Kommentar

CDUnwissenheit schützt vor Strafe nicht

Veröffentlicht: 27.05.2019 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 27.05.2019
Angela Merkel am Tablet

Was hat die Netzgemeinde damals gespottet, im Jahr 2013: Damals, als Bundeskanzlerin Angela Merkel das Internet als „Neuland“ bezeichnete und sich daraufhin dem Hohn hingeben musste. Neuland im Jahr 2013, als das Internet fast schon ein Vierteljahrhundert alt war, Amazon volljährig wurde und Menschen seit sieben Jahren Katzenvideos auf YouTube guckten. Hach, was haben wir gelacht.

Heute wird allerdings die bittere Realität deutlich: Die CDU hat sich bisher noch nicht wirklich aus dem Basislager herausgetraut und das Neuland so wirklich erkundet oder gar begriffen. Für die Union ist es digitalisierungstechnisch noch immer 2013 – also in realer Zeit 1991. Beeindruckend war da vor einigen Monaten eben auch die Aussage von Horst Seehofer, der sich vollmundig zum Experten im Internet erklärte. Seit den 80er-Jahren treibe er sich bereits online rum, so Seehofer. Blöd nur, dass das Internet erst 1991 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Die CDU zwischen Rezo und Amthor

Diese Erklärung tätigte Seehofer im Januar dieses Jahres. Seitdem hat sich die Union aber alle Mühe gemacht, die wahre Kompetenz im Netz zu zeigen. Kurz vor der Europa-Wahl sorgte allerdings ein YouTube-Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ für großes Aufsehen. Eine Stunde lang nahm der YouTuber Rezo die Union auseinander. Die regte sich folgerichtig sehr über das Video auf, fokussierte ihre Kritik aber leider nur auf einen Kernpunkt: „Der Rezo hat blaue Haare, und darum keine Ahnung.“

Diese Kommunikationskatastrophe wurde durch viel Aufhebens um ein mögliches Antwort-Video untermauert. Philipp Amthor höchstselbst, der wohl hippste Politiker aus den Reihen der Union, wollte auf das Rezo-Video antworten. Stilecht mit einem eigenen YouTube-Video, so wurde es der gespannten Netzgemeinde angekündigt. Doch offenbar bekam die CDU kalte Füße oder eben nicht genug handfeste Argumente zusammen: Das Amthor-Video wurde jedenfalls kurz vor der Veröffentlichung auf Eis gelegt. Dass inzwischen viele User scherzten, das Video würde auf VHS aufgenommen, ist ein dankbarer und offensichtlicher Scherz. Aber so ist eben das Image der CDU.

Und täglich grüßt der Axel mir

Zum wahren Super-GAU in Sachen YouTube führte aber nicht das Rezo-Video und auch kein Eigen-Amthor. Der Satiriker Nico Semsrott von Die Partei merkte auf Twitter an, dass die CDU zahlreiche Mitschnitte von den Öffentlich-Rechtlichen auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht hätte. Offenbar hat die Union vergessen, dass Axel „AxelSurft“ Voss ein paar Wochen zuvor die Uploadfilter durch das EU-Parlament gebracht hatte. Von der Union heißt es zu dieser Peinlichkeit: „Auf YouTube wurden die Ausschnitte irrtümlich und ohne selbstständige Ausführungen eingestellt.“

Ob es sich jetzt um einen Stresstest der Union für die so hart verteidigten Uploadfilter handelt, wird sich wohl niemals klären. Vielleicht stimmt ja aber die offizielle Erklärung: Ein besonders engagierter Mitarbeiter mit begrenzter YouTube- und Urheberrechtskompetenz hat einfach versehentlich alles auf die Videoplattform geladen. Bei der Digitalkompetenz, die die Union in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt hat, würde mich das wohl nicht überraschen...

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