Meinung

Die Mär von der sterbenden Innenstadt

Veröffentlicht: 25.09.2019 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 25.09.2019
volle Fußgängerzone

Die Innenstädte liegen im Sterben. Bald laufen wir durch verlassene Fußgängerzonen, an deren Ende jemand auf der Mundharmonika das Lied vom Tod zum besten gibt, während Lieferwagen die Straßen verstopfen, um die zahlreichen Online-Bestellungen zu den Empfängern zu bringen. Die Geißel der leidenden Innenstädte: Der Online-Handel. 

So zumindest die allgemeine Darstellung, beziehungsweise das Bild, das zahlreiche Statistiken vermitteln. Es lässt sich sicherlich nicht abstreiten, dass die Innenstädte – oder besser gesagt die kleinen stationären Läden – ein ernstes Problem haben, seit die Deutschen mit dem Marathon-Einkauf im Netz eine neue Lieblingssportart entdeckt haben. Anstatt sich durch volle Fußgängerzonen zu drängeln und in Geschäften tatsächlich mit Menschen interagieren zu müssen, bevorzugen die Kunden den bequemen Klick auf den Kaufen-Button.

Die Innenstadt quillt über

Aber wie misslich ist die Lage der Innenstädte? Erst am Wochenende war ich wieder in der Leipziger Innenstadt unterwegs und kam nicht drumherum, ein Bad in der Menge zu nehmen. Leere, tote Fußgängerzonen sehen wahrlich anders aus. Und niemand kann mir erzählen, dass es die Massen nur für einen gemütlichen Kaffee in die City gezogen hat, weil es den eben noch nicht online gibt. Denn abseits der Leipziger Innenstadt gibt es mehr als genug kleine Cafés, die – wir erinnern uns an die Bequemlichkeit aka Faulheit der Menschen – viel schneller und einfacher zu erreichen wären.

Die potenziellen Kunden sind also da, eben auch in den Geschäften. Nun gibt es zwei Schlussfolgerungen: 1. Die Innenstädte sterben gar nicht. 2. Die Leute wollen tatsächlich alle nur einen Kaffee trinken. 3. Irgendwas machen die Geschäfte falsch.

Das Problem ist komplexer

Nun wäre es aber auch völlig falsch, die Not der stationären Anbieter kleinzureden. Vor allem wenn es sich um eine Boutique handelt, ist eine Geschäftsaufgabe eine Tragödie. Tatsächlich aber sterben weniger die Innenstädte, die durch die Laufkundschaft noch wahnsinnig gut besucht sind. Größere Schwierigkeiten haben da die dünner besiedelten Stadtränder. Viel wichtiger aber noch: Kleinere Geschäfte haben es schwer, sich gegen große Konkurrenten durchzusetzen. 

Das Problem lässt sich also nicht einfach auf den Online-Handel herunterbrechen – ganz im Gegenteil: Durch eine Verbindung von ihrem stationären Geschäft mit dem Online-Kanal können auch kleinere Geschäfte einen Vorteil gewinnen. Vorstöße von Ebay mit seinen Projekten in diversen Städten zeigen das deutlich.

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