In den letzten Jahrzehnten haben sich mehr und mehr Lebensbereiche in irgendeiner Weise in den digitalen Raum verlagert. Dinge des alltäglichen Gebrauchs online zu kaufen, gehört für viele Menschen mittlerweile zur Normalität. Nur ein Bereich kann sich seit jeher nicht so ganz etablieren: Lebensmittel.
So gibt es zwar zahlreiche verschiedene Lieferdienste, die beim schnellen Hunger Leben retten, aber so ganz um den Supermarkt herum, kommt man in den meisten Fällen doch noch nicht. Wir wollen uns im Folgenden den aktuellen Status quo genauer ansehen. Welche Dienste gibt es derzeit in Deutschland, wo liegen ihre Stärken, und wo hapert es noch?
Die Urgesteine: Eismann und Bofrost
Die beiden Lebensmittellieferdienste Eismann und Bofrost sind, wie die Namen bereits andeuten, auf die Lieferung von Tiefkühlware spezialisiert. Beide Dienste sind zwar keine klassischen Abonnements, aber versuchen, mit ihrer Kundschaft dennoch eine langfristige Beziehung einzugehen. So sagt beispielsweise Eismann, dass die Fahrer:innen, welche zugleich auch Verkaufsberater:innen sind, Bestandskundschaft eventuell auch mal unerwartete Besuche abstatten, um neue Bestellungen zu generieren.
Im Gegensatz zu den meisten modernen Schnelllieferdiensten kann man sowohl bei Eismann, als auch bei Bofrost, weiterhin per Katalog bestellen. Zudem lassen beide Dienste neben digitalen Zahlweisen auch die Barzahlung bei Lieferung zu. Die Produktauswahl ist jedoch aufgrund der Tiefkühlung deutlich begrenzt. Frisches Obst und Gemüse bekommt man hier beispielsweise gar nicht.
Die kostenlosen Lieferungen hängen von der Tourenplanung der regionalen Verkaufsfahrer:innen ab. Eismann fährt individuelle Adressen beispielsweise alle drei Wochen an. Spontane Bestellungen sind dadurch erschwert, dafür gibt es keine größeren regionalen Lücken. Die Kühltransporter befahren auf gesetzten Routen sowohl durch Großstädte als auch aufs Land.
Umsatztechnisch liegt Bofrost ganz klar über Eismann. Der Dienst, welcher sich selbst als „europaweit die Nummer 1 im Direktvertrieb von Eis- und Tiefkühlspezialitäten“ bezeichnet, konnte im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von 1,47 Milliarden Euro erzielen. Laut Branchenportal TK Report erwirtschaftete Eismann im Jahr 2023 dagegen lediglich 196 Millionen Euro. Beide Unternehmen erlebten während der Coronapandemie einen erwartbaren Aufschwung, welcher seither wieder leicht abbaut.
Die Supermarkt-Lieferdienste: Rewe und Edeka
Als Hauptquelle für frische Lebensmittel wollten natürlich auch Supermärkte, wie Rewe oder Edeka, auf die Bedürfnisse der Verbraucher:innen reagieren und eine Lieferung anbieten. Der grundlegende Unterschied zwischen beiden ist dabei in der unterschiedlichen Struktur beider Unternehmen begründet. Während Edeka ein freier Handelsverband ist, überwiegen bei Rewe die zentral-gesteuerten Filialen. Das ermöglicht Rewe auch in Sachen Lieferdienst eine geradere Linie zu fahren.
So gibt es bereits seit 2012 den Rewe Lieferservice, welcher das gesamte Sortiment des Supermarktes, inklusive Non-Food-Produkten, bietet. Die Produkte werden dabei aus einem speziellen Lieferdienst-Lager genommen und gemäß der Bestellung konfektioniert. Die Kundschaft kann individuelle Liefertermine mit einem Zeitfenster von zwei Stunden anwählen. Für Neukund:innen ist die erste Lieferung gratis, danach fallen Gebühren zwischen 2,90 Euro und 5,90 Euro je nach Bestellwert und Liefergebiet an. Die Auslieferung erfolgt dabei in einem Kühltransporter, sodass alles frisch ist. Bezahlt wird nach erfolgter Lieferung bequem per Rechnung, SEPA-Mandat, Paypal oder Kreditkarte.
Im Gegensatz dazu gibt es bei Edeka verschiedene Lieferangebote. So kann man über die Seite Shop.Edeka nach einem Markt in seiner Nähe suchen, welcher einen Liefer- oder Abholdienst bietet. Als zentrale Anlaufstelle findet man hier inhabergeführten Märkten, die einen eigenen Dienst bieten. Regional sind diese aber vor allem im Westen Deutschlands vorzufinden. Ebenso individuell sind Liefergebühren sowie -zeiten. Eine zusätzliche Option bietet die Edeka-Gruppe mit dem Online-Shop Edeka24. Dort gibt es jedoch ausschließlich haltbare, ungekühlte Lebensmittel, welche per DHL im Paket ausgeliefert werden.
