Seehofer-Vorschlag zum TKG

Nutzer sollen sich bei WhatsApp, Gmail und Co. identifizieren

Veröffentlicht: 04.03.2021 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 04.03.2021
Horst Seehofer

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat eine Wunschliste für die laufende Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bei der Bundesregierung eingereicht. Diese sogenannte „Formulierungshilfe“ enthält 15 Punkte. Einer davon hat besondere Brisanz: Seehofer will eine Identifizierungspflicht für „nummernunabhängige interpersonelle Dienste“ durchsetzen. Telekommunikationsanbieter sollen verpflichtet werden, „Identifizierungsmerkmale zu erheben, zu verifizieren und im Einzelfall den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen“, heißt es in dem Forderungskatalog, der Netzpolitik vorliegt.

Im Klartext: Nutzer von Messengern wie WhatsApp oder Telegram, von E-Mail-Diensten wie Gmail oder auch von Videocall-Diensten wie Skype oder Zoom müssten ihre Personalien bei den jeweiligen Anbietern verifiziert hinterlegen. Konkret gehe es um Namen, Anschrift und Geburtsdatum. Mittels Personalausweis oder einem Ident-Verfahren müssten die Anbieter die Angaben verifizieren. Für die Dienstleister könnte dies hohe Kosten verursachen, das Innenministerium hält dies jedoch für verhältnismäßig, da es eine „signifikante Verbesserung der Strafverfolgung“ bedeutet würde.

„Beispielloser Angriff“ auf das freie Internet

Die SPD ist dem Vorschlag nicht abgeneigt, will sie doch laut Programm für die Bundestagswahl selbst die Plattformbetreiber verpflichten, die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit zu schaffen, wie Heise zitiert. Der Vorstoß von Horst Seehofer sorgt wenig überraschend für harsche Kritik. „Das wäre nichts anderes als eine Personen-Vorratsdatenspeicherung“, sagt etwa der E-Mail-Anbieter Posteo. Nutzer müssten ihre Daten bei zahlreichen Unternehmen hinterlegen, auch bei werbefinanzierten Diensten, die damit Zugriff auf sensible Informationen erhalten.

Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, spricht von einem „beispiellosen Angriff auf europäische Werte und das freie Internet. Dinge, mit denen wir uns sonst so gerne von China abgrenzen. Dieser Angriff auf die Kommunikationsfreiheit aller und die Meinungsfreiheit von Minderheiten sucht seinesgleichen und wäre ein maßloser Versuch, Grundrechte einzuschränken.“

Weitere Punkte: Leichterer Einsatz von Staatstrojanern

Ob es tatsächlich zum Identifikationszwang kommt, ist unklar. Denn eigentlich hatte die Bundesregierung diesen für Messenger kategorisch ausgeschlossen. Posteo spekuliert, dass es sich bei dem Punkt um ein Ablenkungsmanöver halten könnte, um den Fokus von den 14 anderen Punkten abzuziehen. Denn auch diese anderen Punkte sind durchaus diskutabel. Zum Beispiel wären auch Staatstrojaner leichter einsetzbar, wenn Seehofers Forderungen ins TKG aufgenommen werden. Provider, „die Internetzugangs- oder Signalübertragungsdienste anbieten“, sollen verpflichtet werden, im Rahmen einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie bei heimlichen Online-Durchsuchungen „Auskünfte zu erteilen und Hilfestellung zu gewähren“. „Sie müssten Sicherheitsbehörden dabei unterstützen, Staatstrojaner auf das Endgerät eines Verdächtigen zu bringen“, resümiert Heise.

Darüber hinaus sollen auch Internetcafés, Krankenhäuser oder Hotels verpflichtet werden, Daten zu erheben und zu speichern, um sie bei eventuellen Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden weitergeben zu können. Der Forderungskatalog ist nicht Teil des Regierungsentwurfs zur TKG-Reform. Daher konnten Sachverständige bislang keine Stellung dazu nehmen. Würden Teile der Vorlage übernommen, würde dies „quasi ungeprüft erfolgen“, so Heise.

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