Gastartikel

Die Stimme als Passwort – Sicherheit der Zukunft?

Veröffentlicht: 07.08.2019 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 07.08.2019
Stimmerkennung am Smartphone

Kurz, einheitlich und leicht zu merken – all das sind effektive Passwörter oft nicht. Wenn Sie Wert auf Sicherheit im Netz legen, haben Sie für jeden Account ein anderes Kennwort, mit langen Abfolgen aus großen und kleinen Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Auch PINs für das Online-Banking sind selten für ihre Eingängigkeit bekannt. Biometrische Authentifizierungsverfahren sollen die Anmeldung bei Online-Shops und anderen Portalen einfacher und gleichzeitig sicherer machen. Neben Fingerabdruck und Gesichtserkennung stellt die Spracherkennung ein weiteres dieser Verfahren dar.

In der Praxis

Schon heute wird Spracherkennung von vielen hundert Millionen Menschen weltweit genutzt, um sich bei verschiedenen Diensten zu authentifizieren. Tendenz steigend. In Großbritannien etwa bieten diverse große Banken ihren Kunden die Möglichkeit, sich mit ihrer Stimme in ihr Kundenkonto einzuloggen und beispielsweise ihren Kontostand abzufragen. In nicht allzu ferner Zukunft könnte es ebenso zur Normalität gehören, Überweisungen auf diese Weise zu tätigen. Neben Finanzinstituten haben auch namhafte Telekommunikationsanbieter im Vereinigten Königreich diese Art der biometrischen Authentifizierung für bestimmte Geschäftsbereiche eingeführt. 

Das Grundprinzip hinter der Authentifizierung per Stimme klingt simpel: Möchte sich eine Person in ein Benutzerkonto einloggen, wird ihre Stimme mit einem digitalen Stimmabdruck des Kontoinhabers abgeglichen. Dieser Abdruck wird bei der Einrichtung des Accounts beziehungsweise der biometrischen Authentifizierung angelegt und in der Datenbank des jeweiligen Anbieters abgespeichert. Er besteht dabei nicht aus einer tatsächlichen Audioaufnahme, sondern es werden vielmehr über 100 Charakteristika der Stimme in mathematische Entsprechungen umgewandelt und anschließend in einem speziellen Format gesichert. Auch die Art und Weise, wie gesprochen wird, wird so festgehalten. Sind beim Authentifizierungsprozess schließlich die klanglichen Eigenschaften der Stimme mit den gespeicherten Daten identisch, ist die Anmeldung erfolgreich. 

Potenzial für Unternehmen

Befürworter der Technik loben zunächst die Einfachheit und Schnelligkeit des Systems: Das Merken von komplexen Kennwörtern oder das Verwenden eines Passwortmanagers entfällt ebenso wie die händische Eingabe bei der Anmeldung. In Verbindung mit dem raschen Stimmabgleich, den ein Computer in der Regel in Sekundenbruchteilen vornimmt, kann die Zeitersparnis sehr deutlich ausfallen. Unter Umständen lässt sich sogar noch mehr Zeit sparen, denn da keine Zugangsdaten mehr notwendig sind und demzufolge auch nicht verloren gehen oder vergessen werden können, würde zum Beispiel das Zurücksetzen von Kennwörtern oder das Beantworten von Sicherheitsfragen der Vergangenheit angehören. 

Für Unternehmen wie Online-Händler könnte dieser gesteigerte Komfort besonders aus einem Grund von Interesse sein: weil er die Zufriedenheit der Nutzer beziehungsweise Kunden und ihrer Bereitschaft, einen bestimmten Dienst lieber und öfter zu nutzen als einen anderen, erhöhen kann. Die unkomplizierte Nutzung eines Portals mithilfe der eigenen Stimme ist intuitiver als das Hantieren mit Passwort und PIN und könnte für viele Menschen Grund sein, sich für oder gegen einen Shop, eine Bank oder einen sonstigen Anbieter zu entscheiden.

Ausgesprochen sicher?

So praktisch die Authentifizierung per Stimme auch sein mag, wenn die Methode nicht sicher genug ist, um Nutzer-Accounts zuverlässig zu schützen, ist ihre Alltagstauglichkeit zweifelhaft. Unterstützer und Hersteller solcher Systeme betonen, dass die Sicherheit extrem hoch sei, wenn nicht gar höher als bei bisherigen Alternativen. Demnach werde die Stimme genauestens und auf eine Vielzahl von Merkmalen analysiert, wodurch eine Überlistung so gut wie unmöglich sei. Zudem könnten keine Passwort-Datenbanken mehr gehackt werden und jeder Internetnutzer verfüge automatisch über eine eigene, einzigartige Kennung. 

Kritiker sind von der Sicherheit der Stimme als Authentifizierungsmittel hingegen noch nicht vollends überzeugt. Im Gegensatz beispielsweise zu einem Fingerabdruck, sei es bei einer Stimme zu leicht möglich, dass sie sich im Netz verbreite – durch Podcasts, Videos, Radio- oder TV-Sendungen. Zum einen sei die Gefahr, dass eine solche Aufnahme dazu verwendet würde, um ein Ebenbild der Stimme zu erstellen und unerlaubt Zugriff zu einem fremden Benutzerkonto zu erlangen, zu groß. Zum anderen sei es sehr wohl (noch) möglich, die Prüfmechanismen zu täuschen. 

Eine Frage der Zeit

Die Methode, klassische Passwörter und PINs durch die Stimme zu ersetzen, birgt zweifellos großes Potenzial. Dass die Technik künftig immer häufiger verwendet wird, scheint sicher zu sein, doch inwiefern sie sich auch in ganzer Breite etablieren wird, bleibt abzuwarten. Unternehmen, die Nutzerkonten im Internet anbieten – und damit auch die E-Commerce-Branche – sollten die Entwicklung im Bereich der biometrischen Authentifizierung auf jeden Fall beobachten. Denn am Ende kann es vielleicht der größere Komfort beim Einloggen und Einkaufen sein, der Kunden zum einen und nicht zum anderen Portal oder Online-Shop zieht.

Real Simon Scholl

Über den Autor

Simon Scholl ist Online-Redakteur bei real.digital und erstellt Texte für eines der größten Onlineshopping-Portale Deutschlands. Zudem schreibt er über aktuelle Trends und Entwicklungen im Onlinehandel für den firmeneigenen E-Commerce Blog real2business.

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