Die Essenslieferanten Plus: Lieferando und Wolt
Neben Supermärkten als logische Bezugsquelle, war es ebenso naheliegend, dass Essenslieferdienste auf kurz oder lang auch mehr als fertige Gerichte ausliefern. Schließlich sind hier durch die Lieferfahrer:innen bereits Strukturen geschaffen, welche eine schnelle Belieferung in Ballungsräumen ermöglichen. Ähnlich wie mit Restaurants sind die Kooperationspartner hier oft kleine lokale Geschäfte, wie Asia-Supermärkte oder auch die mit den Tante-Emma-Läden von früher vergleichbaren „Spätshops“.
Die Geschäfte konfektionieren die Bestellungen der Kundschaft direkt aus dem Sortiment des Geschäfts und geben diese dann einem beziehungsweise einer Lieferfahrer:in mit. Die Fahrer:innen sind dabei meistens Plattformarbeiter:innen, die bei manchen Diensten direkt angestellt sind oder aber auf Auftragsbasis tätig werden.
Für Plattformen wie Lieferando und Wolt ist dies jedoch klar nur ein Nebengeschäft. Da das Angebot je nach regionalen Partnern stark variiert, können vor allem ländliche Regionen benachteiligt sein. Auch die Kosten und Lieferzeiten schwanken stark. Wer in einer Großstadt lebt und mal schnell ein paar Sachen des täglichen Bedarfs benötigt, ohne dabei das Haus zu verlassen, kann hier fündig werden. Den Supermarkteinkauf ersetzt das Angebot jedoch bei weitem nicht.
Die Schnelllieferdienste: Flink und Gorillas
Die Ladenschließungen und Sicherheitskonzepte während der Coronapandemie machten einen rapiden Ausbau der Lieferdienstlandschaft unabdingbar. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstand das Geschäftsmodell Quick-Commerce: Die beiden Berliner Start-ups Gorillas und Flink dominierten mit ihrer Lieferzeiten binnen weniger Minuten schnell den Markt. Aus zentralen Lieferlagern werden Großstädte durch Fahrradkuriere beliefert.
Das Angebot umfasst Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs, jedoch meist keine sehr große Bandbreite an unterschiedlichen Marken. Dadurch wird einerseits Lagerraum gespart und andererseits die Konfektionierung beschleunigt. Die Preise liegen mit jenen im Supermarkt gleich auf.
Nach Abklingen der Coronapandemie konnten sich die Dienste weiterhin erfolgreich halten, die Umsätze gingen jedoch spürbar zurück. Dieser Rückgang führte zu einer Konsolidierung am Markt. So übernahm der Ende 2021 auf den deutschen Markt getretene türkische Lieferdienst Ende 2022 Gorillas. Flink schluckte dagegen Mitte 2022 den französischen Wettbewerber Cajoo.
Nachdem im März 2024 kurzzeitig ein Zusammenschluss Getirs und Flinks im Gespräch war, zog sich Getir, mitsamt Gorillas, jedoch kurz darauf komplett aus Deutschland zurück. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Flink etwa 80 Prozent Marktanteil innerhalb Deutschlands. Lebensmittel-Handelsexperte Ronny Gottschlich erwartet, dass auch Flink in absehbarer Zukunft verschwinden wird. „Deutschland ist ein Discount-Land. Die Deutschen sind nicht bereit, für einen Extra-Service wie eine schnelle Lieferung mehr Geld zu bezahlen“, zitierte ihn im Mai die Wirtschaftswoche.
Die Regionalhelden: Knuspr und Picnic
Auch abseits von Großunternehmen wie Rewe, Lieferando und Co. gibt es Unternehmen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, deutsche Verbraucher:innen mit Lebensmitteln zu versorgen. Anstatt sich jedoch auf einen Schlag dem ganzen Land zu verpflichten und somit womöglich zu übernehmen, beschränken sich Dienste wie Knuspr oder Picnic auf einzelne Regionen Deutschlands.
So beliefert der Münchener Dienst Knuspr von drei Standorten aus neben der Münchener Region auch den Großraum Berlin sowie die Metropolregion Rhein-Main. Als Vollsortimenter kooperiert Knuspr mit Herstellern und Landwirten vor Ort. Die Preise sind auf gehobenem Supermarkt-Niveau, und eine Auslieferung kann in drei Stunden erfolgen.
Bereits 2021 übernahm das zur tschechischen Rohlik Group gehörende Knuspr den Berliner Wettbewerber Bringmeister und plante innerhalb der nächsten drei Jahre einen Börsengang. Angedacht sei dieser potenziell an der Frankfurter Börse, denn bereits jetzt macht Deutschland mit etwa 200 Millionen Euro ein Viertel des Konzernumsatzes aus. Wie Rohlik-CEO Tomáš Čupr gegenüber der Wirtschaftswoche anmerkte, könnte in den kommenden zwei Jahren der Hauptteil in Deutschland umgesetzt werden.
