Auf der diesjährigen JTL-Connect konnten wir mit dem noch recht frischen CEO des deutschen Technologieunternehmens, Sebastian Evers, sprechen. Neben der Frage nach den Hintergründen zur jüngsten Preisanpassung verrät Evers dabei auch, wie sich der Software-Anbieter für Lösungen rund um den E-Commerce auf kommende Regularien wie die Produktsicherheitsverordnung (GPSR), die Pflicht zur Barrierefreiheit sowie zur E-Rechnung vorbereitet. 

Veranstaltungen bietet Kontakt auf Augenhöhe

OnlinehändlerNews: Endlich wieder JTL-Connect! Bist du zufrieden mit dem Event und was ist dein bisheriges Highlight?

Sebastian Evers: Bisher bin ich extrem begeistert! Zwar stehen wir stets im Austausch mit unserer Community, auf der JTL-Connect taucht man jedoch noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise hinein. Hier haben wir nicht nur die Möglichkeit, mit Servicepartnern auf Augenhöhe zu sprechen, sondern auch direktes Feedback von Kunden entgegenzunehmen. Und das ist ja auch die Idee hinter der Connect. 

Kleine Händler sollen weiterhin gemeinsam mit JTL wachsen können

Die jüngsten Preisanpassungen bei JTL stießen vielen Online-Händler:innen negativ auf. Welche zusätzlichen Mehrwerte und Funktionen bietet JTL, um die Erhöhungen zu rechtfertigen?

Ich bin seit Mai 2024 CEO bei JTL. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits die Konzepte für unsere neuen Editionen. Ich muss zugeben, dass ich anfangs echt verwundert war, dass es nach der Umstellung weiterhin kostenlose Editionen geben sollte. Denn bisher kannte ich so etwas aus dem B2B-Software-Markt ganz anders. Abgesehen von kostenfreien Testzeiträumen ist dauerhaft kostenfreie Software im ERP-Segment eher selten.

Genau dieser Aspekt war und bleibt jedoch Bestandteil der JTL-Philosophie: Kleinen Händlern soll ermöglicht werden, erst einmal kostenlos in den E-Commerce einzusteigen, um dann zusammen mit JTL zu wachsen. Und diese Möglichkeit besteht mit den neuen JTL-Editionen weiterhin.

Darüber hinaus sehen wir uns beim Thema Produktpositionierung natürlich auch den Markt an. Welchen Kundennutzen bieten unsere Wettbewerber, und wie bepreisen diese ihre Angebote? Und da bin ich absolut überzeugt, dass wir mit den jetzigen JTL-Editionen im Verhältnis zum gesamten Markt ein faires Pricing anbieten.

Dann gab es im Rahmen der Preisanpassungen ja ein paar Fälle, bei denen einzelne Händler von mehreren Hundert Prozent Steigerungen sprachen. Diese Fälle haben wir uns genauer angesehen. Einige von diesen Händlern hatten beispielsweise eine Vielzahl von inaktiven Schnittstellen gebucht, welche sie nicht mehr aktiv nutzen. Da wir die Anzahl der Schnittstellen als Datengrundlage für die Zuordnung in die neuen Editionen genutzt haben, wurden diese Kunden in deutlich höhere Editionen einsortiert als nötig. Diese Konstellationen konnten im direkten Kundengespräch überwiegend geklärt werden.

Kritik an JTL-Editionen lässt das Unternehmen nicht kalt

Im Fall der Kritik von einigen Händlern, die von einem ehemals sehr niedrigen Tarif in eine Enterprise-Edition hochgestuft wurden, muss man die Steigerung differenziert betrachten. Prozentual betrachtet, kann das natürlich erst einmal eine ziemliche Steigerung sein. Schaut man sich jedoch einzelne Shops und den durchschnittlich erwartbaren Warenkorbwert an, habe ich häufig den Eindruck gewonnen, dass unser Pricing fair ist.

Das alles heißt natürlich nicht, dass uns das Feedback z. B. aus dem JTL-Forum kaltlässt. Ich habe in den ersten Wochen jeden Abend die entsprechenden Posts durchgelesen und intensiv mit den Kollegen bei JTL über die Inhalte gesprochen.

Wir haben uns jedoch auch mit unserer Kundschaft im Gesamtbild auseinandergesetzt, viele direkte Kundengespräche geführt und dabei auch eine andere Perspektive erfahren. Dabei analysierten wir auch, wie viele unserer Kunden eigentlich wirklich aktiv im Forum sind, und stellten fest, dass es tatsächlich ein eher geringer Prozentsatz ist. Insofern ist das JTL-Forum eine wichtige Quelle für Feedback, es gibt jedoch zahlreiche weitere Kanäle, die wir berücksichtigen.

