In Brüssel arbeitet der Industrieausschuss des EU-Parlaments an einer Neustrukturierung des europäischen Telekommunikationsmarktes. In den nächsten Wochen wird sich dadurch entscheiden, ob wir in Deutschland ein Zwei-Klassen-Internet bekommen werden.
(Bildquelle Internet: Vladru via Shutterstock)
Die Europäische Kommission arbeitet im Moment an einer Neustrukturierung des europäischen Telekommunikationsmarktes. Obwohl von der Öffentlichkeit nur wenig beachtet, könnte in diesen Wochen das Internet von Brüssel aus grundlegend verändert werden. Im schlimmsten Fall könnte die sogenannte Netzneutralität ausgehebelt und ein Zwei-Klassen-Internet geschaffen werden. Das würde vor allem kleine Gewerbetreibende im Internet gegenüber großen Konzernen benachteiligen.
Netzneutralität sorgt für Gleichbehandlung
Als grundlegendes Prinzip des Internets, sorgt die Netzneutralität bislang für die Gleichbehandlung aller Internetnutzer: „Unabhängig von Absender, Empfänger oder Inhalt werden sämtliche Daten stets nach der Reihenfolge ihres Eintreffens in gleicher Qualität und gleicher Geschwindigkeit von den Providern weitergeleitet. Es gibt danach also keine Daten, Dienste oder Nutzer erster und zweiter Klasse, keine wichtigen und weniger wichtigen Inhalte“, erklärt der Berliner Verein Digitale Gesellschaft e.V.
Das könnte sich künftig mit dem geplanten Entwurf der EU ändern. Denn er könnte Internetprovidern erlauben, den Datenverkehr ihrer Kunden zu analysieren und darüber zu entscheiden, welche Inhalte und Dienste in welcher Qualität von den Nutzern empfangen werden könnten. „Die Daten finanzstarker Unternehmen leiten die Provider gegen entsprechendes Entgelt auf einer extraschnellen Überholspur bevorzugt zu denjenigen Kunden durch, die bereit sind, für diesen Service zusätzlich zu zahlen“, so der Verein Digitale Gesellschaft.
Schnellere Datenübertragung für ausgewählte Online-Shops
Konkret könnte das heißen, dass zum Beispiel Streaming-Dienste wie Netflix oder Youtube eine schnellere Datenübertragung von den Internetprovidern garantiert bekämen. Kleine StartUps, die sich auch auf Video-On-Demand-Dienste spezialisiert haben, würden dadurch von Anfang an benachteiligt werden.
Ähnlich ließe sich ein Verschwinden der Netzneutralität auch auf den Online-Handel übertragen. Große und marktführende Online-Händler könnten mit den Internetprovidern spezielle Verträge aushandeln und so einen klaren Marktvorteil gegenüber dem Rest der Branche erlangen. So wäre zum Beispiel folgendes Szenario denkbar: Studien belegen, dass Verbraucher im Online-Shop vor dem Abschluss eines Kaufs abspringen, wenn ihnen der Prozess zu lange dauert. Gäbe es nun einen Online-Shop, von dem die Verbraucher wüssten, dass der Einkauf dort dank der besonderen Datenübertragung immer schneller abgeschlossen werden kann, als bei der Konkurrenz, hätte dieser einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Zuständig für die Erarbeitung des sogenannten „Entwurf über einen gemeinsamen Markt in der elektronischen Kommunikation“ ist der Industrieausschuss des EU-Parlaments. Dieser entscheidet in diesen Wochen darüber, ob wir künftig ein Zwei-Klassen-Internet bekommen. Im April wird der Entwurf dem EU-Parlament vorgelegt, das dann darüber abstimmen wird.
USA hebelt Netzneutralität bereits aus
In den USA ist man beim Aushebeln der Netzneutralität schon einen Schritt weiter. So hat der US-Streaming-Anbieter Netflix tatsächlich schon einen exklusiven Vertrag mit dem Internetprovider Comcast abgeschlossen. Der Vertrag sichert dem Streaming-Anbieter eine exklusive Bandbreite und damit einen klaren Marktvorteil zu.
Die Deutsche Telekom hatte bereits im vergangenen Jahr versucht, ein Zwei-Klassen-Internet in Deutschland zu schaffen. Damals wollte das Unternehmen die Übertragungsgeschwindigkeit für den Internetzugang ihrer Kunden in verschiedene Kategorien einteilen und entsprechende Kosten dafür veranschlagen. Das Landgericht Köln untersagte im vergangenen Oktober mit einem Urteil allerdings die „Drosselpläne“ der Telekom.
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