Meinung

Digitale Abschottung: Wie ein Dieb in der Nacht mit Verfolgungswahn

Veröffentlicht: 01.09.2020 | Geschrieben von: Corinna Flemming | Letzte Aktualisierung: 01.09.2020
Cash only schild

Seit über drei Jahren arbeiten Christoph und ich nun schon zusammen. Wir sitzen im gleichen Büro, verstehen uns gut und haben bei vielen Themen die gleiche Einstellung: Fußball und Radfahren fetzen, gestellte Bilder für den Instagram-Account der OHN-Redaktion eher nicht so. 

Nun erlebten wir beide auch noch zur gleichen Zeit im Urlaub – er mit Familie auf Hiddensee, ich mit Anhang etwas südlicher im Bayerischen Wald – ähnliches: Kaum existente Digitalisierung. Während Christoph das als „wohltuend entschleunigend“ empfand, brachte es mich zeitweise um den Verstand, schlimmer noch, sogar um Kuchen.

Nur Bares ist Wahres

Dass drei der vier im Ort befindlichen Gaststuben keine Website oder online zu findenden Öffnungszeiten hatten, damit konnte ich noch leben. Auch wenn das Schild „Heute Ruhetag“ mich – hungrig und nach einem langem Wandertag – immer etwas ärgerte, wusste ich stets: Gut, die nächste Kneipe ist ja nicht weit weg. Die alltägliche Reaktion auf meine Frage nach Kartenzahlung und die stete Antwort „Nur Bargeld“ war schon etwas schwerer zu verdauen für mich. Besonders an dem einen Abend, als das Bargeld recht knapp, kein Geldautomat in der Nähe und die Kuchenvitrine mit leckeren Torten befüllt war. Von der Mohn-Marzipan-Torte, zu der mir 2,32 Euro gefehlt haben, träume ich immer noch.

Nun hatte ich also schon Kuchen verloren, zum Ende des Urlaubs war dann auch mein Verstand in Gefahr. Denn auch unsere Pension nahm keine Kartenzahlung an, sondern lebt nach dem Motto „Nur Bares ist Wahres". Dass eine Gaststätte mitten im Nirgendwo keine Kartenzahlung nimmt, kann ja noch nachvollzogen werden. Aber eine Pension, die teilweise mit recht hohen Summen arbeitet und nur auf Geldscheine besteht, ist schon wenig kundenfreundlich. Aber was solls, wir mussten unsere Rechnung begleichen. Also ging ich am letzten Abend zum Bankautomaten im Ort und schlich, meine Tasche an mich geklammert und wie ein Dieb auf leisen Sohlen in der Nacht, mit einem hohen dreistelligen Betrag in meinem Geldbeutel zurück zum Hotel. Ich war sogar so paranoid, dass ich mich vor einer kleinen Katze erschrak. Verfolgungswahn ließ grüßen. Damit aber nicht genug: Bei der Berechung hatte ich die Kurtaxe außer Acht gelassen, es fehlten also sage und schreibe 4,80 Euro! Ich also im inzwischen eingesetzten Regen zurück zum Geldautomat, um die fehlenden Euronen zu holen.

Digitaler Detox ist ja eigentlich was schönes, aber so dann doch nicht.

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