Radikalschlag: Lieferando entlässt alle Fahrer:innen

Veröffentlicht: 20.03.2025
imgAktualisierung: 20.03.2025
Geschrieben von: Ricarda Eichler
Lesezeit: ca. 2 Min.
20.03.2025
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Eine Lieferando-Fahrerin auf einem Fahrrad.
JJFarquitectos / Depositphotos.com
In Österreich stellt der Essenslieferdienst Lieferando seine Logistik radikal um. Hunderte Fahrer:innen verlieren dadurch ihren Job.


Mit einem Kollektivvertrag wollte Österreich die Rechte und Löhne von Plattformarbeitenden stärken. Nicht alle Dienste folgten dem Modell, doch zumindest bei Lieferando galt bisher in Österreich, wie auch in Deutschland: Fahrer:innen waren beim Unternehmen angestellt.

Wie die österreichische Tageszeitung Der Standard jetzt von Lieferando erfuhr, soll damit nun Schluss sein. Knapp 1.000 angestellten Fahrer:innen wird gekündigt. Künftig wolle man stattdessen, wie bei Mitbewerbern üblich, auf freie Dienstverträge setzen.

Konkurrenzdruck zwingt zu Sparmaßnahmen

Mit dem im Jahr 2020 in Österreich eingeführten Kollektivvertrag wurden für Angestellte von Plattformen Arbeitsrechte wie Mindestlöhne, Urlaubsansprüche und Krankengeld sichergestellt. Ein Modell, welches für mehr Gerechtigkeit und Sicherheit sorgt – aus Unternehmenssicht aber natürlich höhere Kosten verursacht.

Kosten, welche man nun zu umgehen versucht. Wie Der Standard aus der Unternehmenszentrale Lieferandos in Erfahrung brachte, sollen durch den Schritt die Wettbewerbsbedingungen angeglichen werden. So nutzten sowohl Wettbewerber Wolt als auch das ebenfalls zum Just Eat Takeaway Konzern gehörende Foodora bereits seit Jahren freie Dienstverträge und konnten somit deutlich sparen.

Herber Rückschlag für Arbeitsrechte

Wechselt man von der Unternehmensperspektive in die Arbeitnehmendenperspektive ergibt sich ein anderes Bild: ein Großteil der Fahrer:innen in Österreich sind Menschen mit Migrationshintergrund. Das Anmelden eines eigenen Gewerbescheins stellt diese vor Hürden. Selbst mit Gewerbeschein stehen Probleme wie Versicherungsstatus, mangelndes Krankengeld, Scheinselbständigkeit und letztlich Dumpinglöhne im Raum.

Von der Kündigung sollen laut Unternehmensangaben etwa 600 Personen betroffen sein, bei weiteren 250 kommt es zu keiner Vertragsverlängerung. Laut Betriebsrat handelt es sich in Wahrheit um knapp 1.000 Angestellte. Für diese seien zumindest Abfindungen in Höhe von 1,5 Monatsgehältern angedacht. Betriebsrat Fabian Warzilek rechnet mit dem kurzfristigen Umstieg auf Subfirmen. Dass bei der Zusammenarbeit mit diesen vor allem gespart wird, im Vergleich zu Festanstellungen, steht außer Frage.

Stehen die Sparmaßnahmen im Schatten der geplanten Übernahme?

Für den in den Niederlanden angesiedelten Mutterkonzern Just Eat Takeaway steht aktuell ein lukratives Übernahmeangebot im Raum. Das Tech-Unternehmen Prosus, welches bereits Delivery Hero unter seinem Dach vereint, möchte den Lieferdienst übernehmen. Der Deal, welcher vom Management von Just Eat Takeaway unterstützt wird, ist noch nicht finalisiert.

Die Mutmaßung, dass die Sparmaßnahmen auf dem österreichischen Markt im Zusammenhang hiermit stehen, wurden vom Unternehmen gegenüber dem Standard verneint. Auf Nachfrage der Morgenpost bestätigte Lieferando Deutschland zudem: „Lieferando stellt seine Fahrerinnen und Fahrer in Deutschland regulär an. Die für Österreich angekündigte Umstellung auf freie Dienstnehmer erfolgt nur in Österreich, nicht in Deutschland.“

Um die Rechte freiberuflicher Plattformarbeitender zu stärken, trat Ende letzten Jahres eine entsprechende EU-weite Richtlinie in Kraft. Ein wichtiger Bestandteil dieser ist, dass künftig Plattformen nachweisen müssen, dass Dienstleister:innen selbstständig sind. Liegen anderweitige Indizien vor, besteht künftig der Verdacht einer Scheinanstellung, statt wie zuvor einer Scheinselbstständigkeit seitens der Dienstleister:innen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 20.03.2025
img Letzte Aktualisierung: 20.03.2025
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Ricarda Eichler

Ricarda Eichler

Expertin für Nachhaltigkeit

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