel insbesondere auch für kleine und mittelständische Unternehmen durch die Verringerung der damit verbundenen Bürokratie attraktiver zu machen“, so Block weiter.
Alexander Gansel von DutyPay schlägt in eine ähnliche Kerbe, sieht die Probleme aber eher im B2B-Handel: „Wir begrüßen die Vorschläge der Kommission, die Regeln und die Prozesse zur Abgabe und Zahlung der Umsatzsteuer zu vereinfachen. Das Handelsvolumen im Cross-Border Trade hat in den vergangenen Jahren rasant zugenommen und damit leider auch der grenzüberschreitende Steuerbetrug. Hierbei handelt es sich aber zum Großteil um Steuerbetrug durch die Anwendung des sogenannten Umsatzsteuerkarussels (B2B)“.
Im B2C-Bereich dagegen sind für Gansel in den letzten Jahren bereits einige richtige Regelungen auf den Weg gebracht worden: „Der Steuerbetrug durch den Versandhandel mit Endkunden (B2C) ist aus unserer Sicht sehr eingeschränkt. Versäumte Steuerzahlungen im Ausland aufgrund von Lieferschwellenüberschreitungen werden zunehmend durch Steuerprüfungen und Anfragen aus dem Ausland aufgedeckt. Auch der Verkauf auf Marktplätzen innerhalb der EU wird durch die Pflichtangabe der jeweiligen Steuernummern zunehmend erschwert. Dies betrifft sowohl Unternehmen aus der EU sowie aus Drittländern wie z. B. China oder die USA.“
Bis mögliche Änderungen in Kraft treten, wird es so oder so noch eine Weile dauern. Der Vorschlag wird nun zunächst zur Zustimmung an die Mitgliedsstaaten und zur Beratung an das Europäische Parlament gesendet. Die 28 Finanzminister begutachten den Vorschlag am heutigen Dienstag erstmals. Erst im kommenden Jahr wird dann ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der die „VAT Directive“, die Mehrwertsteuerrichtlinie der EU, erweitern soll.
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