Bei einer größeren Änderung der Produktpositionierung fragt man sich schnell: Was plant das Unternehmen zukünftig? Und hier kann ich klar sagen, dass JTL vorhat, zu wachsen. Wir haben in diesem Jahr durch Akquisitionen und Neueinstellungen 100 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der JTL-Gruppe begrüßen dürfen. Mittlerweile sind es über 300.

Zusätzlich werden wir in den kommenden Jahren großflächig in die Themen Cloud-Transformation, Vertrieb und Marketing investieren sowie weitere Unternehmensakquisitionen durchführen. Unser Ziel ist es, JTL zum relevantesten E-Commerce-Player in Europa weiterzuentwickeln, und da können wir nicht auf der Stelle stehen bleiben. Was unser Pricing angeht, haben wir übrigens für die aktuellen JTL-Editionen eine Preisgarantie bis einschließlich den 31. Dezember 2025 abgegeben.

Kommendes Wawi-Update bietet GPSR-Integration

Die Produktsicherheitsverordnung, oder GPSR, fordert alle Händler:innen auf, ab dem 13. Dezember 2024 Auskünfte über Hersteller ihrer Waren zu geben. Wie setzt JTL diese Anforderungen um?

Wir haben einen umfassenden Blog-Beitrag über die GPSR veröffentlicht, der Händler grundlegend abholt und zusammenfasst, was sie jetzt wissen müssen. Bereits jetzt bieten wir mit unserer GPRS-Erweiterung, die im JTL-Extension-Store verfügbar ist, eine Lösung an, mit der Händler die Anforderungen der Produktsicherheitsverordnung im JTL-Shop schnell und einfach umsetzen können.

In zukünftigen Versionen unserer Warenwirtschafts-Software JTL-Wawi wird die Pflege der notwendigen Pflichtangaben weiter vereinfacht. Erweiterte Angaben wie Herstellerinformationen und verantwortliche Personen werden direkt in JTL-Wawi gepflegt und automatisch für verschiedene Marktplätze sowie JTL-Shops übernommen.

In zukünftigen Versionen des JTL-Shops wird das Plugin nicht mehr nötig sein, da die GPSR-relevanten Felder standardmäßig in den Templates integriert sind. Händler haben somit bereits eine Lösung und können sich darauf verlassen, dass diese in Zukunft noch einfacher und komfortabler wird.

Barrierefreiheit und E-Rechnung: Das plant JTL

Ebenso kommt im kommenden Jahr die Verpflichtung zur digitalen Barrierefreiheit. Ist euer Shopsystem JTL-Shop hierauf bereits vorbereitet?

Wir arbeiten mit zertifizierten Servicepartnern zusammen, die im Rahmen unseres Shop-Templates umfassende Lösungen zur Barrierefreiheit anbieten. Da dieses Thema komplex sein kann, stehen uns mehrere erfahrene Partner aus unserem Ökosystem zur Seite, um individuelle Anforderungen optimal zu erfüllen und maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden bereitzustellen.

Wie steht es um die E-Rechnung? Habt ihr hierfür eine integrierte Lösung geplant?

Wir bringen in den nächsten Wochen entsprechende Funktionen heraus, welche sowohl das Verarbeiten eingehender E-Rechnungen als auch den Versand eigener Rechnungen ermöglicht. Dabei werden beide Formate, also XRechnung und ZUGFeRD, unterstützt.

Mittels dieser Funktionen werden dann beispielsweise eingehende Rechnungen automatisiert ausgelesen und in unser ERP-System importiert. Mit unserem recht neuen Familienmitglied, GREYHOUND, haben wir weiterhin ein passendes Dokumentenmanagementsystem in der JTL-Gruppe, welches die revisionssichere Archivierung ermöglicht.

JERA, eine weitere Tochterfirma innerhalb der Gruppe, ermöglicht die direkte und vollautomatisierte Übermittlung der E-Rechnungen an den Steuerberater. 

In 2025 steht Wachstum auf der Agenda

Was sind für JTL die drei großen Themen für 2025? JTL

Einerseits arbeiten wir natürlich weiterhin daran, unser 360-Grad-Portfolio für Online-Händler auszubauen. Wir schauen uns zahlreiche mögliche neue Akquisitionen an und prüfen, ob diese für unsere Kunden eine sinnvolle Ergänzung darstellen.

Daneben fokussieren wir uns auf den weiteren Ausbau der JTL-Cloud-Plattform und arbeiten sowohl mit eigenen Entwicklerteams als auch Partnern daran, neue Lösungen zu schaffen. Und letztlich ist es weiterhin Kernziel, noch mehr zu wachsen. Dafür werden wir verstärkt in Vertrieb und Marketing investieren.

Vielen Dank für das Gespräch!