Raus aus der Krise: Die deutsche Wirtschaft könnte sich nach den Jahren der Stagnation jetzt wieder erholen, zeigen aktuelle Konjunkturprognosen des ifo-Instituts, des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und des IfW Kiel. Die Wirtschaftsforscher:innen erwarten für dieses Jahr eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Für das kommende Jahr wird mit einem Wachstum zwischen 1,5 bis 1,7 Prozent gerechnet.

„Die Frühindikatoren bestätigen unsere Einschätzung, dass die Industrie nach zweijähriger Talfahrt nun – auf niedrigem Niveau – ihren Boden gefunden hat“, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel. Ähnlich bewertet das auch ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser: „Die Krise der deutschen Wirtschaft hat im Winterhalbjahr ihren Tiefpunkt erreicht“.

Schub durch Wachstumspaket der Bundesregierung

Zum Jahresanfang habe sich das Wirtschaftswachstum bereits merklich verbessert. Laut IfW habe vorrangig die Binnenwirtschaft zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. „So steigt der private Konsum nach zweijähriger Durststrecke wieder merklicher, und auch die Unternehmensinvestitionen drehen nach und nach ins Plus“, führt Kooths aus.

Zudem haben verstärkte Exporte das Wachstum beflügelt, was vor allem der schwierigen US-Zollpolitik zuschreiben ist. „Auch im zweiten Quartal dürfte beides die deutsche Wirtschaft noch beleben“ – trotz erwarteter Handelshemmnisse, erklärt das DIW.  

Allen voran soll das geplante Investitionspaket der Bundesregierung das Wachstum rund um den Jahreswechsel beflügeln. Die Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben, Steuerentlastungen sowie günstigere Netzentgelte und weitere Maßnahmen könnten dem ifo-Institut zufolge Einsparungen von 10 Milliarden Euro im Jahr 2025 und 57 Milliarden Euro im Jahr 2026 bedeuten. „Der zunehmende Optimismus speist sich vermutlich auch aus der Hoffnung, dass mit der neuen Koalition der wirtschaftspolitische Stillstand endet und es im Handelsstreit mit den USA zu einer Einigung kommen wird“, so Wollmershäuser.

Strukturelle Probleme und Risiken bleiben

Man dürfe sich aber nicht zu früh freuen, denn wenngleich es zum Jahresende aufwärtsgehen soll, könnte sich die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte noch einmal abkühlen. „Der überraschend schwungvolle Jahresauftakt dürfte uns vor einem weiteren Jahr der Stagnation bewahren. Das ändert aber nichts an den strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft, wie der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit und dem Fachkräftemangel“, mahnt DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. So führe die höhere Kauflaune zwar zu positiven Impulsen und die Sparquote sei wieder gesunken. Allerdings werde die Konsumbereitschaft von anhaltenden Sorgen um den Arbeitsplatz getrübt.

Zudem bleibe die Zollpolitik der USA ein Risiko: „Die handelspolitischen Risiken bleiben vorerst beträchtlich“, so Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel. „Die erratische Zollpolitik der Vereinigten Staaten erhöht weiterhin die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft.“ Deutsche Exporteure würden außerdem unter einer deutlich gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit leiden, im laufenden Jahr könnten die Ausfuhren nochmals um 0,4 Prozent sinken. Erst 2026 rechnet das IfW mit einem Anstieg. Das DIW ist pessimistischer:  „Mithilfe einer expansiven Finanzpolitik kann sich die deutsche Wirtschaft gegen die negativen Effekte der erratischen US-Handelspolitik stemmen. Sie wird aber dennoch die deutsche Außenwirtschaft längerfristig belasten“, sagt Dany-Knedlik.

Die Bundesregierung müsse nun handeln, die Haushalte verabschieden und interne Konflikte lösen. „Der Koalitionsvertrag ist in vielen Punkten vage; die neue Regierung muss sich nun zusammenraufen und einen konsistenten, überzeugenden politischen Zukunftskurs definieren“, so DIW-Präsident Marcel Fratzscher.

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