Ernüchternder Fortschrittsbericht

Modernisierung der Bundes-IT vor dem Aus?

Veröffentlicht: 16.09.2020 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 16.09.2020
alter Computer

Seit 2015 läuft die sogenannte IT-Konsolidierung des Bundes. Das Bundeskabinett hatte entschieden, dass die Informationstechnologie der Bundesverwaltung modernisiert und vereinheitlicht werden müsse, angelegt war das Projekt auf zehn Jahre, in diesem Jahr ist also Halbzeit – eigentlich. Der Bundesrechnungshof wies im vergangenen Jahr darauf hin, dass die Kosten – die ursprünglich einmal auf eine Milliarde Euro angesetzt waren – auf 3,4 Milliarden Euro zu wachsen drohten. Der Haushaltsausschuss forderte daraufhin eine Neukonzeption, die zum 1. Januar dieses Jahres wirksam wurde – wiederum: eigentlich.

Ein als vertraulich eingestufter Fortschrittsbericht zieht nun Bilanz. Der Spiegel, dem der Bericht vorliegt, schreibt dazu: „Stillstandsbericht wäre ein treffenderer Titel für das Werk.“ In einer Liste über den Status der einzelnen Behördenprojekte gibt es genau eines mit dem Status „abgeschlossen“. Dabei handelt es sich um das Bonner Büro der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Dieses diente als Pilotprojekt für die Modernisierung der Bundes-IT. Vier weitere Behörden seien „in der Vorbereitungsphase“, teilweise aber schon seit November 2018. Bei 18 weiteren Behörden wurde die Modernisierung „zunächst pausiert“. Das Fazit im Fortschrittsbericht lautet: „Im Ergebnis wurden alle Projekte gestoppt“.

Versenkte Milliarden, teure Berater

Der Spiegel nennt den ursprünglichen Zeitplan aufgrund des Fortschrittsberichts „illusorisch“. Noch immer gibt es kein neues Konzept, es sei nicht einmal entschieden, in welcher Reihenfolge die Behörden an die neue IT-Betriebsplattform Bund angeschlossen werden sollen. Eine Entscheidung soll hier noch in diesem Jahr fallen. Klar scheint, dass das Milliardenprojekt weitere Milliarden verschlingen wird. Im Bericht werde klar, dass auch der Kostenrahmen von 3,4 Milliarden Euro nicht zu halten sein werde.

Schon die Beraterkosten sind längst ausgeufert. Allein das Innenministerium, das bis 2019 federführend war, gab 250 Millionen Euro nur für Berater aus. Bis 2025 waren ursprünglich fast 900 Millionen Euro eingeplant – nur für Beratungsfirmen. Die Finanzplanung sei nun „grundlegend zu aktualisieren“. Dies werde allerdings erst zum Haushalt 2022 erfolgen.

Das sorgt für heftige Kritik aus der Opposition. „Wieso die Bundesregierung die Projektkosten erst mit der Aufstellung des Haushalts 2022 anpassen will, ist nur mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr verständlich. Statt die Karten auf den Tisch zu legen und zuzugeben, dass weder Zeit- noch Kostenplan auch nur im Ansatz eingehalten werden können, drückt sich Finanzminister Scholz davor, die Wahrheit zu sagen“, so die Grünen-Abgeordneten Sven-Christian Kindler und Tobias Lindner. Es sei ohnehin ein „schlechter Witz“, dass man in fünf Jahren nur eine Behörde modernisiert habe.

Öffentliche Kritik: „Für einen Bundesminister schon sehr peinlich“

Der Bericht listet auf mehr als drei Seiten Risiken und Probleme auf. Neben Fragen zur Qualität der Infrastruktur zeige sich auch eine Unlust in Ministerien und Behörden, sich weiter am Projekt zu beteiligen. Diese Bereitschaft werde „durch die wiederholte öffentliche Kritik“ weiter gefährdet. Die Grünen Kindler und Lindner nennen die Aussage „mehr als dreist“. Finanzminister Olaf Scholz versuche „vorsorglich die Schuld für sein Scheitern auf die Opposition und die Medien“ abzuwälzen. Dies sei „wirklich krude und für einen Bundesminister schon sehr peinlich“. Scholz habe es in der Hand, aus der Modernisierung der Bundes-IT noch einen Erfolg zu machen, „ganz ohne Medienschelte und Nebelkerzen.“

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