Gastbeitrag

Wie Augmented und Virtual Reality den Einzelhandel fördern können

Veröffentlicht: 20.04.2022 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 20.04.2022
Augmented Reality in einem Geschäft

COVID-19 hat die E-Commerce-Nutzung im Einzelhandel beschleunigt und dabei auch die Nachfrage nach Lösungen gesteigert, die das Einkaufserlebnis verbessern. Ob Mode, Beauty, Brillen, Möbel oder Haushaltswaren: In zahlreichen Produktkategorien halten sogenannte immersive Technologien wie 3D-Modellierung, Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) Einzug. Neue Möglichkeiten für die Interaktion mit den Verbrauchern bieten auch Schnittstellen wie WebXR und WebAR, mit denen sich direkte webbasierte Lösungen entwickeln lassen, die keinen App-Download erfordern. Darüber hinaus unterstützt die Ausweitung der 5G-Dienste mehr digitale Inhalte und eliminiert bisherige Einschränkungen beim Einsatz immersiver Technologien.

Vor allem 3D, AR und VR dürften die weltweite Einzelhandelslandschaft fundamental verändern: 68 Prozent der Verbraucher im Asiatisch-Pazifischen-Raum und 58 Prozent in Europa sind Studien zufolge offen für immersive Technologieerlebnisse. Laut einer Umfrage von Insider Intelligence wünschen sich fast 20 Prozent der US-Bevölkerung (66 Millionen Nutzer), VR in den nächsten beiden Jahren zu erleben. 33 Prozent (110 Millionen Nutzer) würden AR mindestens einmal im Monat nutzen. Diese Zahlen belegen, dass die Verbraucher bereit sind, immersive Technologien in ihr tägliches Leben einzubeziehen. 

Ein Appell an die Einzelhändler, den digitalen Handel neu zu denken und die wachsende Nachfrage nach virtuellen Erlebnissen zu berücksichtigen. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Einzelhändler und Markenanbieter die immersiven Möglichkeiten ausschöpfen können.

Virtuelle Anprobe und 3D-Modelle

Die meisten von uns haben bereits von virtuellen „Try-before-you-buy“-Erlebnissen gehört und sie vielleicht auch schon genutzt. Die Einsatzgebiete reichen vom Einrichten der Wohnung bis zur Vorschau, wie ein Make-up oder eine Brille zum Gesicht passt. Immersive Technologien gehen jedoch über die einfache Visualisierung von Produkten hinaus. So nutzen immer mehr Bekleidungs- und Schuhhersteller AR, um die Körper- beziehungsweise Schuhgröße ihrer Kunden zu messen. Ein Beispiel ist die Funktion „Nike Fit“, die auf einer Kombination aus Computer Vision und künstlicher Intelligenz basiert und die passenden Schuhgrößen mobiler Nutzer ermittelt.

Da sich mit AR-fähigen 3D-Produkten manuelle Abläufe durch digitale Prozesse ersetzen lassen, sind solche Technologien zudem nachhaltig. Die Markteinführung wird durch die Verwendung digitaler Modelle anstelle von physischen Mustern beschleunigt, und bisherige logistische Herausforderungen wie Produktschulungen oder die Produktion von E-Commerce-Fotos und Verpackungsdesign entfallen. Die Verbraucher wiederum haben die Möglichkeit, Artikel zu Hause auszuprobieren und bessere Entscheidungen zu treffen.

Das senkt die Rücksendequote, die unter anderem für Möbelhändler oft eine Herausforderung darstellt. Denn viele Kunden, denen ein Möbelstück im Ausstellungsraum gefallen hat, finden es im eigenen Zuhause doch nicht passend.

Abhilfe schafft hier zum Beispiel IKEA Place: Die AR-fähige App von IKEA, mit der Kunden Einrichtungsgegenstände und Möbel virtuell testen können, wurde allein im August 2020 rund 300.000-mal heruntergeladen. Sie passt das Produkt nicht nur automatisch an die jeweiligen Raummaße an, sondern zeigt auch auf, wie die Textur eines Stoffes oder unterschiedliche Arten der Beleuchtung in der Wohnung des Kunden wirken. Durch die AR-App konnte IKEA seinen E-Commerce-Umsatz 2020 um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern.

Virtuelle Pop-up-Läden

Das veränderte Verbraucherverhalten zwingt Einzelhändler dazu, auch bei der Produkteinführung kreativer zu werden. Viele setzen auf virtuelle Pop-up-Stores, die den Kunden AR-basierte Ladenerlebnisse weltweit und zu jeder Zeit ermöglichen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Bewerbung neuer Produkte, sondern auch darum, wieder mehr Besucher in die physischen Läden zu locken. Die Modemarke Burberry hat zu diesem Zweck beispielsweise seine weltweiten Pop-up-Stores auf die Veröffentlichung einer neuen Handtaschenkollektion abgestimmt. Das AR-Erlebnis rund um die „Olympia“ war dabei von der griechischen Mythologie und modernem Klassizismus inspiriert. 

Andere Markenanbieter nutzen immersive Erlebnisse, um das globale Publikum über soziale Medien zu erreichen. Ein Beispiel hierfür ist eine gemeinsame AR-Posterkampagne von Footlocker und LeBron James: Das von einem 2D-Poster in ein digitales 3D-Modell verwandelte Motiv wurde innerhalb einer Stunde nach dem Go-Live mehr als 1,25 Millionen Mal aufgerufen.

