10 Jahre Istanbul-Konvention

Gravierende Lücken bei Bekämpfung von Online-Gewalt gegen Frauen

Veröffentlicht: 25.11.2021 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 25.11.2021
Frau wird aus Monitor attackiert

Content-Warnung: Gewalt gegen Frauen

Am heutigen Donnerstag ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Vielerorts werden symbolisch orange Lichter positioniert, um auf diesen Tag aufmerksam zu machen. In einem gemeinsamen Statement weisen Elena Bonetti, italienische Ministerin für Gleichberechtigung, und Marija Pejčinović Burić, Generalsekretärin des Europarates, darauf hin, dass besonders durch die Lockdowns während der Coronapandemie die Zahl an Fällen häuslicher Gewalt immens zunahm. Doch die, die ihre Opfer nicht im eigenen Haushalt finden, weichen immer öfter auf Methoden aus, online Gewalt auszuüben. Kürzlich bewertete die Frauenrechtsorganisation Ultraviolet einige Social-Media-Plattformen nach deren Umgang mit sexistischen Vorfällen. Die Noten fielen überwiegend schlecht aus. 

Die Gruppe „Experten gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt“, Grevio, mahnt nun die Politik an, hier stärker aktiv zu werden.

Die digitale Dimension von Gewalt gegen Frauen

Grevio veröffentlichte eine Broschüre zum Thema, welche die digitale Dimension von Gewalt gegen Frauen zunächst definiert und Vorschläge zur Eindämmung bringt. Formen der Gewalt äußern sich demnach als Cybermobbing, Bodyshaming, Cyber-Flashing (das Zusenden unerwünschter, expliziter Fotos), Doxing (die Verbreitung von privaten Informationen des Opfers) oder als pornografische Inhalte, die mit Deepfake-Anwendungen erstellt wurden. 

Die Opfer können dabei, ähnlich wie bei offline stattfindenden Gewaltakten, aktive oder ehemalige Partnerinnen oder auch gänzlich Fremde sein. Gerade das Internet ermöglicht es Tätern, sich Frauen willkürlich herauszupicken und – je nach technischer Affinität – ihre Opfer mittlerweile praktisch im Alltag zu verfolgen. Grevio weist dabei speziell auf die Gefahr von online frei und legal verfügbaren Tracking-Anwendungen hin, über welche sich sogar Standort und Kontakte ausspionieren ließen. 

Häufig gehen Online- und Offline-Gewalt auch Hand in Hand. Ein aktuelles Beispiel wäre die Affäre Luke Mockridge: Der Komiker wird von seiner Ex-Freundin, Ines Anioli, beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Die Gewalt, welche Anioli dabei offline erfuhr, wurde durch Drohungen, welche sie nach der Anschuldigung online erfuhr, massiv verstärkt. Die Anfeindungen reichen von Beschuldigungen, dass sie sich den Fall ausgedacht habe, um Publicity zu kriegen, bis hin zu Morddrohungen, wie u. a. das Boulevard-Medium Stern zu dem Fall meldete.

Rechtsschutz für Opfer ist nicht ausreichend

Die Istanbul-Konvention – das 2011 erarbeitete, völkerrechtliche Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – etablierte zum Schutz von Opfern vier grundlegende Säulen: Prävention, Schutz, Verfolgung und Umsetzung eines koordinierten Ansatzes für weitere Maßnahmen. Auf dieser Grundlage formulierte Grevio Vorschläge zum Umgang mit Online-Gewalt gegen Frauen:

  • Überarbeitung der vorhandenen Gesetze zum Schutz von Frauen vor Gewalt in Anbetracht der digitalen Dimension
  • Initiativen zur Schulung von jungen Männern und Jungs, um über Gender-Stereotypen und Diskriminierung aufzuklären
  • Das Thema Digitalkompetenz und Online-Sicherheit in die schulische Bildung integrieren
  • Verstärkte Aufklärung über rechtliche Optionen und Hilfsangebote
  • Hilfsangebote und Beratungsstellen für alle Opfer zugänglich gestalten (Sprache, Barrierefreiheit)
  • Bereitstellung von Schulungen und Materialien für Spezialisten, Telefonisten sowie letztlich Polizisten
  • Anreize für die inhaltliche Moderation von Internetangeboten schaffen sowie Anbieter generell stärker in die Verantwortung nehmen
  • Das Verfassen von datenbasierten Statistiken über Vorfälle von Gewalt gegen Frauen mit einer digitalen Dimension sowie die Erfassung von Selbstmorden und geschlechtsspezifischen Mordfällen, welche in Verbindung mit solchen auftraten 

Achtung: Wenn Sie von häuslicher oder digitaler Gewalt betroffen sind oder Frauen kennen, auf die dies zutrifft, können Sie sich unter 08000 116 016 oder online an das Hilfetelefon des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben wenden.

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