Werbung, die die Gemüter spaltet

True Fruits provoziert mit „Ja zu Plastik“-Kampagne – Mutig oder unverschämt?

Veröffentlicht: 18.04.2019 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 18.04.2019
Verschiedene Smoothies der Firma True Fruits

Mit seiner neuen Werbung dürfte der Smoothie-Hersteller True Fruits ordentlich anecken – und zwar bei Konkurrenten und womöglich auch bei Kunden, die sich nicht intensiver mit der Werbung auseinandersetzen, sondern nur einen kurzen Blick darauf werfen.

Die Kampagne, die wahrscheinlich für schäumende Gemüter sorgen wird, listet eine Vielzahl von Produkten konkurrierender Unternehmen auf, die Plastikflaschen nutzen: zum Beispiel die Limonade von Fanta, Saft von Valensina und Punica, (Eis-) Tee von Nestea und Volvic sowie einen Smoothie von Innocent. Geziert werden die Produkten mit dem Slogan „Sag JA zu Plastik! Glas kann kaputt gehen. Plastik bleibt für im Meer und ewig.“

Truefruits JaZuPlastik

Natürlich ist die True Fruits-Werbung kein Aufruf FÜR, sondern GEGEN Plastik – nur dass sie dabei eben recht provokant und aufsehenerregend ist. Selbst bei uns in der Redaktion sorgt die Kampagne für gespaltene Meinungen …

Ist die Kampagne nun gut oder nicht?

Hanna Behn: Provokation statt einfach gute Argumente

Hanna rund klein

True Fruits nutzt seit jeher Glasflaschen und positioniert sich mit seiner aktuellen Kampagne gegen Plastikmüll. Das ist super! Gerade im Zuge der Fridays-for-Future-Demonstrationen ist klar: Das Thema ist wichtiger, denn je. Und, das muss ich True Fruits auf jeden Fall lassen, sie sichern sich hiermit absolut Aufmerksamkeit. Problematisch an der Kampagne ist meiner Ansicht nach also keinesfalls, was kommuniziert werden soll. Doch das Wie stößt auf.

Weil seine Konkurrenten Plastikflaschen nutzen, diffamiert oder provoziert True Fruits diese, absichtlich. Muss das wirklich sein? Warum in den Krieg ziehen, um Gutes zu erreichen? Mich erinnert die Aktion auch an die jüngste Debatte, die aufgrund einer Werbung von 2017 für einen schwarzen Smoothie, beworben mit Slogans wie, „Schafft es selten über die Grenze“ oder „Unser Quotenschwarzer“ ausgelöst wurde.

Screenshot Instagram @truefruitssmoothies

Mit der Werbung wollte das Unternehmen ursprünglich die österreichische Migrationspolitik anprangern. Betroffene konfrontierten True Fruits dann damit, dass dies diskriminierend sei. In Reaktion darauf erklärte das Unternehmen damals auf Instagram: „Ja, wir sind diskriminierend“ und sagte auch „Ihr werdet bei uns also immer wieder auf diese Art der Kommunikation stoßen, die dumme Menschen falsch verstehen könnten“ (nachzulesen etwa bei W&V).

Ob sich jetzt gezielt dumme Menschen vom grammatisch fragwürdigen Satz im aktuellen Slogan: „Plastik bleibt für im Meer und ewig“ angesprochen fühlen sollen, sei mal dahingestellt. Für mich offenbart sich in der Werbung ebenso wie in der Reaktion auf die Diskriminierungsvorwürfe vor allem eine „Bist du nicht für uns bist du gegen uns/gegen die Sache“-Haltung.

Doch heiligt allein der Zweck nicht diese Mittel. Wenn ich was Gutes tun will, muss ich dabei nicht zwingend Anderen absichtlich und provokant auf die Füße treten. Da gibt es bessere Möglichkeiten. Interessanterweise kommentierten damals nämlich auch Nutzer unter der angesprochenen Debatte, wie schade sie es finden, dass True Fruits bisher als einzige immerhin Glasflaschen anbietet. Das zeigt, True Fruits hat hier mit seinen Glasflaschen am Markt längst ein absolutes Stand-alone zu bieten, ist sogar Vorreiter. Damit könnten sie problemlos überzeugen.