Der Wettbewerber Picnic konzentriert sich derzeit auf Nordrhein-Westfalen, wo mittlerweile zehn Logistikzentren betrieben werden. Aber auch Metropolregionen wie Hamburg und Berlin werden mittlerweile beliefert. Das Angebot des Dienstes sieht man ausschließlich in der hauseigenen App. Laut Unternehmensangaben findet man hier jedoch alles „von Apfelmus bis Zahnpasta“. Ab einem Mindestbestellwert von 40 Euro kann bestellt werden, die Lieferung erfolgt gebührenfrei. Die Lieferfahrzeuge bewegen sich dabei, vergleichbar mir Bofrost und Eismann, auf fixen Routen und versuchen auf diesen maximal viele Kund:innen anzufahren.
Die Supermarktkette Edeka ist am Unternehmen Picnic beteiligt und plante 2021 seine eigenen Lieferaktivitäten über Picnic zu realisieren. Der aus den Niederlanden stammende Dienst konnte laut Berichten des Branchenportals Supermarkt Inside vergangenes Jahr 375 Millionen Euro in Deutschland umsetzen und beliefert etwa sechs Millionen Haushalte. Im laufenden Jahr wird ein Wachstum auf 8 Millionen Haushalte und einen Umsatz von 700 Milliarden Euro avisiert.
Die gibt es auch noch: Amazon Fresh und Flaschenpost
Zum Schluss ein kurzer Blick auch zwei Unternehmen, welche eigentlich mit anderen Produkten ihr Kerngeschäft starteten. Der Lieferdienst Flaschenpost wurde 2016 als Getränkelieferdienst gegründet. Im Jahr 2020 wurde das Sortiment auf Lebensmittel ausgeweitet. Deutschlandweit betreibt Flaschenpost mehr als 30 Lagerstandorte. Beliefert werden mittlerweile fast alle Metropolregionen.
Das Sortiment umfasst Artikel nunmehr gängige Supermarkt-Artikel, welche teils direkt von Herstellerbetrieben sowie teils durch regionale Kooperationspartner bezogen werden. Seit 2020 gehört Flaschenpost zudem zur Oetker-Gruppe.
Ebenso möchte Amazon gerne seit Jahren ein Stückchen des Kuchens für sich beanspruchen. Bereits 2012 gründete Amazon das Sub-Unternehmen, welches in den USA auch stationäre Supermärkte betreibt. Seit 2017 bietet Amazon mit dem Dienst Prime-Kund:innen aus Berlin, Potsdam, München und Hamburg Lebensmittel an. Seitdem gab es aber weder eine Expansion noch wesentliche Erfolge. DHL beendete die Kooperation mit Amazon Fresh nach kürzester Zeit, da man sich durch die Aufgabe der Einhaltung der Kühlkette überfordert sah.
Seither lieferte Amazon überwiegend selbst aus. Eine designierte Fahrzeugflotte mit Kühltransportern gibt es jedoch nicht. Durch den Zwang zur Prime-Mitgliedschaft schließt das Unternehmen zudem eine große mögliche Zielgruppe aus, während jene, die bereits Prime haben, keinerlei wirkliche Vorteile dadurch erfahren.
Fazit: Noch nicht wie geschnitten Brot
Sich routiniert den Kühlschrank mit Leckereien füllen, ohne das Haus zu verlassen, mag für den ein oder die andere ein Traum sein. So ganz dort sind wir in Deutschland derzeit jedoch noch nicht. Denn einerseits kommt es stark darauf an, wo man lebt und andererseits auch darauf, wie gut man verdient. Die meisten Lieferdienste liegen preislich über den Discounterangeboten und erheben hier und da zusätzliche Lieferkosten. Dieser Faktor könnte Haushalte mit einem geringeren Einkommen überfordern.
Wohnt man zudem nicht gerade in einer Großstadt, muss man ohnehin genau prüfen, welche Optionen sich überhaupt bieten. Im ländlichen Raum können die traditionellen Milchmann-Dienste Bofrost und Eismann mit ihren festgesetzten Routen punkten. Jedoch hat man dort natürlich ein etwas reduziertes Sortiment zur Auswahl.
Stand heute, ist es also sehr gut möglich, dein Einkauf im Supermarkt mit Online-Bestellungen geschickt zu ergänzen. Vollkommen umschiffen lässt er sich aber in vielen Fällen nicht. Eine Option, welche hierbei nun außen vor gelassen wurde, sind Kochboxenanbieter wie Hello Fresh oder Marley Spoon. Bei diesen bekommt man zwar einen perfekt auf die gelieferten Rezepte abgestimmten Mix aus Frischeprodukten und Haltbarem – hat dann aber spätestens ein Problem, wenn am Morgen der Kaffee alle ist.
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