Neulich warf ein Beitrag auf LinkedIn-Beitrag die Frage auf, ob Temu schuld an Depots Niedergang sei. Oder besser gesagt: die Verbraucher:innen, die lieber bei Temu shoppen. Aber: Ist das wirklich so?
Ich liebe Nippes
Eines muss ich vorab gestehen: Ich liebe Nippes! Da, wo so manche Person sagt: „Den Sch*** braucht doch niemand!“, stehe ich da und will es haben. Wohnaccessoires machen für mich mein zu Hause erst so richtig heimelig und, ja verdammt, ich dekoriere für jede Jahreszeit plus Feiertage! Ich liebe es und ich war lange Zeit eine treue Kundin von Depot. Bei Depot fand ich online wie offline coole Ideen. Man bekam schöne Looks, die entweder mit einem Klick im Warenkorb landeten oder die man sich sorgfältig mit den eigenen Händen im Laden aussuchte. Selbst die Tischdeko für meine Hochzeit war von Depot.
Im letzten Jahr habe ich aber tatsächlich nur noch zweimal bei Depot gekauft, und zwar, als ich zufällig an einer Filiale mit „Alles muss raus, wir schließen“-Rabatten vorbeikam. Es gab für mich ansonsten einfach keinen Grund mehr, bei Depot einzukaufen. Natürlich habe ich auch weiterhin Dekoartikel gekauft, nur eben nicht bei Depot, aber auch nicht bei Temu.
Ein Blick auf die Zahlen
Werfen wir erst einmal einen Blick auf die Zahlen: Laut Statista gingen die Umsatzzahlen von Depot im Jahr 2023 zurück. Gleichzeitig wird ebenfalls von Statista prognostiziert, dass das Marktvolumen für Dekoartikel 2025 etwa 336,19 Millionen Euro betragen wird und bis 2029 sogar auf 405,72 Millionen Euro steigen soll. Das Interesse an solchen Produkten ist also durchaus da. Das bestätigt auch eine Umfrage unter 1.200 Konsument:innen, die 2024 von Bonial durchgeführt wurde: Für 53 Prozent sind Dekoartikel sehr wichtig. Besonders beliebt seien Blumen und Pflanzen sowie saisonale Dekoartikel. Allerdings werden diese Produkte von 85 Prozent der Befragten eher selten gekauft und wenn dann in erster Linie im Supermarkt, Discounter oder im Drogeriemarkt (67 Prozent). Für lediglich 37 Prozent sei eine persönliche Beratung wichtig. Rund 80 Prozent der Käufe sind spontan und jährlich werden pro Person 50 bis 100 Euro für Deko ausgegeben.
Überholtes Geschäftsmodell und beliebige Produkte
Halten wir fest: Trotz der viel genannten Konsumflaute kaufen Menschen Dekoartikel; aber halt nicht bei Depot. Woran liegt das? Warum gehe ich nicht mehr zu Depot?
Wie eingangs erwähnt, suche ich Qualität und Zeitlosigkeit – etwas, das bei Depot zunehmend schwer zu finden ist. Wie viele andere auch habe ich bereits eine sorgfältig ausgewählte Sammlung an Dekorationsartikeln, was den Bedarf an ständig neuen Käufen minimiert. Um neue Sachen zu kaufen – und sei es als Ergänzung – muss also schon ein guter Kaufanreiz geschaffen werden. Drei Faktoren scheinen diesem Anreiz jedoch entgegenzustehen:
1. Preisbewusstsein der Konsumenten: Depot steht oft in direkter Konkurrenz zu günstigeren Anbietern wie Nanu-Nana oder Tedi, besonders in Einkaufszentren, wo der direkte Vergleich besonders schmerzhaft auffällt. Warum also sollte man 20 Euro für einen Holzteller ausgeben, den es nebenan für die Hälfte gibt und der lediglich eine dekorative Funktion erfüllt? Hinzu kommt, dass viele Alltagsgeschäfte wie NKD, Rossmann und sogar Baumärkte sowie Discounter wie Lidl und Aldi ebenfalls Dekoartikel anbieten.
2. Beliebigkeit des Sortiments: Ein weiteres Problem ist das scheinbar willkürliche Sortiment von Depot. Die Einzigartigkeit schwindet, und selbst die ansprechende Präsentation in den Filialen kann das nicht kaschieren. Im Online-Shop wird diese Beliebigkeit besonders deutlich, da das Sortiment zu einer austauschbaren Liste von Artikeln mutiert, die man auch anderweitig finden könnte.
3. Festgefahrenes Geschäftsmodell: Die anfängliche Begeisterung für Features wie „Shop the look“ im Online-Shop von Depot lässt schnell nach, wenn Produkte nicht verfügbar sind und die Suche nach Alternativen mühsam wird. Die Notwendigkeit, für Alternativen extra in den Laden zu gehen, ist ein weiterer Minuspunkt. Ebenso fehlt es an Innovation im Shop selbst; die Online-Produktdarstellungen sind uninspiriert und tragen dazu bei, dass die Lust am Einkaufen schnell verfliegt.
Schlussfolgerung: Der wahre Grund für Depots Niedergang
Depots Probleme sind tiefgreifend und selbst verschuldet, weniger durch externe Online-Konkurrenten wie Temu verursacht. Der wahre Grund für den Niedergang liegt in der Unfähigkeit des Unternehmens, sich an die sich wandelnden Bedürfnisse und Erwartungen der modernen Verbraucher:innen anzupassen. Wer Qualität und Einzigartigkeit sucht, findet sie jedenfalls nicht bei Depot. Wer einfach Standard-Deko sucht, findet sie für schmaleres Geld bei anderen Unternehmen. Dafür muss man jedenfalls nicht bei Temu bestellen. Und wer es dennoch tut, dem kann man schwer einen Vorwurf machen, denn offenbar hebt sich Depot hier nicht mit attraktivem Angebot von der Masse ab. Depot füllt in diesem Zusammenhang keine vorhandene Nische.
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