Christian Lindner zur Digitalisierung: „Wir haben keine Zeit zu verlieren!”

Veröffentlicht: 12.05.2017 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 12.05.2017

Christian Lindner (FDP) hielt die Keynote des diesjährigen E-Commerce Day in Köln. Lindner fordert eine Digitalisierungsoffensive und schlägt ein entsprechendes eigenständiges Ministerium vor.

Christian Lindner

Christian Lindner bei der Keynote auf dem E-Commerce Day in Köln © OnlinehändlerNews 

Am Sonntag findet die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt. Am heutigen Freitag hielt FDP-Chef Christian Lindner auf dem E-Commerce Day im Kölner RheinEnergieStadion die Keynote und auch wenn er zu Beginn betonte, sich endlich mal über ein paar Wahlkampf-freie Stunden zu freuen, konnte er es sich nicht verkneifen, die aktuellen Regierungen in Bund und NRW als Angriffsfläche zu nutzen. Lindner sprach über den Komplex Digitalisierung, „obwohl ich das Wort selbst nicht mag”. Der Begriff hätte immer auch etwas rückständiges, denn „digital” funktionierten auch schon Radiowecker in den 70er Jahren.

5(+1)-Punkte-Plan für die Digitalisierung

Nichtsdestotrotz ist die Digitalisierung, wie wir sie heute verstehen, die Systeme wie Künstliche Intelligenz, strukturierte Daten oder Software as-a-service überschreibt, eines der wichtigsten Themen für Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft. Dies werde aktuell eher kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert und darüber gerieten die Chancen und auch die Notwendigkeit, großflächig in digitale Strukturen zu investieren, in den Hintergrund. Denn die Angst vor dem Jobkiller Digitalisierung hemmt ihren Fortschritt. Dabei ist, so Lindner, gerade der Arbeitsmarkt abhängig von digitalen Strukturen. Neue, attraktive Arbeitsplätze würden geschaffen, während „viele harte, langweilige, gesundheitsschädliche, anstrengende Jobs verloren gehen”.

Deutschland hinke beim Thema Digitalisierung dem europäischen Ausland hinterher, so wäre selbst Estland ein Beispiel für fortschrittliche Entwicklungen, wo „an jeder Bushaltestelle” freies WLAN verfügbar sei. Als Handlungsempfehlung hat Lindner ein 5(+1)-Punkte-Programm erstellt, um vor allem die politischen Rahmenbedingungen zu optimieren.

Es braucht erstens Investitionen in Infrastruktur, um etwa flächendeckend schnelle Internetverbindungen zu ermöglichen. Der 50-MBit-Plan der Bundesregierung sei nicht nur rückständig („50 MBit wären 2011 gut gewesen”), sondern werde bis 2018 nicht einmal erfüllt. Hier brauche es auch mehr Wettbewerb, um das Monopol der Telekom aufzubrechen. Zweitens müsse das e-Government tatsächlich großflächig durchgesetzt werden und zwar schneller als bislang geplant. Bis 2031 wollen die Behörden komplett auf Papier verzichten. Lindner: „Elon Musk will schneller zum Mars als wir auf Papier verzichten wollen.” Drittens müsse Flexibilität im beruflichen Bereich nicht behindert, sondern gefördert werden, da gerade im IT- und Online-Bereich viele Menschen als Freelancer arbeiten und eben nicht scheinselbständig sind. Weiterhin bräuchte es mehr Fairness im Wettbewerb. Als Beispiel nennt Lindner die Abwicklung von Kaiser’s Tengelmann, die das Oligopol der Branche förderte und den Markt eben nicht fairer gemacht hat.

Als fünften und letzten Punkt nennt Lindner das Thema Fachkräfte. In Digitalberufen herrsche hier längst erheblicher Mangel. Die nötigen Mitarbeiter könnte man gerade jetzt auch aus dem Ausland anlocken, in Zeiten in denen Trump und Brexit für sinkende Attraktivität von Großbritannien und den USA sorgen. Wenn der demographische Wandel im kommenden Jahrzehnt alle europäischen Länder erreicht, würden sich alle um die Fachkräfte bemühen, aktuell hätte Deutschland noch einen Vorsprung. Zudem müsse die digitale Bildung schon in der Schule stark optimiert werden. „Warum müssen die Kinder einen Weltatlas im Ranzen schleppen, wenn sie alles mittlerweile auf dem Smartphone haben?”, fragt Lindner.

Lindner fordert ein Digitalisierungsministerium

Um den Rückstand auf das Ausland tatsächlich aufzuholen, müsse die Organisation entsprechend geändert werden. Lindner spricht sich konkret für die Einführung eines Digitalisierungsministeriums aus. Bislang lägen die Kompetenzen in mehreren Fachbereichen und wären dort jeweils Anhängsel, die gern übersehen werden. So bleibt man aber nicht am Puls der Zeit. „Wir haben keine Zeit zu verlieren”, warnt der FDP-Spitzenkandidat. „Digitalisierung ist kein Fußball, Digitalisierung ist Eishockey.” Man habe keine zweite Halbzeit mehr, in der man Fehler korrigieren könnte, Geschwindigkeit ist alles. Dass die Lösung dafür eine neue Regierung mit FDP-Beteiligung sei, sagte er dabei nicht konkret, aber doch mehr oder weniger offen in jedem Satz.

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