IFA 2018: Die Zukunft ist gleich – und so weit weg

Veröffentlicht: 04.09.2018 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 04.09.2018

In Berlin lockt die IFA wieder Tausende Besucher in die Messehallen. Was heraussticht sind aber nicht einzelne Produkte oder besonders innovative Hersteller, sondern die Tatsache, dass die Branche gleichförmig wie selten ist.

IFA Samsung-Halle
© Händlerbund / Christoph Pech

Die IFA ist der „Official Partner of the Future“, ist ein Hub für Innovationen, ist ein Blick in die technologische Zukunft. Oder besser: Soll es sein. In diesem Jahr präsentiert die Branche einmal mehr die neuesten Fernseher, die vernetztesten Kühlschränke und die tanzendsten Roboter und suggeriert dem Besucher: Alle ist vernetzt, alles ist smart und alles macht das Leben leichter. Allerdings stimmt das gleich in mehrerlei Hinsicht nicht. Zumindest nicht so, wie es sich Samsung, Panasonic und Bosch vorstellen.

Früher war mehr Einzigartigkeit

Was auffällt, wenn man durch die Messehallen schlendert – angesichts des überraschend großen Besucheransturms kann von Schlendern allerdings keine Rede sein – ist die Tatsache, dass vor allem alles „gleich“ zu sein scheint. Wirklich jeder TV-Hersteller ruft das 8K-Zeitalter aus, bevor es womöglich jemand anderes exklusiv tut – und bevor die Technologie auch nur annähernd echten Nutzwert hat. Vor nicht allzu langer Zeit schwenkten die TV-Hersteller von HD auf 4K um, ohne dass es auch nur ein annähernd zufriedenstellendes Angebot an entsprechenden Inhalten gäbe. Das gibt es heute immer noch nicht, trotzdem werden nun die ersten 8K-Fernseher vorgestellt. Nicht von einem Samsung oder einem Panasonic, sondern von quasi allen Herstellern, die auf der IFA vor Ort sind – und das sind einige, denn die chinesische Konkurrenz um Changhong, Hisense und TCL macht sich mittlerweile sehr breit, der lukrative europäische Markt ist einfach zu verlockend.

Ebenso hat nun jeder Hersteller OLED-Fernseher im Portfolio, seit diesem Jahr auch serienmäßig. Das ist gut für den Kunden, denn das Durchbrechen des LG-Monopols sorgt jetzt schon für massive Preiseinbrüche. Das Problem aber vor allem für die Hersteller, ist die Beliebigkeit, die sich beim Kunden einstellt. Sie mögen zwar alle ihre eigenen Modebegriffe für die weitgehend gleich funktionierenden Technologien erfinden, am Ende wirken aber alle mittlerweile seltsam gleich. Wenn Philips mit seinem Ambilight eines der größten Alleinstellungsmerkmale der Branche innehat, dann spricht das Bände, denn Ambilight gibt es seit 2004!

Bin ich schon vernetzt?

Ein ähnliches Übersättigungsgefühl stellt sich bei Mode-Schlagworten wie „Smart Home“ ein. Seit Jahren propagiert die Branche das smarte Zuhause, den intelligenten Kühlschrank, die vernetzte Heimumgebung. Man kann auf der IFA durch keine Halle laufen, ohne von „Smart Living“ und „Connected Life“ erschlagen zu werden. Spricht man aber mit Messebesuchern und Otto-Normal-Verbrauchern, ist der Tenor eher eine gesunde Skepsis gegenüber Waschmaschinen, die anhand des Wäschekorbs schon einmal die Waschmittelzusammensetzung ändern.

Man bekommt mithin das Gefühl, dass die Branche ihren Kunden immer weiter enteilt. Ganz davon abgesehen, dass sich der Durchschnitts-Verbraucher 95 Prozent der auf der IFA ausgestellten Produkte gar nicht leisten kann oder will, wird es für ihn auch immer schwerer tatsächlich eine Wahl zu treffen.

Spracheingabe? Aber nur Alexa und Google

Da spielen ganz nebenbei auch Amazon und Google eine entscheidende Rolle, die zwar eigentlich gar nicht vor Ort sind, aber stets über der Messehalle schweben. Denn mehr noch als im vergangenen Jahr ist das Thema Spracheingabe zusammen mit Künstlicher Intelligenz in den Vordergrund gerückt und hier gibt es offenbar nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder Amazons Alexa oder den Google Assistant. Daneben gibt es noch weniger als im vergangenen Jahr und die Entwicklung wird sich wohl noch zuspitzen. Das kann man freilich kritisch sehen, muss die beiden Tech-Giganten aber auch dafür bewundern, dass ihre Sprachassistenten offenbar langsam aber sicher alternativlos werden.

In Zukunft bitte weniger Zukunft

Freilich bietet die IFA wieder eine Menge VR-Brillen, die ihre Inhalte immer noch nicht scharf genug darstellen, jede Menge Roboter, deren Hauptaufgabe es mittlerweile zu sein scheint, lustig zu tanzen und einen großen Fokus auf Mobilität. Wer etwas auf sich hält, stellt einen smarten BMW oder Audi vor seinen Stand, Mazda ist direkt als Aussteller vorbei gekommen. Es ist fast beruhigend, dass man sich in diesem Bereich tatsächlich an der aktuellen Realität orientiert. Wie etwa Chris. Das Gadget, das u.a. von ehemaligen Mitarbeitern des Kartendienstes Here entwickelt wurde, sorgt dafür, dass man das Smartphone am Steuer via Spracheingaben und Gestensteuerung nutzen kann. Der geerdete Ansatz ist eine hervorragende Idee, gerade für Menschen, die sich den teuersten Audi mit der neuesten Technik eben nicht leisten können oder wollen.

Chris ist eines von vielen unscheinbaren Beispielen, die man vor allem im StartUp-Hub IFA NEXT findet, die nicht nur in die ferne, teure Zukunft blicken, sondern zeigen, wie das Leben technologisch einfacher gemacht werden soll. Gerade von den Big Playern würde man sich ebenfalls wieder mehr Bezug zur Realität wünschen. Superteuer und supersmart ist für den Normalverbraucher nach wie vor meist gar nicht so super. Die Floskel der Kundenzentriertheit funktioniert nur dann, wenn man die Kundenbedürfnisse auch versteht. Wer die IFA besucht, bekommt schnell das Gefühl, dass die Branche genau das aber verlernt hat.

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