Interview mit Game-Geschäftsführer Felix Falk

„Auch klassische Händler profitieren von ‚Games as a Service‘“

Veröffentlicht: 29.05.2019 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 29.05.2019
Videospiel-Controller

Kaum eine Branche wandelt sich so schnell wie die Videospielbranche. Die Relevanz von Datenträgern nimmt ab, Spiele entwickeln sich zu langfristigen Service-Produkten und ein großer Anteil wird mittlerweile mit Content in kostenlosen Spielen umgesetzt. Wir sprechen mit Felix Falk, Geschäftsführer des Game-Verbandes über den deutschen Markt.

OnlinehändlerNews: „Neue“ Einnahmemöglichkeiten wie Mikrotransaktionen bringen schon jetzt fast so viel ein wie die eigentlichen Spiele und verändern diese selbst immer weiter zu Games as a service. Gleichzeitig beschleunigt sich der Trend zum Download weg vom klassischen Datenträgerverkauf. Haben „klassische“ Händler wie Gamestop oder MediamarktSaturn überhaupt eine Möglichkeit, auf diese Entwicklung zu reagieren?

Felix Falk: Games-as-a-Service-Modelle werden immer beliebter: Durch die zusätzlichen Angebote verlängert sich die Spielzeit der einzelnen Titel. Das hilft einerseits den Entwicklern, die immer stärker steigenden Kosten für die Produktion aktueller Top-Titel zu stemmen. Andererseits freuen sich viele Spieler, dass ihre Lieblingstitel fortlaufend neue Inhalte erhalten. Auch klassische Händler profitieren von dieser Entwicklung: Viele Spieler setzen auf Guthabenkarten, um innerhalb des Spiels neue Inhalte zu kaufen. Das liegt einerseits daran, dass insbesondere in Deutschland vergleichsweise wenige Menschen über eine Kreditkarte verfügen. Andererseits ermöglichen Guthabenkarten auch eine bessere Kontrolle über die Ausgaben im Spiel, etwa bei Jugendlichen.

Datenträger bleiben relevant

Welche Halbwertszeit geben Sie Datenträgern überhaupt noch? In der Musikbranche hat es nur ein gutes Jahrzehnt gebraucht, bis Streaming die CDs überholte. Im Videospielbereich sieht die Entwicklung ähnlich aus.

Ob Blu-ray, DVD oder Game Cards: Die Tage der Datenträger sind bei den Spielerinnen und Spielern in Deutschland noch lange nicht gezählt. Zwar ist der Umsatz und Absatz mit Download-Titeln für PC und Spielekonsole in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, dennoch werden gerade einmal 4 von 10 Spielen als Download gekauft. Es zeigen sich nach Plattform und Preis aber große Unterschiede: Auf dem PC werden Games heute überwiegend als Download gekauft. Vor allem bei Rabattaktionen auf den Download-Plattformen schlagen viele Spieler zu und ergänzen ihre Bibliothek. Auf den Spielekonsolen gibt es zwar auch Download-Shops mit Rabattaktionen, dennoch wird hier deutlich häufiger noch zu Games auf Datenträgern gegriffen.

Neue Vertriebsmodelle wie das Cloud-Gaming, bei dem die Spiele in einem Rechenzentrum laufen und zum Spieler gestreamt werden, werden sich in den nächsten Jahren sicherlich ebenfalls etablieren. Dennoch sehen wir Games auf Datenträgern nicht als Auslaufmodell. Viele Gamer sind auch Sammler und erwarten, dass es von ihren Lieblingstiteln eine Sammler-Edition mit einer umfangreichen Ausstattung gibt.

Der Anteil deutscher Entwicklungen am Gesamtumsatz in Deutschland ist 2017 auf 5,4 Prozent gesunken. Warum haben es hiesige Produktionen so schwer? Hat Deutschland Standort-Nachteile oder entwickeln „wir“ am Konsumenten vorbei? Die Qualität von Produktionen wie Crysis" oder Shadow Tactics" spricht ja eigentlich dagegen.

Im Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Kanada hat Deutschland bisher keine konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen für die Spiele-Entwicklung geboten. Während es in vielen anderen Ländern eine umfangreiche Förderung gibt, fehlte diese bisher in Deutschland. Die Folge: Die Entwicklungskosten sind um bis zu 30 Prozent höher. Das soll sich 2019 endlich ändern: In den Bundeshaushalt wurden erstmals 50 Millionen Euro zur Förderung der Spiele-Entwicklung eingestellt. Jetzt muss das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ein entsprechendes Förderprogramm aufsetzen und von der EU-Kommission notifizieren lassen. Wir hoffen, dass die ersten Förderanträge bereits im Herbst abgegeben werden können. Wir haben dafür das Modell des „Deutschen Games-Fonds“ vorgelegt. Damit kann die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei der Spiele-Entwicklung bedeutend verbessert werden. Dann wird auch der heimische Marktanteil endlich wieder steigen!

Spielen Augmented und Virtual Reality am Markt mittlerweile eine Rolle, vielleicht mal abgesehen von Pokémon Go? Sind das noch immer Gamechanger im Wartestand oder ist der Hype durch?

Virtual und Augmented Reality haben ein unglaubliches Potenzial, unsere Art und Weise mit Computern zu interagieren, komplett zu verändern. Die Games-Branche leistet hierbei Pionierarbeit: Mit Spiele-Apps wie Pokémon Go haben Millionen Menschen weltweit Augmented Reality kennengelernt, mit Virtual-Reality-Brillen wie PlayStation VR, Oculus Rift und HTV Vive gibt es bereits seit zwei Jahren mehrere Angebote an Konsumenten, die virtuelle Realität in den heimischen vier Wänden zu nutzen. Trotz dieser Erfolge ist aber auch klar, dass wir erst am Beginn der Entwicklung stehen: Virtual und Augmented Reality werden in den kommenden Jahren noch einige Innovationen bieten und viele Bereiche erobern.

Kann man beziffern, welchen Anteil eSports am Games-Markt in Deutschland hat?

Schätzungen von Deloitte zum eSports-Markt gehen davon aus, dass 2020 rund 130 Millionen Euro in Deutschland mit dem digitalen Sport umgesetzt werden, der weltweite Umsatz soll dann bereits bei 1,5 Milliarden Euro liegen. Auch wenn es sich in beiden Fällen nur um Schätzungen handelt, wird das große Potenzial von eSports für Deutschland deutlich: Hotspots wie Südkorea oder die USA werden wir zwar voraussichtlich nicht so schnell einholen, dennoch können wir eine bedeutende Rolle auf der eSports-Weltkarte spielen. Einerseits haben nämlich schon knapp zwei Drittel der Deutschen vom digitalen Sport gehört, andererseits kommen mit Unternehmen wie der ESL oder Freaks 4U Gaming wichtige eSports-Veranstalter aus Deutschland.


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Das vorliegene Interview wurde im Rahmen des Artikels „Das Ende des stationären und physischen Verkaufs?“ aus dem aktuellen Onlinehändler Magazin Q2/2019 geführt. Darin beschäftigen wir uns ausführlich mit der Gaming-Branche und ihren Entwicklungen. In der neuesten Ausgabe geht es außerdem um die Konkurrenzanalyse im E-Commerce, um Innovationen in der Zustellung, Gewährleistung und Garantie oder auch die größten Logo-Fails. Außerdem sind wir dem Phänomen des Hypes auf den Grund gegangen und wie ein solcher entsteht.

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