Kolumne

Smarte Windeln – der neueste Shit?

Veröffentlicht: 26.07.2019 | Geschrieben von: Hanna Behn | Letzte Aktualisierung: 26.07.2019
Baby mit Windel

Es gibt viele kluge Geräte und Erfindungen, die einem den Alltag erleichtern können, seien es smarte Türöffner für den Paketboten, kluge Kühlschränke, schlaue Brillen  – die zum Beispiel sinnvoll in der Logistik eingesetzt werden oder auch smarte Umkleiden. Und natürlich zählen auch die smarten Sprachassistenten dazu, die sehr gut zuhören und – vernetzt mit weiteren Geräten im eigenen Zuhause – einem etwa so lästige Dinge wie das Ein- und Ausschalten des Lichts abnehmen. Im Übrigen sind die smarten Begleiter vor allem abends dabei nicht mehr so aufdringlich und löschen das Licht zur Schlafenszeit leiser als je zuvor, wie Google jüngst informierte.  

Und jetzt gibt es neuen smarten Shit: Pampers, das Google-Schwesterunternehmen Verily und Logitech haben „smarte Windeln“ entwickelt, berichtet u. a. Heise

Mehr als nur schlaue Windeln 

An diesen klugen Windeln befindet sich ein Sensor, der den Feuchtigkeitsgehalt misst und die Eltern via Smartphone-App alarmiert, wenn darin zu viel des Guten ist. 

Außerdem registriert der Sensor auch Bewegungen und den Schlaf des Kindes. Händisch können der App der Zeitpunkt des Windelwechsels sowie Essenszeiten übermittelt werden. Hinzu kommt eine Full-HD-Überwachungskamera mit Weitwinkelobjektiv, über die Eltern ihr Kind nicht nur sehen und hören, sondern auch mit ihm sprechen können. Zusätzlich wird die Zimmer- und Lufttemperatur gemessen. Verfügbar ist das ganze Paket namens „Lumi by Pampers“ voraussichtlich ab Herbst 2019, erstmal nur in den USA. 

Lumi-App / YouTube Screenshot Pampers

Ziemlich cleveres Produkt 

Pampers und Co. ist damit wirklich ein tolles Produkt eingefallen. Ist doch ideal: Da sitzt man gemütlich beim Latte im kinderfreundlichen Café um die Ecke, scrollt und wiped durch die neuesten News („Muss ich heute mein Kind noch beschäftigten oder macht es das besser selbst?“, „Welches Konto ist für mein Baby das richtige?“) und wenn es Zeit ist, den Sprößling zu windeln, schlägt das Handy Höschen-Alarm. 

Auch ist es sicher nicht falsch, wenn man über die Schlaf- und Essgewohnheiten des Kindes über einen bestimmten Zeitraum gut Bescheid weiß. Und man weiß ja nie, wozu diese Art detaillierter Aufzeichnungen der frühkindlichen Entwicklung noch nützlich sein können – perfekt also für alle Helikopter-Eltern, die gerne jeden Sch*** zur Kindesentwicklung protokollieren und diese so kontrollieren möchten.   

Was auf der Strecke bleibt

Natürlich, es gibt Schöneres, als an einer vollen Kackewindel zu schnuppern. Aber wer sich bei der Fürsorge des Nachwuchses auf so eine Überwachsungs-App stützt und vielleicht hofft, dadurch besser und sicherer mit dem Baby  umzugehen, bewirkt meiner Ansicht nach eher das Gegenteil: Man verzichtet ein großes Stück weit darauf, selbst direkt mit seinem Kind zu interagieren, es zu beobachten, seine Schreie und andere Kindeslaute zu deuten und darauf aufbauend Achtsamkeit und Routinen zu entwickeln oder auf die Erfahrung, dass es völlig ok sein kann, nicht bei jedem Furz umgehend zu reagieren. 

Auch wird es bei künftigen Entwicklungsphasen des Nachwuches schwerfallen, Kontrolle abzugeben und loszulassen. Auf die smarte Windel folgt sehr wahrscheinlich der GPS-Tracker im Schulranzen. Und, wie Bloggerin Patrica Camarata (das Nuf) passend dazu ausführt, verlassen sich nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder darauf, dass ständig getrackt und geortet werden kann. Dadurch wiederum kann dann eine weitere Reihe wichtiger Kompetenzen gar nicht recht erlernt werden, etwa „Telefonnummern auswendig lernen. Uhrzeit lesen lernen und Zeit im Blick behalten. Besprechen, wie man im Notfall welche Leute anspricht. Besprechen, wie man reagiert, wenn andere einen ansprechen. Immer einen Notgroschen dabei haben.“ Und letztlich wirkt sich das auch auf ganz wichtige menschliche Skills aus, nämlich auf die Fähigkeit, zu vertrauen und sich auf seine Intuition zu verlassen. 

Sicher, es ist eine Gradwanderung und nicht immer leicht, genug, aber letztlich nicht überfürsorglich für das eigene Kind da zu sein, damit es irgendwann selbstständig wird. Doch die Verantwortung dafür auf eine App auszulagern, erscheint wenig sinnvoll.

Ob sich das Produkt in unserer immer digitaleren Welt durchsetzt oder nicht, wird sich zeigen. Unterm Strich können wir uns zumindest auf die Aussage dieses Twitter-Nutzers zum Thema einigen:

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