Was nur ist also so schwer oder uncool daran, argumentativ und entspannt die Botschaft zu verbreiten, wie super das ist, was man macht: Ey Leute, wir nehmen Glasflaschen für unsere Smoothies. Denn der Rohstoff ist einfach umweltverträglicher und das ist für uns alle gut – denn sonst wächst bald nichts mehr, was euch Vitamine liefert. So ist es einfach schade, dass bloße Provokation wie so oft mehr erreichen soll, als gute Argumente.

Tina Plewinski: Der Kampf gegen Umweltverschmutzung ist eben ein schmutziges Geschäft

Tina rund

True Fruits ist ein Unternehmen, bei dem man weiß, dass es gern mal über die Stränge schlägt und sich um herkömmliche Marketing-Traditionen und Netiquette nicht immer schert. In der Vergangenheit warben die Bonner Getränkehersteller immer wieder mit anzüglichen oder gar obszönen, leicht machohaften oder krass sexistischen Werbeslogans. Dem Team wurde sogar Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen. Bei Slogans wie „Oralverzehr – schneller kommst du nicht zum Samengenuss“ kann man als Kunde schon mal schlucken… oder eben nicht…

Truefruits Oralverzehr Screenshot Pressemappe

Doch auch wenn man nicht auf anzügliche oder obszöne Werbung steht, muss doch auch ein objektiver Betrachter zugeben: True Fruits weiß, wie man die Aufmerksamkeit der Verbraucher und Kunden auf sich zieht. Und ich muss zugeben, auch ich finde die neue Kampagne super – wenn auch ein wenig gewöhnungsbedürftig.

Es ist sicher nicht die feine, englische Art, Konkurrenten direkt und namentlich an den Pranger zu stellen! Ich halte – weder im Privaten noch im Beruflichen – viel von Schlammschlachten oder Diskreditierungen! So viel vorweg. Dennoch finde ich, sollte man bei der neuen True Fruits-Werbung den Fokus ein wenig verrücken und den Kern der Kampagne nicht aus den Augen verlieren: und der liegt eben auf dem Schutz der Umwelt, der Natur und unserer Zukunft!

Beim Thema Umweltverschmutzung gibt es keine Halbwahrheiten. Die Wahrheit ist: Wir beuten die Erde kontinuierlich aus und vermüllen sie mit Plastik, Elektroschrott und quasi allem, was wir nicht weiter verwerten. Kein leichtes Thema und gewiss nicht angenehm. Und um auf die Schwere und Tragweite dieser Entwicklung Aufmerksam zu machen, reichen eben nette und schüchterne Kampagnen manchmal nicht aus. Oder haben Sie etwa schon einmal von einer angenehm leisen Aktion gehört, die in der Lage war, die Welt mit Blick auf die Müllfluten besser zu machen? Nein? Ich auch nicht.

Das weiß auch True fruits. Daher greift das Team eben zu einem Mittel, das eben nicht ruhig und zurückhaltend, sondern laut und aufmerksamkeitsheischend ist: Sarkasmus und Fingerpointing.

Truefruits Aufsatz Aufsaetze Screenshot

Übrigens ist die neue Ja-zu-Plastik-True-Fruits-Sarkasmus-Werbestrategie nichts, was dem Unternehmen eben mal so gelegen kommt und nach einigen Wochen wieder ad acta gelegt wird. True Fruits engagiert sich schon länger für Nachhaltigkeit. Im Online-Shop des Unternehmens finden sich beispielsweise Verschlüsse, Streu- oder Gießaufsätze zum Nachkaufen. Mit diesen kann man den leeren Smoothie-Gläsern ein zweites Leben schenken. Nachhaltigkeit in Reinstform. Und deswegen ein klares Daumen-Hoch von mir: für den Mut, aus der Masse herauszustechen und die Chuzpe, für die ehrenwerten Ziele auch kräftigen Gegenwind einzustecken. Hut ab!

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