Transaktionen auf Spieleplattformen

Dies führt uns zu einem weiteren wichtigen Zukunftsthema für den digitalen Einzelhandel: Große Spieleplattformen dienen zunehmend als Marktplätze, die Transaktionen in verschiedenen Produktkategorien vorantreiben – etwa Autos, Kunst, Mode, Medien und Unterhaltung. Seit die Verbraucher pandemie-bedingt mehr Zeit in Innenräumen verbringen, sind die weltweiten Ausgaben für Videospiele jeden Monat um rund 10 Milliarden Dollar gestiegen, die Spielzeit legte um 75 Prozent zu. 

Das Online-Spiel Fortnite, entwickelt von Epic Games, hat unglaubliche 350 Millionen monatlich aktive Nutzer (MAU) – also mehr als die gesamte Bevölkerung der USA. Das Spiel Minecraft kommt auf 126 Millionen Nutzer. Roblox erreicht 158 Millionen MAU. Auch bei Konzerten entwickeln sich virtuelle Umgebungen zu Drehscheiben, die enorme Nutzungs- und Umsatzstatistiken hervorbringen. So hat das große EDM-Festival „Tomorrowland“ sein eigenes virtuelles Online-Erlebnis mit der Unreal Engine von Epic geschaffen. Eine Million Tickets zu je 20 Dollar wurden dafür verkauft. In Fortnite hatte ein Konzert des Künstlers Marshmello 2019 rund zehn Millionen Besucher. Travis Scotts „Astronomic Experience“ in Fortnite kam im Jahr 2020 sogar auf fast 28 Millionen Nutzer.

Einzelhändler sollten diesen Nutzungs- und Umsatzstatistiken unbedingt Beachtung schenken. Denn die moderne digitale Welt, in der die Menschen Veranstaltungen besuchen, sich mit Freunden treffen und viel Zeit verbringen, setzt auch ein entsprechendes Einzelhandelsumfeld voraus. Noch vor einigen Jahren verbrachten die Menschen viel Zeit in physischen Einkaufszentren, jetzt sind sie online. Einzelhändler präsentieren sich heute auf Instagram, Snapchat oder YouTube, um neue Zielgruppen zu erreichen und die Kontaktpflege mit ihren bestehenden Kunden zu verbessern.

Als neue Form des virtuellen Raums bietet das sogenannte Metaverse – die Kombination aus „Meta“ und „Universum“ – eine digitale Überlagerung der Realität. Die Konvergenz von E-Commerce, sozialen Netzwerken und Unterhaltung wird die Geschäftsmodelle und den Umgang der Menschen miteinander künftig stark beeinflussen.

Wachsende Verbreitung von Avataren und NFTs

Der Markt für virtuelle Produkte ist laut der Analyse-Plattform CB Insights mittlerweile auf ein Volumen von 190 Milliarden Dollar gewachsen. Dazu hat auch die steigende Nachfrage nach virtuellen Charakteren (Avataren) und das Aufkommen von Non-Fungible Tokens (NFTs) beigetragen. Das Konzept des Direct-to-Avatar-Handels (D2A, im Gegensatz zu Direct-to-Consumer / D2C) fördert die Akzeptanz von Digital-Native- und First-Mover-Marken. Denn es schafft sozial ansprechende Einkaufserlebnisse, die über andere Online-Kanäle nur schwer zu erreichen sind. So haben sich Jordan Brand, Levi‘s und Ralph Lauren mit Snapchat zusammengetan, um Outfits für Bitmoji-Avatare zu verkaufen. Auch Nike, Gucci und Louis Vuitton bieten gemeinsam mit Fortnite, Roblox und League of Legends virtuelle Outfits an.

Virtuelle Avatare, also künstliche Personen, für die sich der Nutzer eine Online-Identität aneignet, werden immer beliebter. Neben Teilen kreativer Bilder auf Instagram hat vor allem die Generation-Z Avatare als neues Ausdrucksmittel für sich entdeckt. Je besser sie ihr virtuelles „Ich“ kleiden oder schmücken, desto besser die soziale Stellung – ähnlich wie sich die Reputation durch eine wachsende Zahl von Anhängern oder Likes in den sozialen Medien verbessert.

Für Einzelhändler auf der Suche nach Innovationen bieten immersive Technologien wie 3D, AR und VR ein scheinbar unbegrenztes Potenzial, um mit Kunden in Form von einzigartigen, interaktiven Erlebnissen in Kontakt zu treten. Was noch vor wenigen Jahren wie ein weit hergeholtes Konzept erschien, eröffnet Unternehmen täglich neue Möglichkeiten.
Gemeinsam mit führenden Einzelhandelsmarken identifiziert Amazon Web Services (AWS) die immersiven Lösungen, die am besten für die jeweiligen Geschäftsanforderungen geeignet sind. Weitere Informationen über die AWS-Immersive-Commerce-Initiativen finden Sie hier.

Über den Autoren

IMG 2364 Vince Koh

Vince Koh leitet die weltweite Digital-Commerce-Strategie bei Amazon Web Services. Gemeinsam mit den Retail- und Consumer Packaged Goods (CPG)-Führungsteams von AWS begleitet er Kunden bei ihrer Transformation des Online, Social und Mobile Commerce. Zuvor war Koh SVP of Commerce & Conversion bei Weber Shandwick sowie VP E-Commerce bei der Iconix Brand Group und leitete Projekte bei Accenture. Koh hat einen MBA der SC Johnson Graduate School of Management der Cornell University.

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