Kolumne

Ja zu Social Media – Darum müssen Politiker Facebook und Co. nutzen

Veröffentlicht: 15.02.2019 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 15.02.2019
Mann mit Zeichen von Twitter und Facebook

In den vergangenen zwei Wochen herrschte etwas prominente Fluktuation auf den sozialen Netzwerken: Die Bundeskanzlerin legte ihren Facebook-Kanal still. Zuvor hatte schon Grünen-Chef Robert Habeck mit großem Tamtam fast alle seine Accounts geschlossen, weil er via Twitter einige unglückliche Formulierungen losließ, die er später selbst bereute. Der Bundespräsident will jetzt auch auf Instagram durchstarten und hat in dieser Woche ein Profil eröffnet – allerdings ist er auch schon seit zwei Jahren im Amt. 

Im Netz fallen alle Hemmungen

Social Media und Politiker, das scheint keine echte Liebesbeziehung zu sein, oft nicht mal eine Zweckehe. Robert Habeck hatte seinen Rückzug damit erklärt, dass Twitter zu einem „Instrument der Spaltung“ geworden sei. Wer Diskussionen in Facebook-Gruppen, Online-Foren oder auch nur Kommentare unter politischen Themenbeiträgen verfolgt, weiß: Im Netz fallen oft alle Hemmungen, da wird mit offenem Visier verbal gehauen, gestochen und getreten, dass man sich verzweifelt eine Haager Landkriegsordnung für den Umgang im Social Web wünscht. Klar, dass man da als Mensch und Politiker wenig Lust hat, sinnlose Debatten zu führen, sich beleidigen zu lassen oder sogar sein Privatleben öffentlich ausgebreitet zu bekommen

Aber: Politiker ist nun mal ein besonderer Job. Das Sondieren der öffentlichen Meinung – wie und wo auch immer sie gerade geäußert wird –, der Austausch mit Leuten mit anderer Einstellung und das Kommunizieren von Themen und Problemen sind Kernaufgaben dieser Profession. Da kann man sich nicht immer aussuchen, mit wem man in den argumentativen Infight geht. Im Grundgesetz, Artikel 38, heißt es ja auch: „Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, (...).“ Wenn demokratische Politiker sich einfach aus der Social-Media-Meinungsarena zurückziehen, überlassen sie diese Netzwerke denen, die möglicherweise ungefiltert und unwidersprochen Hass und Falschinformationen säen. Nebenbei bemerkt: Die Partei, die mit fast 500.000 und damit weitem Abstand die meisten Fans auf Facebook hat, ist die AfD.

Social Media als Chance für Authentizität und neue Zielgruppen

Hinzu kommt, dass Social-Media-Kanäle für viele, vor allem jüngere Menschen, längst eine relevantere Informationsquelle sind als Online-Medien, TV oder gar Zeitungen. Das ist eine Zielgruppe, die teils noch nicht wählen darf, es aber in naher Zukunft vielleicht tun wird, und die gleichzeitig über Politikferne und Politikerverdrossenheit klagt. Und wir reden hier noch eher von Facebook, das bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowieso fast aus der Mode ist. Wie viele Politiker fallen einem ein, die etwa auf Snapchat zumindest versuchen, die nächste Wählergeneration zu erreichen? Zwei Prozent der Bundestagsabgeordneten waren laut einer Studie von Bitkom 2017 auf diesem Netzwerk aktiv.

Auch wenn Social Media und der passende Umgang damit für viele Volksvertreter wohl noch das vielzitierte Neuland sind: Es darf kein Weg drumherum oder heraus führen. Wie auch bei einer politischen Kampagne über traditionelle Medien muss sich jeder Politprofi überlegen, welche Kanäle er wie bespielt und wie er dabei wirken will. Im optimalen Fall ist es möglich, in den sozialen Netzwerken etwas zu liefern, was in der medialen Berichterstattung oder im hektischen Politbetrieb oft untergeht, aber immer wieder gefordert wird: Authentizität. Und, hey: Selbst Horst Seehofer, der Mann dessen Digitalkompetenz man mit einem sehr sehr traurigen Smiley bebildern könnte, ist auf Twitter.

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